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Studienzentrum Weikersheim, Burg Lichtenberg

Verbrechen in unserer Zeit

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Verbrechen in unserer Zeit

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Das Begaffen von wirklichen, erfundenen, dargestellten oder dokumentierten Verbrechen gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der industriellen Welt. Auch wer bereit ist, vierundzwanzig Stunden am Tag in den Genuß in- und ausländischer Kriminalserien, Dokusendungen, Boulevardblätter oder Nachrichten zu investieren, wird keinesfalls das ganze Programm mitbekommen können, das mittlerweile zum Stillen und zugleich zur Förderung der entsprechenden Neigung über die Medien flimmert.

Es ist zu bezweifeln, ob es unter diesen Verhältnissen ein Zufall ist, wenn auch die Zeitgeschichte die Zurschaustellung unter dem Stichwort „Verbrechen“ als Medium für sich entdeckt hat. Dieser Trend begann sich in den 1990ern mit der Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung (HIS) neu durchzusetzen, nachdem in der unmittelbaren Nachkriegszeit bereits die Alliierten den Nationalsozialismus gegenüber den Deutschen auch mit filmischen Mitteln als Verbrechensgeschichte aufgearbeitet hatten.

Die Massen strömten in die neue Ausstellung oder wurden als Schulklassen zum visuellen Kontakt mit Bildern gezwungen, die Verbrechen dokumentieren sollten. Daß sie allermeist keine Beziehung zu Verbrechen hatten oder  wenn doch, dann gelegentlich nicht Verbrechen der Wehrmacht, sondern Leichenberge der Sowjetmacht dokumentierten, tat dem Erfolg der Ausstellung letztlich erstaunlich wenig Abbruch.

Ausstellung „Hitler und die Deutschen“

Auch das Deutsche Historische Museum in Berlin will nun Verbrechen ausstellen. Man plant für den Oktober 2010 eine Ausstellung: „Hitler und die Deutschen – Volksgemeinschaft und Verbrechen“ soll sie heißen. Wie man die Volksgemeinschaft ausstellen will, ohne dabei den von den Nationalsozialisten in diesem Rahmen proklamierten Fiktionen aufzusitzen, ist eine spannende Frage.

Überhaupt ist es kennzeichnend für die Gedenkpolitik unserer Tage, daß sie keine Machtfragen stellt und die „deutsche Diktatur“" zügigen Schritts in eine Zustimmungsgemeinschaft zu verwandeln im Begriff ist. Was für unerwünschte Nebenwirkungen dieses Bild von „Hitlers Volksstaat“ in Zeiten von Hartz IV haben kann, läßt sich ausmalen.

Unscharfer Begriff des Verbrechens

Eine andere Frage ist, ob die stete Operation mit dem Verbrechensbegriff für die Zeitgeschichte nicht letztlich zu unscharf ist und anspruchsvollere sowie historisch adäquatere Erklärungen überlagert. Der Nationalsozialismus ist etwa von Ernst Nolte als Ausdruck eines Aufstands gegen die menschliche Transzendenz im Rahmen nationaler Selbstbehauptung analysiert worden. In jüdischen Gemeinden wurde Hitler nach 1933 vielfach als Neuausgabe von Haman, dem Amalekiter gedeutet, als Ausbruch des ewigen Antisemitismus, eine Deutung, die er sich selbst in öffentlichen Andeutungen auch zu eigen machte.

Man kann den Nationalsozialismus in vielen Aspekten auch auf der Ebene der Zwänge staatlich verfaßter Machtpolitik in der industriellen Moderne darstellen. Die Auffassung, es habe sich bei ihm um eine Folge der Machenschaften des Monopolkapitalismus in der imperialistischen Ära gehandelt, erscheint ebenfalls intellektuell ambitionierter als das Konzept des „Verbrechens“, oder als die vom HIS – das natürlich auch bei der Vorbereitung der neuen Ausstellung wieder mit von der Partie ist – aufgeworfene Frage, ob sich die Volksgemeinschaft als Verbrechensgemeinschaft geäußert habe. Aber, so scheint es zumindest: Der umfassenden Attraktivität des zur Schau gestellten Verbrechens in unseren Tagen kann sich auch die Zeitgeschichte nicht entziehen.

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