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Marc Jongen, ESN Fraktion
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Kompromisse mit der Gegenseite

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Cato, Palmer, Exklusiv

Der erste Akt: Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien fördert den deutschen Film. Mit annähernd 1,65 Millionen Euro, so läßt eine Pressemitteilung des Bundes zwei Tage nach der Investitur von Angela Merkels koalierendem Kabinett wissen, wird der neue Staatsminister Bernd Neumann 13 Film- und vier Drehbuchprojekten zu Gedeih verhelfen. Die Liste der zu fördernden Produktionen ist alphabetisch geordnet – also wollte es nur der Zufall, daß an erster Stelle mit „Beautiful Bitch“ (wohlgemerkt: ein deutscher Film) eines jener potentiellen Sozialdramen das Rennen machte, die bis ins Mark nach politisch korrektem Kino müffeln. Bei Bitch dreht es sich um eine rumänische Taschendiebin, die sich mit der Berlinerin Milka anfreundet. Den Rest kann man sich fast schon denken. Bezeichnenderweise schüttete die Jury bei „Beautiful Bitch“ mithin die umfänglichsten Mittel aus, 225.000 Euro – noch ein Zufall? Natürlich wurde die Förderung unter Neumanns Amtsvorgängerin Christina Weiss (parteilos) auf den Weg gebracht. Daß der am Dreikönigstag 1942 in Westpreußen geborene Neumann in erster Amtshandlung Filmemacher unterstützt, paßt jedoch zum Profil des langjährigen Landesvorsitzenden der Bremer CDU, der sich seit 1989 in wichtigen Positionen dem Bundesfachausschuß Medienpolitik seiner Partei widmete und zudem ab 1998 die CDU/CSU-Fraktion im Bundestagsausschuß für Kultur und Medien als Obmann vertrat. Der Prolog: Es sei schön, freute sich Berlinale-Macher Dieter Kosslick im Hamburger Abendblatt nach Bekanntgabe der Neubesetzung, „einen Filmfreund als Kulturstaatsminister zu haben“. Freude herrschte auch beim Deutschen Kulturrat, dem Spitzenverband von 210 Bundeskulturverbänden, der sich nach Eigenbekundung schon längere Zeit gewünscht habe, daß nach all den Philosophen auf den (Neben-)Thronen im Spreebogen ein mit dem politischem Tagesgeschäft Vertrauter zum höchsten Sachwalter der Kultur im Bunde berufen werde. Vor diesem Hintergrund scheint Neumann, der zudem schon in der Bremer Landespolitik schwarz-rote Befindlichkeit auf Koalitionsebene am eigenen Leib erfahren hat, keinesfalls die schlechteste Wahl. Nicht völlig mochte Theatermann Jürgen Flimm in die diversen Freudenchöre einstimmen. In seiner mit beinahe glaubensfroher Inbrunst ausgedrückten Feststellung, bei Neumann handle es sich um einen professionellen Politiker, der wisse, was zu tun sei, schwang die Furcht mit, vor lauter Filmförderung könnten andere Künste, nicht zuletzt Flimms eigene, das Nachsehen haben. Unbegründet ist solch Bangen nicht, denn weiland war das Bekenntnis zum Film das einzig Konkrete, was die Union in den mageren Kulturpassagen ihres Regierungsprogramms aufzubieten wußte. Überhaupt nicht froh wurden die Grünen über Merkels Mann, derweil sich das Bremer Kombinat der Linkspartei über einen neuen Kulturstaatsminister entsetzte, der keine Berührungsängste zum „deutschnationalen Sumpf“ der Burschenschaften habe. In der Tat wird Neumann innerhalb der CDU eher am rechten Rand verortet, und interessierte Kreise wärmen dementsprechend eine alte Geschichte wieder auf: „So etwas würde ich lieber gleich verbrannt sehen“, deklarierte Neumann 1977 über ein den RAF-Terror verklärendes Gedicht von Erich