Herr Bodenstein, seit 21. Juli wird im Schweriner Schleswig-Holstein-Haus die erste Arno-Breker-Gesamtschau (ausführliche Besprechung aufw Seite 13) gezeigt, die für eine heftige Kontroverse gesorgt hat. Zweimal schon, 1998 und 2005 haben Proteste die Ausstellung verhindert. Rudolf Conrades, Kurator der Präsentation in Schwerin, fragt: „Warum hat es für einen von vielen hochgeschätzten Bildhauer (wie Breker) in der BRD niemals eine Ausstellung gegeben?“ Bodenstein: Die beste Dauerausstellung gibt es natürlich im Museum Arno Breker in Nörvenich. Doch Spaß beiseite, die Ausstellung in Schwerin ist eine korrekte Sache für alle, die der im Grundgesetz verbürgten Freiheit der Kunst endlich zum Durchbruch verhelfen wollen. So ist vor allem Ministerpräsident Harald Ringstorff und seinem Kulturminister Hans-Robert Metelmann sowie dem Schweriner Oberbürgermeister Norbert Claussen für den Mut zu danken, der in der demokratisch verfaßten Bundesrepublik eigentlich selbstverständlich und Pflicht sein müßte. Daß Politiker anderer Parteien wie der Grünen und der PDS ebenfalls für eine offizielle Präsentation der Breker-Werke waren, spricht für die Vernunft dieser Personen. Heftige Kritik kommt zum Beispiel vom Präsidenten der Akademie der Künste zu Berlin Klaus Staeck, der den Verdacht hegt, „daß in Schwerin in Wahrheit an der Rehabilitation Brekers gearbeitet wird“ und darauf hinweist: „Wenn man auf die Internetseiten der Rechtsradikalen schaut, dann weiß man, wohin die Reise gehen kann.“ Günter Grass kann der Ausstellung immerhin etwas abgewinnen, wenn sie denn einen Beitrag zur Aufarbeitung deutscher Geschichte leistet. Bodenstein: Der sogenannte Plakatkünstler Staeck hat sich ja zum Medien-Clown entwickelt. Er ist Fernsehen und Presse sehr willkommen, wenn es um Skandal und Diffamierung geht. Das zeigen seine Auftritte in Talkshows und in Magazinen wie jüngst im Spiegel. Natürlich ergreift Staeck – wie auch Lea Rosh und Ralph Giordano – jede Gelegenheit, um auf sich aufmerksam zu machen. Offensichtlich wird Staeck lediglich von Leuten wie jenen noch ernst genommen, die ihn zum Akademie-Präsidenten gemacht haben. Es ist mehr als ein Witz, wenn die Person in einem solchen Amt die Freiheit der Kunst nur für sich beansprucht und für andere negiert. Das ist demokratiefeindlich! Was Grass betrifft, so ist er der zweite Literaturnobelpreisträger, mit dem Breker zumindest indirekt zu tun hat. Der Schriftsteller und Dichter Gerhart Hauptmann, Nobelpreisträger 1912, war mit Arno Breker eng befreundet. Das bezeugen Bild- und Briefdokumente. Es stünde Grass gut an, sich klarer für Breker zu äußern. Grass hat jahrelang für die SPD und seinen Freund Willy Brandt Wahlkampfkampagnen betrieben. Brandts Söhne haben in der Verfilmung der „Blechtrommel“ mitgespielt. Nun sollte Grass endlich das machen, was Brandt gefordert hat: „Mehr Demokratie wagen!“ In der Praxis wäre das lediglich ein „Ja“ von Grass zur Freiheit der Kunst, auch für den Bildhauer Arno Breker. Für Kurator Conrades war Breker bis vor ein paar Jahren schlicht „der Nazi-Bildhauer“. Erst die Äußerungen ausländischer Künstler hätten ihn dieses Etikett überdenken lassen. Bodenstein: Dies zeigt auf erschreckende Weise wie unbedarft Kulturbeamte und wie kenntnislos Kunsthistoriker in Deutschland sind. Das gilt auch für die meisten Politiker einschließlich der Bundesregierung von Angela Merkel. Von ihrem Kulturstaatssekretär Bernd Neumann ist bisher nichts Spektakuläres zu hören. Und die Bundeskanzlerin selbst? Sie ist kulturell nur durch Besuche