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Recht, Würde und freier Geist

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Für uns, die in den Anfängen des Jahrhunderts geborene Generation, war es doch immer selbstverständlich, daß die Deutschen eine der bedeutendsten Nationen sind, die in einer tausendjährigen Geschichte die Geschicke der Völkergemeinschaft des christlichen Abendlands mitgetragen und mitgestaltet haben. Diese Gemeinschaft, aufgesplittert durch die Verirrungen eines übersteigerten Nationalismus seit der Französischen Revolution, wiederzuschaffen in moderner Form, das war der Idealismus und das Ziel, dem wir unser Leben widmen wollten.“ Der solches so glaubwürdig wie gelassen aussprechen konnte, starb vergangenen Freitag in Berlin: Volkmar Zühlsdorff. 1912 im märkischen Finow geboren und in Breslau aufgewachsen, trat er nach dem Abitur 1931 dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold bei, jener den Sozialdemokraten nahestehenden Organisation, die sich gegen die Schlägertrupps der SA und der Kommunisten zur Wehr setzte. Lebenslang blieb er seinem sechs Jahre älteren Freund Hubertus Prinz zu Löwenstein, der schon ein politischer Publizist von Rang war, und dessen Familie verbunden. Der „rote Prinz“, wie er verächtlich von Goebbels genannt wurde, sah schon 1930 in der Vossischen Zeitung die „europäische Katastrophe“ voraus, sollte Hitler je an die Macht kommen. Als es dazu kam, mußte er zusammen mit seiner Frau, Helga Prinzessin zu Löwenstein, Deutschland sofort verlassen. Zühlsdorff erlebte im Mai 1933 noch die Bücherverbrennung in Berlin und folgte wenige Tage dem Freund ins Exil, vorerst nach Österreich, später über Frankreich und England nach New York. Dort war er 1936 an der von Prinz Löwenstein initiierten Gründung der Deutschen Akademie der Künste und Wissenschaften im Exil beteiligt, deren Präsidenten keine geringeren als Thomas Mann und Sigmund Freud wurden. In einem Interview sagte Zühlsdorff: „In dieser Akademie war am Ende fast alles vertreten, was vom deutschen Geist im Exil Rang und Namen hatte.“ Obwohl die Akademie mit ihrer Hilfsorganisation American Guild for German Cultural Freedom nicht nur einen Großteil der geistigen Elite Deutschlands zusammenführte, sondern auch das Überleben emigrierter Wissenschaftler und Künstler ermöglichte, blieb ihr die Anerkennung unmittelbar nach dem Krieg versagt, denn Heimkehrern warf man vor, sie hätten der deutschen Tragödie „aus den Logen und Parterreplätzen des Auslandes“ zugesehen. Zum Verdienst der Akademie zählt auch, daß der grausame, von US-Präsident Roosevelt schon abgesegnete Morgenthau-Plan, der nach dem Sieg Deutschlands totale Aufteilung, Vernichtung der Industrie und Ersäufung der Ruhrgruben vorsah, nicht zum Einsatz kam, weil eine Welle der Empörung durch die USA ging. Man begriff, daß es neben dem Hitler-Regime noch ein anderes Deutschland gab, „ein Deutschland des Rechtes, der Menschenwürde und des freien Geistes, dem die Zukunft gehören muß“. 1946 zog es die Freunde nach dreizehnjährigem Exil wieder in das zerbombte und zerstückelte Deutschland. „Ich war ergriffen“, so Zühlsdorff, „von einem heißen Glücksgefühl, erfüllt von Liebe zu all diesen Menschen, meinen Brüdern und Schwestern, die viel gelitten hatten, was immer ihre Schuld, ihr Heldentum oder ihr Beiseitestehen gewesen sein mochte.“ Sie machten aller Welt klar, daß es kein Widerspruch war, Hitler zu bekämpfen und Deutschland zu lieben. Sie riefen die Deutsche Aktion ins Leben, besetzten 1950/51 mit Studenten Helgoland und erreichten unter Lebensgefahr die Einstellung britischer Bombenflüge, die das Eiland zertrümmern sollten. Ebenso setzten sie sich für die Rechte Vertriebener und die Rückkehr der Saar ein. Prinz Löwenstein wurde FDP-Bundestagsabgeordneter und schloß sich 1958 der CDU an. Zühlsdorff war von 1952 bis 1956 politischer Redakteur der Zeit und von 1959 bis 1977 im diplomatischen Dienst der Bundesrepublik Deutschland. 1986 erschien sein stark beachteter Briefwechsel mit Hermann Broch, 1999 das Buch „Deutsche Akademie im Exil. Der vergessene Widerstand“. Im Gegensatz zu Schriftstellern, die bei der Waffen-SS landeten und später mit erhobenem Zeigefinger gegen die deutsche Einheit stichelten, haben der Prinz und Zühlsdorff als Mitbegründer des Freien Deutschen Autorenverbandes (FDA) nie an der Wiedervereinigung gezweifelt, sich stets mit den bedrängten DDR-Autoren solidarisiert und die ausgebürgerten mit offenen Armen empfangen. „Daher sind wir auch gleich, als die Mauer fiel“, sagte Ehrenpräsident Volkmar Zühlsdorff, „mit unseren Kongressen hinübergegangen ins Herz Deutschlands, auf die Wartburg, dorthin, wo mit Luthers Bibelübersetzung das einigende Band der hochdeutschen Sprache entstand und wo bereits 1817 die Burschenschaften unter schwarzrotgoldenen Fahnen für das demonstrierten, worum es in der Gegenwart noch immer – oder wiederum – geht: für die Freiheit und für ein einiges deutsches Vaterland.“ „Die beiden totalitären Systeme unseres Jahrhunderts“, sagte er 1994 in einem Interview mit dieser Zeitung (JF 15/94), „sind zusammengebrochen, das eine durch äußere Gewalt, das andere durch innere Verrottung. Derartige Ereignisse haben ihre Wirkung auf die Menschen, auf ihre geistige und ethische Haltung. Ich meine, daß wir zu einer geistigen Atmosphäre gelangen werden, in der Deutschland wieder an eine Vergangenheit anschließt, in der es eine würdige Rolle gespielt hat als eine der bedeutenden Nationen des Abendlandes.“ Alle, denen das Wohl der europäischen Vaterländer und die Würde ihrer Bürger am Herzen liegen, haben guten Grund, sich vor diesem tapferen, freiheitlich und christlich gesinnten Patrioten tief zu verneigen. Siegmar Faust , Jahrgang 1944, Schriftsteller, ist Sonderbeauftragter für Projektmanagement des Freien Deutschen Autorenverbandes (FDA). Aufgewachsen in der DDR, wurde er zweimal wegen „staatsfeindlicher Hetze“ verurteilt und 1976 von der Bundesregierung freigekauft. Von 1996 bis 1999 war er in Sachsen Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen. Heute lebt er in Bayern. Foto: Volkmar Zühlsdorff: Dreizehn Jahre lang im Exil gelebt

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