Fried. Neumann entschuldigte sich kurz darauf bei dem Lyriker für diese Äußerung. Sie sei, so räumt er heute ein, in der Hitze der damaligen Zeit gefallen und dem Umstand geschuldet, daß Frieds Verse Verständnis für die Terroristen zum Ausdruck gebracht hätten. Die nächsten Akte? Sie sind schwer zu prognostizieren, aber die Auspizien lassen nicht zwingend Gutes ahnen. Über Neumann liegt der Schatten, daß Kultur in der Merkel-Union bislang stiefmütterlich behandelt wurde. Zu dürftig waren die Aussagen hierzu im Regierungsprogramm, zu verschleppt wurden Entscheidungen getroffen, Namen benannt, Bekenntnisse artikuliert. Da fruchtet es auch wenig, daß der Koalitionsvertrag Kulturförderung nicht als Subvention, sondern als Investition würdigt – zu verdächtig scheppert das hehre Wort nach hohler Hülse. Angesichts der Investitionsquote des Bundes drängt sich nämlich die – zugegeben gemeine – Frage auf, ob der Kultur mit Subventionen nicht eher geholfen wäre. Nicht die Kunst, der Knackpunkt ist das Geld in diesen Zeiten: heuer das wesentliche Arbeitsfeld eines Kulturstaatsministers. Das darf trotz wärmenden Titels nicht aus dem Blick geraten. Daß es eigentlich genau umgekehrt sein sollte, ebensowenig. Damit die Kultur zu mehr Geld komme und vielleicht auch, soviel Unterstellung sei erlaubt, dem Staat nicht mehr so kräftig auf der Tasche liege, will die Koalition beispielswegen das Stiftungsrecht „weiterentwickeln“ und „zusätzliche Anreize für Zuwendungen“ schaffen. Funktionieren kann das eigentlich nur – nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten – über steuerliche Vergünstigungen, denn für einen feuchten Händedruck dürften die wenigsten Unternehmen aus der Wirtschaft etwa die nächste „Rigoletto“-Inszenierung am Stadttheater sponsern. Der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien wird alle Hände voll zu tun haben, seine Kanzlerin und den Kollegen aus dem Finanzressort zu etwas zu bewegen, was den sonstigen Anstrengungen der Regierung schnurstracks zuwider läuft. Trotz Merkels regelmäßiger Bayreuth-Gastspiele wird sich Neumann auf übersprudelndes Engagement aus deren Ecke nicht verlassen können. Bleibt noch der sozialdemokratische Koalitionspartner. Aber welcher Grund sollte Platzecks Genossen umtreiben, um dem christdemokratischen Staatsminister eines Randressorts Geld und Erfolg zuzuschanzen? Bestenfalls bietet sich die Gelegenheit, nun eben durch Neumanns Hände jene Klientel zu füttern, die der Sozialdemokratie ideologisch nahe steht und die ohnehin weite Teile des Kulturbetriebes beherrscht, angefangen von dahinwelkenden Achtundsechzigern bis zu deren Erben, die bei Botho Strauß gern mit den Zähnen knirschen, neuerdings kein Stück von Rolf Hochhuth mehr lesen oder gar sehen mögen und sonst selbst die übelsten, sintemal reflektionsfrei verallgemeinernden Aktionen „gegen rechts“ beklatschen. Und Neumann? Der mag ein konservativer Kopf sein. Doch seine Bremer Provenienz hat ihn gelehrt, Kompromisse mit der Gegenseite zu schließen. Die Kompromisse freilich, welche die Union in letzter Zeit geschlossen hat, waren fast immer faul. Ob Neumann mehr Rückgrat besitzt? Vorerst bleibt das offen. Fest steht aber eines: Für die nächste Runde der Filmförderung können bei der Jury bereits Anträge eingereicht werden. Foto: Kulturstaatsminister Neumann, Bundeskanzlerin Merkel: Kulturförderung wird nicht als Subvention, sondern als Investition würdigt

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