Weltmusik (bzw. Ethno-Musik) ist eine Art der Musik, die vor 20 Jahren unbekannt und auch kaum vorstellbar war. Das musikalische Weltbild war vollkommen auf Europa ausgerichtet. Es begann bei Bach und Vivaldi und endete bei Schönbergs Zwölftonmusik. Der Zusammenbruch der Kolonialreiche in den siebziger Jahren führte allmählich zu einem Bewußtseinswandel. Und mittlerweile ist die Weltmusik ein selbstverständlicher Bestandteil der Musikkulturen vieler Länder. Dabei spiegelt die hier vorgenommene Auswahl interessanter Aufnahmen in keiner Weise den Wert oder die Bedeutung einer bestimmten Kultur wider. „Fynbos“ ist ein Wort, welches etwa mit „Kultur der Unterschiedlichkeit“ übersetzt werden könnte. Die CD markiert einen Weg, den vorher in dieser Konsequenz niemand zu beschreiten gewagt hat. Musikalische Sätze aus dem „alten“ Europa (danke, Mister Bush, daß Sie uns an unsere jahrhundertelange kulturelle Stärke erinnert haben), gespielt auf Originalinstrumenten der Barockzeit, werden zusammen mit modernen „westlichen“ Kompositionen in eine innere Beziehung gebracht mit traditionellen Klängen aus Uganda, Simbabwe und anderen Ländern. Es erklingen aber auch afrikanische Originalkompositionen. Die spannende punktuelle Berührung von westlicher und afrikanischer Musik differiert am stärksten im musikalischen Umgang mit der Zeit. „An der unterschiedlichen Auffassung von Zeit läßt sich die große Gegensätzlichkeit der Zielrichtung von afrikanischer und westlichen Kulturen verdeutlichen. Es ist gerade dieser Begriff, der die europäische Geschichte spätestens seit der Neuzeit mit am entschiedensten geprägt hat. Ohne ihn gäbe es nicht die Auffassung von Geschichte als Möglichkeit dynamischer Entwicklung, keine vorausschauende Planung, keinen Fortschrittsglauben.“ In den afrikanischen Sprachen gibt es gar kein Wort für „Zukunft“. Entscheidend ist immer der gelebte Moment der Gegenwart. Man sorgt sich nicht um Morgen, und wenn das manchmal bittere Konsequenzen hat, so nimmt man sie in Kauf. Es ist nun ein außerordentliches Charakteristikum afrikanischer Musik, dieser Lebenshaltung einen unmittelbaren Ausdruck zu verleihen. Er findet sich in den immer wiederkehrenden „patterns“, die zwar tatsächlich unendlich oft wiederholt werden können, die aber dennoch auch Platz für Spontanität und musikalische Interaktionen lassen“ (Hans Huyssen). Zwei verschiedene Ensembles präsentieren das rundum überzeugende Konzept: das Münchener Ensemble Refugium, bestehend aus Stefan Temmingh (Blockflöten), Aninka Harms (Barockvioline), Uwe Grosser (Laute, Chitarrone), Hans Huyssen (Barockcello) spielt in hoher Qualität und vielen feinen Verzierungen, Varianten und ungeglätteten Eigenheiten die barocke europäische Musik und die modernen Kompositionen. Die Dizu Kuduhorn Band, besetzt mit Dizu Plaatjies (Mbira, uhadi, horn, voice) und Mantombi Matotiyona (mrhube, voice) sowie Lungiswa Plaatjies, Khaya Vara und Zwayi Mvimbi (alle drei: akadina, voice, horn) bringt in gleichwertiger Qualität die patterns der afrikanischen Musik zu Gehör. Dem innovativen jungen weißen Komponisten Hans Huyssen, der aus den deutschsprechenden Kreisen Südafrikas kommt und unerschrocken und voller Leidenschaft an der Vereinigung des Unvereinbaren weiterarbeiten wird, ist diese außergewöhnlich gelungene Produktion zu danken, die aus dem musikalisch weißen Fleck Afrika eine etwas besser bekannte Klanglandschaft macht. Denn Afrika ist kein einzelnes Land, es ist ein Kontinent voller Reichtümer und verborgener Schätze. Die CD, die mit einem graphisch aufwendigen und sehr informativen Beiheft ausgestattet wurde, ist bei afrimusik ( www.afrimusik.com ) erschienen.
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