der Richard-Wagner-Festspiele in Bayreuth „aufgefallen“. Der heutige Pilgerstrom von Politikern zu dem einst von Adolf Hitler geliebten Bayreuth ist ein rein gesellschaftliches Ereignis, weil sich bei Wagners Musik die Welt trifft. Politisch korrekt ist es, ein demonstratives Desinteresse gegenüber Leben und Werk von Arno Breker zu zeigen. Bodenstein: „Politisch korrekt“ ist ein nebulöser Begriff. Was soll korrekt in diesem Zusammenhang bedeuten? Fragen Sie mal die Leute im Land, was sie derzeit von Bundesregierung und Landespolitikern halten. Erschreckend! Es ist eher eine Welle der Enttäuschung und Verachtung. Was die Diffamierung Brekers durch die Politik und die vom Staatssold abhängigen Kunsthistoriker und Museumsleute betrifft: Es ist die Verlogenheit und Feigheit in der bundesdeutschen Gesellschaft und die Wahnvorstellung bei Politikern, sie würden als Liebhaber der schönen Werke Brekers politische Schuld auf sich laden. Dagegen wären vernünftige Kunsthistoriker und Museumsleiter sofort dabei, wenn ein Bundespräsident, ein Bundeskanzler oder führende Politiker der Opposition nach sechzig Jahren sagen würden: Die Arbeiten Brekers sind als wichtiger Teil deutscher Geschichte und europäischer Kulturgeschichte einer breiten Öffentlichkeit der Bürger frei zugänglich zu machen. „Breker, der Nazi-Bildhauer“. Beschreibt diese Reduktion das grundsätzliche Problem, das wir in Deutschland haben? Bodenstein: Dieser Begriff der Diffamierung ist inzwischen ein Qualitätssiegel geworden. Eines Tages wird im Rückblick der Geschichte „Nazi-Künstler“ eine Ehrenbezeichnung sein. Was meinen Sie denn damit? Bodenstein: Es ist doch so: Man gewöhnt sich an Worte und Formulierungen, die man immer wieder hört. Mit dem Begriff „Nazi-Bildhauer“ wird man eines Tages einen herausragenden Bildhauer vor Augen haben, der epochales schuf und für eine Epoche und ein Jahrhundert steht. Von diesem Mythos werden auch andere Zeitgenossen Brekers profitieren, die heute ein Schattendasein führen oder gerade noch geduldet werden. Zu den staatlich geschätzten Künstlern der Jahre 1930 bis 1945 gehören auch Georg Kolbe, Richard Scheibe und Josef Thorak. Sie haben wie Breker während der NS-Zeit ihre Werke im Haus der Deutschen Kunst in München präsentieren können. Andererseits ist zu sagen, daß es eigentlich gar keine Nazi-Kunst gibt. So kann der Arzt einen Blinddarm ja auch nicht katholisch oder evangelisch operieren, sondern nur gut oder schlecht. Einspruch: Kunst ist nicht Medizin und hat natürlich immer eine Intention! Breker modellierte Hitler immerhin dessen Vision vom neuen NS-Menschen. Bodenstein: Der Künstler hat die Plastiken zur Verherrlichung des Menschen aus vollem Herzen geschaffen. Wie sie dann seine Auftraggeber verwendet haben, ist eine andere Sache. Es ist historisch falsch und dümmlich, wenn einige vermuten, Hitler selbst habe gesagt, welchen Brustumfang ein Mann und welchen Busen eine Frau haben müsse. Die Übereinstimmung bestand im Rückblick lediglich darin, daß Breker die Figuren gestalten konnte, die dem Auftraggeber persönlich zusagten. Ein Problem mit dem Werk Arno Brekers haben im übrigen nicht „die“ Deutschen, der Besuch vieler junger Menschen und Studenten im Nörvenicher Breker-Museum beweist das. Es ist vielmehr ein Problem von Zeitgenossen, die sich auf Kosten Wehrloser schamlos profilieren wollen und Kunst-Mobbing betreiben. So geht es ja auch führenden ehemaligen DDR-Künstlern. Was diesen „Staatskünstlern“ angetan wird, spottet ebenfalls jeder Beschreibung. Wie ist also Breker als Künstler einzuordnen? Bodenstein: Arno Breker ist zweifelsfrei der bedeutendste Bildhauer der klassischen Tradition des 20. