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Gedenken an den 1. September 1939: ein Routineschwindel

Gedenken an den 1. September 1939: ein Routineschwindel

Gedenken an den 1. September 1939: ein Routineschwindel

 

Gedenken an den 1. September 1939: ein Routineschwindel

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Fünfundsiebzig Jahre ist der 1. September 1939 her. Das muß natürlich auch in den Medien stetig bewältigt werden, möglichst in gesellschaftstragendem Sinn. Dabei haben sich im Lauf der Jahre gewisse Routinen entwickelt, die dem Leser/Hörer/Konsumenten stets suggerieren sollen, es sei in dieser Sache alles klar: Deutschland und sein Diktator hätten 1939 mutwillig den Weltkrieg entfesselt.

Jetzt ist das in dieser Formulierung heute so falsch wie vor zwanzig, fünfzig oder noch mehr Jahren, und es wird auch immer falsch bleiben. Wie kriegt man es also hin, trotzdem öffentlich den immer gleichen Unsinn zu behaupten? Falls Sie je in die Verlegenheit kommen sollten, eine solche Erklärung abzufassen, hier sind einige der Standardverfahren:

Erstens: Reden und schreiben Sie immer nur von Deutschland. Lassen Sie auf gar keinen Fall und mit keiner Andeutung zu, daß die Motive der Kriegsbereitschaft anderer Länder erörtert oder gar hinterfragt werden könnten. Wenn sich deren Erwähnung nicht vermeiden läßt, dann werfen sie anderen Ländern sicherheitshalber zu große Nachgiebigkeit vor. Lassen Sie das Stichwort „Appeasement“ fallen. Geben Sie dem Leser das beruhigende Gefühl, „daß wir das heute besser wissen“.

Nennen Sie den Dikator, verschweigen Sie Polen

Zweitens: Setzen Sie ganz persönlich einen exzentrisch-spinnerten deutschen Diktator in den Mittelpunkt der Darstellung. Deuten Sie ruhig an, er sei ein wenig irre gewesen, aber nicht so sehr, daß dies als Unzurechnungsfähigkeit und damit entlastend wirken könnte. In jedem Fall muß innerdeutsche Zustimmung zu seiner Politik suggeriert werden.

Drittens: Kennzeichnen Sie den Landes- und Geheimnisverrat deutscher Diplomaten im Umfeld des Kriegsausbruchs stets als Friedenspolitik und Widerstand. Erörtern Sie mit keinem Wort deren mögliche aufstachelnde Wirkung auf die kommenden deutschen Kriegsgegner, die schließlich davon ausgehen mußten (und auch tatsächlich davon ausgingen), das NS-Regime sei bei so wenig innerem Rückhalt eigentlich schwach und nicht verhandlungswürdig.

Viertens: Verschweigen Sie vollständig die Massengewalt und den schließlichen Mord an Tausenden von Deutschen in der Republik Polen. Wenn sich dieses Thema nicht vermeiden läßt, dann nennen Sie auf gar keinen Fall die richtigen Zahlen, sondern konzentrieren sich darauf, daß die deutsche Propaganda sie später aufgebauscht hat. Deuten Sie gegebenenfalls an, diese Deutschen seien vielleicht nicht polentreu gewesen und hätten ihr Schicksal verdient. Erwähnen Sie in keinem Fall die Planung und Lenkung solcher Gewaltausbrüche durch polnische Behörden.

Nehmen Sie eingängige Zitate, das vom „Schweinehund“ und der „Teilung der Welt“ zum Beispiel

Fünftens: Verwenden Sie knallige Zitate. Lassen Sie sich nicht davon abhalten, daß manche Lieblingszitate schon vor fast siebzig Jahren als freie Erfindung entlarvt wurden. Entscheidend ist nicht die Wahrheit, sondern der Wiedererkennungswert. Beispiel: Schreiben Sie ruhig, daß Hitler am 22. August 1939 gesagt haben soll, er fürchte einen „Schweinehund mit einem Vermittlungsplan“, der ihm den Krieg verderben würde. Das ist zwar eine derart dümmliche Fälschung, daß sie nicht einmal vom Nürnberger Gerichtshof als Beweismittel zugelassen wurde. Dennoch macht sie sich damals wie heute in der Weltpresse immer gut, und sie können –

sechstens: mit der Schweinehund-Formulierung auch gleich das nächste Problem entsorgen, nämlich daß der irre Diktator in den Folgetagen vor dem 1. September 1939 selbst noch Vermittlungspläne vorgelegt hat. Wer den „Schweinehund“ geschluckt hat, wird nach solchen Plänen erst gar nicht mehr fragen. Sie brauchen dann auch gar nicht mehr die früher gern verwendete Behelfsstory erzählen, sämtliche polnische und britische Diplomaten hätten diesen Vermittlungsplan wegen plötzlicher Hör- und Deutschschwäche leider nicht verstanden.

Siebtens: Garnieren Sie Ihren Beitrag mit allgemeinem Gerede über Hintergrundereignisse, die so nie stattgefunden haben. Beispiel: Jeder wird es glauben, wenn Sie schreiben, daß der deutsche Diktator dem französischen Botschafter am 25. August 1939 „erlaubt“ haben soll, Frankreich könne Elsaß-Lothringen behalten (tatsächlich erinnerte er an seine im Vorjahr zur hellen Freude des französischen Außenministeriums abgegebene Anerkennung der entsprechenden Grenze). Sicher geht auch durch, daß er am gleichen Tag mit dem britischen Botschafter über die „Teilung der Welt“ gesprochen haben soll. (Genaugenommen sagte er, daß die Briten die Welt für sich behalten könnten und er auf Wunsch seine Beihilfe dazu garantieren würde.)

Zweck solcher Jahrestage ist Erbauung, nicht Information

Vertrauen Sie einfach darauf, daß niemand so genau nachschlagen wird und berücksichtigen Sie immer: Die Mehrheit der Leser will in diesem Sinn beschwindelt werden, weil das alles längst Teil ihrer Glaubenswelt geworden ist. Das Ziel ist bei solchen Jahrestagen daher nicht Information, sondern Erbauung.

Wenn Sie diese Grundregeln beachten, kann eigentlich kaum noch etwas schief gehen. Als praktisches Anwendungsbeispiel und Studienobjekt für dieses Vorgehen empfehlen wir persönlich den Beitrag von Rainer Blasius in der FAZ vom Montag dieser Woche, 25. August: „Im Vertrauen auf Hitlers Vernunft“. Dort ist alles trefflich umgesetzt.

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