Liebhabern der Soul-Musik ist der Name „Motown Records“ ein Begriff. Der Medienkonzern begann 1959 in den USA als kleines Plattenlabel, gegründet vom ehemaligen Ford-Fließbandarbeiter, Boxer und Schallplattenhändler Berry Gordy III. Der spätere Name „Motown“ ergab sich aus dem Spitznamen der „Motorstadt“ Detroit, wo sich die Automobilfirmen Ford, Chrysler und General Motors mit großen Produktionsstätten angesiedelt hatten. Die Einspielungen unter dem Motown-Etikett waren primär für die Radiovermarktung gedacht und deshalb kaum länger als drei Minuten in ihrer Spieldauer. Gospel-Einflüsse wurden zurückgedrängt, der Klang in Richtung Funk aufpoliert. Das Zielpublikum waren vor allem weiße Teenager, inhaltlich ging es in den Liedern hauptsächlich um Liebe. Verantwortlich hierfür war der Texter und Komponist Lamont Dozier, der im Gespann mit Brian und Edward Holland das Produktionsprofil entwickelt hatte. „Motown“ wurde eine beeindruckende Erfolgsgeschichte. Zwischen 1961 und 1971 gelangten immerhin 110 Songs des Labels in die Top Ten der Billboard-Charts. Das Spektrum der von Motown aufgebauten künstlerischen Familie reichte von den romantischen Miracles bis zum rockigen Soul der Jackson Five mit dem jungen Michael Jackson als Frontmann. Motown wurde dabei auch indirekt zur treibenden Kraft beim Aufbau unserer heutigen Nachtlebenkultur, da das Label das musikalische Beiwerk zur ersten Disko-Welle der 1970er Jahre lieferte. Nun hat Paul Justman sich einem fast vergessenen Kapitel der Motown-Geschichte gewidmet. Sein Dokumentarfilm handelt von den Musikern im Hintergrund, den heute weitgehend vergessenen Funk Brothers, die immer im Schatten der Stars standen. Als die Plattenfirma 1983 ihr 25jähriges Bestehen feierte, mußte sich der Bassist James Jamerson eine Eintrittskarte kaufen, um an der Jubiläumsgala teilzunehmen. Drei Monate später starb Jamerson. Dabei waren die Funk Brothers das musikalische Rückgrat fast jeder Motown-Produktion der sechziger und siebziger Jahre. Mit ihnen spielten Stars wie Diana Ross, The Temptations, Marvin Gaye oder Stevie Wonder. „Standing in the Shadows of Motown“ ist gegliedert in drei sich immer wieder abwechselnde Dramaturgieelemente. Zum einen zeigt Justman Interviews mit noch lebenden Mitgliedern der Funk Brothers. Hier werden Anekdoten aus der guten alten Zeit zum besten gegeben: Wirtshausrechnungen, die trotz Androhung von Waffengewalt nicht gezahlt werden wollten, kleine Streiche, Auftritte. Dabei schwingt stets das Bedauern mit, zu kurz gekommen zu sein, immer nur im Hintergrund des Popstar-Rummels verharrt zu haben. Diese Erinnerungen dürften nur gute Kenner der Materie oder Fans der alten Tage wirklich interessieren. Leider wirken auch die nachgestellten Szenen von Ereignissen der sechziger Jahre wirken merkwürdig blaß gespielt und langweilig konzipiert. Richtig lohnend wird der Kinobesuch nur der Aufnahmen eines Konzertes wegen, bei dem die Funk Brothers unlängst noch einmal alte Hits zusammen mit zeitgenössischen Künstlern wie Ben Harper, Chaka Khan und Joan Osborne aufspielen. Diese Mitschnitte sind für den Liebhaber schwarzer Musik die wohl mitreißendsten Sequenzen des Films, großartige Musik bei immer noch hoher Qualität in der Ausführung. Allerdings wird gerade in diesen Szenen dem Zuschauer schnell klar, warum die Funk Brothers immer recht unbekannt blieben. Sie waren ohne Zweifel hervorragende Musiker, die einen satten Sound aus Gitarrenriffs, Tamburin-Schlägen und Saxophontönen kreieren konnten. Doch selbst beim eigenen Konzert werden aus den Mitgliedern der Crew keine Stars. Sie sind die unauffälligen Handwerker, die dazu beitrugen, die für das Popgeschäft kompatiblen Stars im Vordergrund zu erschaffen. Justmans Film setzt ihnen ein verdientes Denkmal. Foto: Joe Hunter, Eddie Willis und Joe Messina (v.l.n.r.): Hervorragende Musiker im Schatten der Stars
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