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt seines Schaffens steht der Mensch in seiner Schönheit und dem zu erstrebenden Ideal. Der Künstler hat selbst betont: „Ich verherrliche den Menschen nach dem Bild der Schöpfung.“ Es lag ihm fern, ein politisches System zu verherrlichen. Diese Bewertung gewinnt man aus Kenntnis des Werkes und des Lebens. Außerdem hatte Breker das selbst betont. Aber diese Bekenntnisse passen bisher nicht in das Konzept der Medien. Es gibt Bücher und Kataloge von und über Arno Breker. Man könnte sie ja lesen und seine Fragen beantwortet finden. Noch etwas: Sie können in den jetzt zugänglichen Geheimarchiven von Ost ucd West kein einziges Dokument finden, das Breker in der NS-Zeit belastet. Wurde Breker, in Anbetracht der Situation auf die er sich eingelassen hat, nicht zumindest zwangsläufig zu einem politischen Künstler? Bodenstein: Jeder kann Breker sehen wie er will. Aber man sollte folgendes bedenken: Breker ist ein Künstler, der in einem Jahrhundert zwei Weltkriege überlebt hat. Als exponierter Bildhauer mit Staatsaufträgen und Privilegien bis 1945 hatte er nach Kriegsende auch Schuld und Schmach der politischen Verlierer persönlich mitzutragen. Bis zu seinem Tod am 13. Februar 1991 hat er im demokratischen Staat Bundesrepublik 46 Jahre lang aus Politik und staatlichem Kulturbetrieb Diffamierung erlitten. Das ist sein halbes Leben lang. Und wenn jetzt im Jahr 2006 in Schwerin eine vom Bundesland Mecklenburg-Vorpommern geförderte Ausstellung stattfindet, melden sich Aktionskünstler, Schriftsteller, Museumsleute mit Kritik und Unkenrufen. Sie tauchen auf wie Kröten aus einem Giftteich. Dabei schreit einer lauter als der andere, um für sich selbst Medienaufmerksamkeit zu erhaschen. Brekers Kunst erschien im „Gewande der Zeit“. Was macht „darunter“ das künstlerisch Originale aus? Bodenstein: Richtig ist, daß das Werk Brekers zeitlos ist. All seine Darstellungen von Mann und Frau in der klassischen Periode von 1930 bis 1945 zeigten keine Personen in Uniform. Es sind Geschöpfe, wie Gott sie schuf. Dies ist die Brücke zeitgenössischer Kunst zum Geist der Antike, die seit Jahrtausenden bewundert wird. In einem von Zeitzeugen überlieferten Dialog lobte Hitler bei einer Begegnung Breker: „Sie sind der Künstler, der nach den Griechen arbeitet.“ Der junge Breker wagte – allen protokollarischen Gepflogenheiten zum Trotz – zu widersprechen: „Nein, ich arbeite nach dem Leben mit Menschen unserer Zeit.“ Tatsächlich hat Breker bis zum Ende seines Lebens mit Modellen gearbeitet, deren Körperarchitektur sich in den Bronzen, Zeichnungen und Graphiken wiederfindet. So hat er im Relief „Du und Ich“ die Harmonie und Schönheit von Mann und Frau festgehalten. Modelle waren eine deutsche Sportlerin und ein deutscher Zehnkämpfer der Olympischen Spiele 1936. Es ist sicher: Noch in 2.000 Jahren werden sich Kunstliebhaber an diesen realistischen Darstellungen von Menschen erfreuen, die im 20. Jahrhundert gelebt haben. Zahlreiche große Künstler haben Breker mit Lobeshymnen bedacht. Aristide Maillol äußerte: „Breker ist … Bodenstein: …der deutsche Michelangelo des 20. Jahrhunderts.“ Salvador Dalí: „Gott ist die Schönheit und Arno Breker sein Prophet.“ Der Schriftsteller Roger Peyrefitte: „Breker ist ein Leuchtturm in der Kunst, der weit in das neue Jahrtausend strahlt.“ Ernst Fuchs: „Arno Breker ist wahrlich der Prophet des Schönen!