Unerhörtes tut sich beim Suhrkamp-Verlag in Frankfurt am Main. Der Mitgesellschafter aus alten Siegfried-Unseld- und Hermann-Hesse-Tagen, Andreas Reinhart in Winterthur, hat seine Anteile am Verlag (29 Prozent) verkauft, ohne der Mehrheitseignerin Ulla Unseld-Berkéwicz auch nur ein einziges Sterbenswörtchen darüber mitzuteilen. Und auch die neuen Besitzer der Reinhart-Anteile, die Hamburger Investoren Hans Barlach und Claus Grossner, meldeten sich nicht bei Frau Berkéwicz, gingen statt dessen sofort mit vollmundigen Mitteilungen in die Presse und brüskierten die Verlegerin geradezu. In großen Interviews verlautbarten sie, daß sie im Verlag künftig ein gewichtiges Wort mitzureden gedächten. Unter Berkéwicz seien die Geschäfte „durch innere Querelen vom Ausmaß Shakespearischer Dramen“ blockiert worden; nun wollten sie, Barlach und Grossner, „den traditionsreichen Verlag retten“. Ulla Berkéwicz, nachdem sie sich vom ersten Schrecken erholt hatte, schlug wuchtig zurück. Barlach und Grossner würden keinerlei Mitspracherechte im Verlag erhalten. Die Mehrheitsverhältnisse sprächen eine eindeutige Sprache. Das Kriegsbeil ist also ausgegraben. Wer die besseren Karten hat, wird sich zeigen. Barlach und Grossner genießen weder in der Investmentbranche noch im Literaturbetrieb einen sonderlich guten Ruf, sie erscheinen im Vergleich zu Berkéwicz ausgesprochen schwach auf der Brust. Andererseits gelten sie aber als Strohmänner und Wegbereiter des britischen Großinvestors David Montgomery, dessen Konzern Mecom voriges Jahr die Berliner Zeitung übernahm. Montgomery ist zur Zeit wohl die gierigste „Heuschrecke“ im europäischen Medienbereich. Um ihm widerstehen zu können, müßte man sich bei Suhrkamp sehr warm anziehen.
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