Ist das Ende sommerlicher Temperaturen in Sicht, werden die Deutschen wieder merken, daß sie eigentlich ja schlecht gelaunt sind und dafür auch einige gute Gründe anführen können. Eine Änderung dieser Befindlichkeit und als Voraussetzung dafür ein Ausweg aus der politischen und ökonomischen Misere sind nicht in Sicht. Den Soundtrack für den Stimmungsumschwung gibt es allerdings bereits. Er stammt von einem weitgehend anonymen Künstler, der sich PeterLicht nennt und genau so schreibt, und er verheißt ohne das übliche Wenn und Aber: „Wir werden siegen!“ Damit meint er allerdings nicht, daß die großen Reformvorhaben der Berliner Koalition gelingen, der Standort Deutschland im globalen Wettwerb behauptet wird und die Bürger endlich ein Einsehen haben, daß eine Marktwirtschaft auch dann eine feine Sache ist, wenn sie nicht mehr mit der antiquierten Einschränkung belastet wird, auch noch eine „soziale“ sein zu müssen. PeterLicht gibt vielmehr das Ende des Kapitalismus bekannt. Diese frohe Botschaft verkündet er zum einen in einem (im Blumenbar Verlag erschienenen) Buch – einem munteren Sammelsurium aus Gedichten, Parolen, Aphorismen, Gekritzel, tagebuchähnlichen Notaten und allerkürzesten Kurzgeschichten. Und zum anderen läßt er sie auf einer CD, „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ (Motor Music) in die Welt herausschallen. Die insgesamt vierzehn Lieder auf diesem Album spiegeln nicht nur das „stimmige Bild eines Lebensgefühls“ (Vogue), diese CD ist, dieses auf obszöne Weise betuliche Wort kann hier nicht vermieden werden, bedeutend. Nur ganz selten gelingt es nämlich Musikern, die Stimmung eines historischen Moments zum Ausdruck zu bringen, indem sie gerade das artikulieren, was der überwältigenden Mehrheit ihrer Zeitgenossen nicht durch den Kopf geht, obwohl es aus ihrem Tiefinnersten gesprochen ist. Wo die individuellen Abwehrstrategien gegen eine weitere Erosion des Lebensstandards die verbliebene Lebensfreude untergraben, wo zweckloses Treiben nur noch als Erholungspause für um so intensiveres Erwerbsstreben seine Rechtfertigung findet, wo das Diktat der Selbstverantwortung gerade von jenen armen Schweinen mit roten Wangen der Begeisterung verinnerlicht wird, zu deren Schaden man es postuliert, da, ja da müßte eigentlich längst einmal die Frage aufgetaucht sein, wann das ganze endlich vorbei ist. Diese Frage zu stellen heißt jedoch, nicht dazu und damit zu den Verlierern zu gehören. Sie bleibt daher nicht bloß unausgesprochen, sondern auch ungedacht. PeterLicht nun stellt sie nicht, er beantwortet sie vielmehr. Jetzt, so sagt er, ist es vorbei. Das stimmt, wie jeder weiß, natürlich nicht. Auch an einer Darstellung einer Gesetzmäßigkeit, wie den Kapitalismus sein zwangsläufiges Ende ereilen könnte, ist ihm, anders als den guten, altgläubigen Sozialisten aus grauer Vergangenheit, nicht gelegen. Statt dessen scheint PeterLicht einfach einmal das Gefühl zum Leben erwecken zu wollen, das sich einstellen würde, wenn dem denn so wäre. Dieses Aufatmen, dieses Empfinden, einen historischen Ballast, der „auch lang genug gewesen“ ist, abgeschüttelt zu haben, trägt nahezu alle Lieder auf der CD – und hier verblüffenderweise insbesondere jene, die es an plakativer Variation des Themas am meisten vermissen lassen. In der Wahl seiner musikalischen Mittel entgeht PeterLicht der Falle, einem abgründigen Gedankenexperiment die avantgardistische Krone aufsetzen zu wollen. Er zielt auf Wirkung, und diese stellt sich ein. Seine Lieder klingen leichtfüßig, eingängig, beschwingt, ja sogar mitunter simpel und naiv, Ohrwürmer aus besseren Zeiten halt. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite www.peterlicht.de .
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