“ Das sind ehrliche und treffende Worte kritischer Zeitgenossen, die es nicht nötig hatten zu schmeicheln. Kein Wunder, daß das „Genie“ Dalí 1975 die Freundschaft des „Goldenen Dreiecks“ proklamierte: „Dalí-Breker-Fuchs – wir sind das Goldene Dreieck in der Kunst. Man kann uns drehen und wenden wie man will, wir sind immer oben.“ Diese geistige und intellektuelle Künstlerfreundschaft ist nur unter Giganten möglich. Gott sei Dank: Der jüngste dieser Gruppe wirkt weiter. Ernst Fuchs, Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, er ist in Leben und Wirken der letzte Malerfürst in Europa. Breker wird gerne in eine „künstlerisch wertvolle“ Phase vor 1934 und eine belanglose danach eingeteilt. Liegt der künstlerische Wert tatsächlich nur beim jungen Breker? Bodenstein: Diese Betrachtung ist falsch. Das gesamte Werk Brekers ragt aus dem Kunstschaffen des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Frankreich durch seine Vielfalt und die Einmaligkeit der klassischen Periode heraus. An der Kunstakademie in Düsseldorf hatte Breker nach 1918 auch abstrakte Konstruktionen gemacht, jedoch rasch erkannt, daß „das nicht weiterführt“. Trotz Orientierung an Auguste Rodin modellierte Breker seinen ersten Staatsauftrag in der Weimarer Republik, eine Büste von SPD-Reichspräsident Friedrich Ebert, in seinem eigenen Realismus. Das war die Weichenstellung bis zu den inzwischen historischen Porträts von Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Jean Cocteau, Salvador Dalí, Ernst Jünger und vielen mehr. Breker ist zu Recht der bedeutendste Porträtist im 20. Jahrhundert. Welche Rolle spielt das Monumentale tatsächlich bei Breker? Bodenstein: Arno Breker hat bei Wilhelm Kreis, dem „Vater“ der Bismarck-Türme, in Düsseldorf Architektur studiert. Diese zusätzliche Qualifikation hatte Hitlers Architekt Albert Speer bei der baulichen Neugestaltung der Reichshauptstadt geschätzt. Es war für Breker eine logische Folge, Skulpturenschmuck an öffentlichen Gebäuden deren Proportion anzupassen. Speer erzählte mir: „Breker hat architektonische Problemstellungen sofort erkannt und ausgezeichnete Lösungsvorschläge gemacht. Er hat auch widersprochen. Als Künstler war er äußerst zuverlässig bei der Einhaltung von Terminen.“ Speer berichtete auch: „Arno Breker konnte im Rahmen seiner Aufträge völlig frei arbeiten. Hitler hatte Breker niemals Vorgaben gemacht. Er hatte vor dem Bildhauer zu hohen Respekt, als ihn zum Befehlsempfänger zu degradieren.“ Was heute weitgehend vergessen oder verdrängt wird: Breker wirkte in einer Zeit, als alle monumental waren: die Faschisten und Kommunisten sowieso, aber auch die Demokraten und erst recht die Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Verzerrt die Vernachlässigung dieses Zusammenhanges nicht den Blick auf Breker? Bodenstein: Es liegt in der Seele der Menschen, Großes und Sakrales zu schaffen. Die Bauten der Inkas, Ägyptens und der Griechen sind Beispiele. Übrigens: Wer die Speer-Architektur kritisiert, der sollte sich mal Bahnhöfe und Staatsbauten in den USA ansehen. Manche sind viel größer als Hitlers neue Reichskanzlei in Berlin. Und die Bauten Speers waren nach Ansicht vieler humaner als die neuen Bürobauten des Bundestages. Ist ein Schlüssel zum Verständnis Brekers, daß man ihn vielleicht als einen Künstler des faschistischen Stils – im Sinne des Faschismus als europäischer Kulturepoche, nicht der politischen Bewegung – betrachten muß? Bodenstein: Man muß gar nicht. Die Architektur Stalins und anderer Potentaten hat ein Gesicht. Die Architektur der Bundesrepublik