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Deutsche Geneigtheit

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Als die kaiserliche Armee im Herbst 1918 die Waffen gestreckt hatte und der preußische „Militärstaat“ der demokratischen Weimarer Republik weichen mußte, hätten die obrigkeitshörigen deutschen Historiker auf diese politischen Revolution mit einer wissenschaftlichen geantwortet. Nicht mehr der lange verhimmelte Staat sei für sie fortan Dreh- und Angelpunkt der Geschichte gewesen, sondern das „Volk“. So ward das Forschungsparadigma der „Volksgeschichte“ geboren, das während der NS-Zeit nur noch rassenideologisch verengt werden mußte, um Historiker als Berater von „Lebensraumplanern“ und Gehilfen von „Umvolkungsstrategen“ zu empfehlen. In holzschnittartiger Vereinfachung kann man so eine in den letzten Jahren geschichtspolitisch heiß umkämpfte Selbstthematisierung der Historikerzunft beschreiben. Die Frage, ob mit der „Volksgeschichte“, die angeblich zwanglos in „völkische Geschichte“ münde und zur Legitimierung „ethnischer Säuberung“ tauge, wieder einmal ein deutscher Sonderweg beschritten wurde, der Intellektuelle mindestens in die Nähe von Auschwitz führte, kann nur im europäischen Vergleich sinnvoll beantwortet werden. Darum ist es zu begrüßen, wenn Manfred Hettling nun einen Sammelband präsentiert, der die deutsche Entwicklung des Faches mit der „Volksgeschichte“ in Italien, Frankreich, Schweden, den baltischen Staaten, Polen, Serbien, in der Tschechei sowie bei den deutschen Zionisten vergleicht. Nur für Sonderwegsideologen überraschend lautet das Resultat, daß von einer Exklusivität der deutschen Volksgeschichte keine Rede sein kann. Dies gilt, obwohl die Beiträge von Willi Oberkrome (Entwicklungen und Varianten der deutschen Volksgeschichte), Christian Jansen („Warum es in Italien keine Volksgeschichte wie im ‚Dritten Reich‘ gab“), Lutz Raphael (zur französischen Siedlungsgeographie und Agrargeschichte) und Jan M. Piskorski (zum Polozentrismus der polnischen Westforschung) sichtlich bestrebt sind, eine spezifisch deutsche Geneigtheit zur „intellektuellen Teilhabe am nationalsozialistischen Zvilisationsbruch“ (Oberkrome) gegen jede historisch-vergleichende „Relativierung“ zu immunisieren. Manfred Hettling (Hrsg.): Volksgeschichten im Europa der Zwischenkriegszeit. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, 372 Seiten, 28,90 Euro

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