hat kein Gesicht – oder vielleicht ein schreckliches. Es sind Anhäufungen von Beton, Stahl und Glas, die in achtzig Jahren wieder abgerissen werden müssen, wenn nicht früher. Die Gesichtslosigkeit rührt daher, daß nicht einzelne Personen und ihre Berater über Staatsarchitektur entscheiden, sondern Gremien, Architekten und ihre Lobby. Arno Breker vertrat als Architekt die klassische Form. Sie ist ja auch die Grundlage der geistigen und kulturellen Entwicklung der Menschheit. Richtig ist, Arno Breker als Jahrhundert- und als Jahrtausend-Künstler zu sehen. In Frankreich nannte man seine Richtung „Nouvelle Ecole“ – die neue Schule. Er hat nach 1945 dem Realismus in der Kunst die treue gehalten, als nach der NS-Zeit besonders in Deutschland die staatlich finanzierten Kultureinrichtungen und die neureichen Sammler auf Abstrakte und Objektkunst umstiegen. Wenn – wie berichtet – die Deutsche Bank bisher 50 Millionen Mark für Bilder moderner Kunst ausgab und nichts für zeitgenössischen Realismus, dann stimmt vieles nicht. Gut zu wissen: Konrad Adenauer war selbst privater Kunstsammler der guten Tradition. Er hatte das Kanzleramt Palais Schaumburg in Bonn mit historischen Gobelins, Bildern und Möbeln einrichten lassen. „Das ist beim Besuch ausländischer Staatsgäste eine Visitenkarte deutscher Kultur“, sagte er. Im Kontrast dazu stehen heute das neue Bundeskanzleramt in Berlin und das Arbeitszimmer von Bundespräsident Horst Köhler. Breker hat sich am Nationalsozialismus mitschuldig gemacht. Das wirft die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Macht auf. Bodenstein: Gegenfrage: Wo und wie manifestiert sich seine angebliche Mitschuld? Richtig bleibt: Arno Breker hat sich nicht schuldig gemacht. Als Künstler hat er die Chance von Staatsaufträgen ergriffen, um seine Visionen zu realisieren. Dies hätte jeder Vollblutkünstler getan. Früher waren es Päpste, die Katholische Kirche, Kaiser, Könige und der Adel, die Bildhauer, Maler, Komponisten, Architekten durch Aufträge förderten und ihre Potentiale entwickelten. Für Arno Breker bot sich nach dem Versagen der Weimarer Republik im Dritten Reich die Chance freier künstlerischer Arbeit in seinem Stil. Aus heutiger Sicht war es sein Pech, daß ein Diktator sein Auftraggeber war. Dieses Schicksal hat er angenommen, sich von NS-Verbrechen distanziert, sie beklagt und betrauert. Sie waren mit Breker lange Jahre persönlich befreundet. Bodenstein: Bundeskanzler Konrad Adenauer hat mich auf Breker aufmerksam gemacht. Es war im September 1962 beim Staatsbesuch de Gaulles in der Bundesrepublik. Ich war damals Parlamentskorrespondent in Bonn. Daraufhin suchte und fand ich Kontakt zu Arno Breker, der vorwiegend in Paris arbeitete. Breker war ein hochgebildeter Mensch, bescheiden, hilfsbereit, taktvoll und tolerant. In zwanzig Jahren persönlicher Begegnungen mit dem Künstler in Deutschland und Frankreich habe ich selbst im kleinsten Kreis nie von ihm eine negative Bemerkung über andere Künstler gehört. Er war so tolerant, daß er selbst schlimmste Widersacher und Verleumder wegen ihres Verhaltens bedauerte. Ehrlichkeit, Verläßlichkeit und Treue schienen ihm angeboren. Sein Wort galt. Breker war offen für alle Kunstrichtungen, auch die abstrakten wie von seinen Künstlerfreunden Alexander Calder und Isamu Noguchi. Er hatte sogar Graphiken von abstrakten Malern, die ihn beschimpften. Hat er sich Ihnen gegenüber zu Hitler und dem Holocaust geäußert? Bodenstein: Wir haben öfters über diese schrecklichen Schicksalsjahre gesprochen. Als Breker nach 1945 vom Ausmaß der Verbrechen erfuhr, erlitt er einen Herzinfarkt und war lange im Krankenhaus. Breker stand stets zu seinen Arbeiten aller Schaffensperioden. Er war kein Judas. Dem Bild von Breker als Profiteur des Systems steht das des Brekers gegenüber, der sich für verfolgte Kollegen wie etwa Pablo Picasso eingesetzt hat. Bodenstein: Der Künstler Breker gab keinen Anlaß zur Irritation. Die sogenannte Entnazifizierung als „Mitläufer“ mit 100 Mark Geldstrafe nach 1945 fand in einer Zeit statt, als die „Nazi-Jäger“ besonders scharf waren. Die Bewertung der Spruchkammer trennt klar zwischen künstlerischem Schaffen und dem Schicksal, durch Geburt in einer Zeit zu leben, die sich kein Mensch selbst aussuchen kann. Wie ist Brekers Nachkriegswerk einzuordnen? Bodenstein: Arno Breker hat nach 1945 ein großes uvre geschaffen. Im Mittelpunkt sind die unverkennbaren Porträtbüsten bedeutender Zeitgenossen zu nennen. Hinzu kommt der Olympia-Zyklus mit kleinen Bronzen in limitierter Auflage. Modell waren deutsche Sportler wie Jürgen Hingsen und Ulrike Meyfarth. Es eröffnet sich für jeden Liebhaber die Möglichkeit, kleine Bronzen, Reliefs und Medaillen zu erwerben. Nachdem Breker von öffentlichen Plätzen fast verschwunden war, eröffnete sich Kunstsammlern ein willkommener Weg, Breker-Arbeiten zu erhalten. 1980 haben Sie das Arno-Breker-Museum in Nörvenich eröffnet. Bodenstein: Das Museum Arno Breker ist eine Stiftung der Familie von Marie-Luise Bodenstein. Das Museum hat niemals öffentliche Gelder erhalten. Es vergeudet somit keine Steuermittel wie manche geförderte Kultureinrichtung. Das Museum hat – wie die Chagall-Stiftung und Museen anderer Künstler – einen Freundeskreis, dem jeder beitreten kann. Ihm gehören Mitglieder aus dem In- und Ausland an. Arno Breker hatte der Museumsgründung ausdrücklich zugestimmt und Ratschläge für die Nutzung des Baudenkmals Schloß Nörvenich gegeben. Breker wollte von Anfang an seine Künstlerfreunde Dalí und Fuchs integrieren. Es wurde auch dem Wunsch entsprochen, in diese Sammlung europäische Kunst, Arbeiten von Rodin, Maillol, Despiau, Cocteau, Chagall, Barlach, Marcks, Kolbe, Kollwitz, Warhol, Calder, Bruno Bruni und Kurt Arentz aufzunehmen. Die Widmung des Schlosses als Museum erfolgte nach dem Willen von Marie-Luise Bodenstein einvernehmlich. Mit der Leitung des Museums wurden die Familienmitglieder John G. Bodenstein und Marco Bodenstein beauftragt. Die Motivation für das Museum war der Wille, über die Zeit hinaus Leben und Wirken von Arno Breker zu bewahren, der von sich bekannte: „Ich bin der Bildhauer des Menschen, des Dreiklangs der Schönheit von Körper, Geist und Seele.“ Joe F. Bodenstein Der Editeur des Breker-Gesamtwerkes gründete 1980 das Museum Arno Breker in Nörvenich. Seit 1972 war der 1936 in Saaz/Eger geborene Kunstverleger mit Breker persönlich bekannt. Zunächst arbeitete der freie Journalist als Korrespondent in der Türkei, im Iran, Afghanistan und Indien, ab 1968 als Parlamentskorrespondent in Bonn. Kontakt: Museum Arno Breker, Schloß Nörvenich, 52388 Nörvenich, Tel: 0 24 26 / 46 32, Internet: www.museum-arno-breker.org Fotos: „Heinrich Heine“ (1982): „Ich bin der Bildhauer des Menschen, des Dreiklangs der Schönheit von Körper, Geist und Seele“ (Arno Breker) Skulptur „Bereitschaft“ (1939): „Gott ist die Schönheit und Arno Breker sein Prophet“ (Salvador Dalí) Büste „Ernst Jünger“ (1982): „Mensch, Schönheit, Ideal“ Bundespräsident Walter Scheel, Joe F. Bodenstein, Arno Breker (Mitte der siebziger Jahre) weitere Interview-Partner der JF