Man kann auftretende Probleme in zwei Klassen einordnen: Die einen sind eher physischer, die anderen eher psychischer Art. Wenn ich Hunger habe, und mein Umfeld gibt mir keine Nahrung, ist das ein äußerlicher Zustand, mit dem ich mich auch äußerlich auseinandersetzen muß, beispielsweise indem ich mir ganz einfach Nahrung beschaffe.
Wenn dagegen sehr wohl Nahrung vorhanden ist, ich aber aus meiner inneren Haltung diese verweigern muß, beispielsweise weil mir meine Religion diesen Genuß verbietet, so muß ich mich mit dem Problem auch innerlich auseinandersetzen.
Man könnte diese Klasse spontan als reine „Scheinprobleme“ abtun, doch ist das zunächst nicht richtig. Denn es kann ja durchaus Gründe geben, die diese oder jene Maßnahme rechtfertigen, ohne daß man sie gleich im Äußerlichen ablesen könnte. Es gibt ja heute Menschen, die sich als Atheisten betrachten und dennoch das Fastengebot einhalten, weil sie es als sinnvoll erachten. Andere dagegen erkennen dessen eigentlichen Sinn nicht und befolgen es auf bloße Autorität hin. Dann kann die Maßnahme entarten und sich ins Gegenteil verkehren. Das einst Nützliche wird zum Schädling.
Wer sich unbefangen die Probleme betrachtet, mit welchen Deutschland konfrontiert ist, erkennt leicht, daß beinahe alle der zweiten Klasse angehören. Selbst die gefährlichste physische Bedrohung, der wir als Nation ausgesetzt sind – unser Mangel an Kindern – liegt in unserer inneren Haltung als Deutsche begründet. Das macht die Sache freilich nicht weniger gefährlich. Wir gleichen tatsächlich dem frommen Franziskanermönch, der kurz davor steht, sich ad gloriam dei zu Tode zu hungern. Nirgendwo deutlicher zeigt sich dies am Umgang mit Einwanderern aus dem islamischen Raum.
Eine schlichte Wahrheit wird nicht ausgesprochen
Ein kleines Beispiel von vielen: der Verein Maneo, das „schwule Anti-Gewalt-Projekt“ Berlin, registriert seit Jahren eine drastische Zunahme von Gewaltübergriffen auf Homosexuelle. Wer die lustige Multikultur-Metropole kennt, wo inzwischen schon ganze Klassenzüge aus Türken und Arabern bestehen, weiß selbstverständlich warum. Natürlich auch die Betreiber von Maneo. Man dürfte also eigentlich annehmen, daß sie die nicht sonderlich subtile Wahrheit ganz einfach aussprechen:
„Deutsche stehen der Homosexualität weitgehend gleichgültig und tolerant gegenüber, während dagegen Einwanderer aus dem islamischen Raum ein hohes Gewaltpotential besitzen. Durch die demographische Umverteilung zugunsten der Einwanderer äußert sich dies in immer zahlreicheren Überfällen auf Homosexuelle.“ Doch solche Sätze hört man von niemandem, selbst von Maneo nicht, denen der Schutz von Homosexuellen eigentlich ein Anliegen sein sollte. Statt dessen verstieg sich deren Leiter Bastian Finke nun in einem Gespräch mit der taz zu der absurden Aussage:
„Opfer versuchen in der Regel, sich die Gewalt, die ihnen angetan wurde, zu erklären. Das ist eine Logik der Verarbeitung von traumatischen Erfahrungen. Und es entstehen dann Reaktionen auf diese Gewalttaten. Wenn man von einer alten Oma mit ihrem Dackel und dem Krückstock in der U-Bahn angegriffen und homophob beleidigt und beschimpft wird, dann kann es passieren, daß der Betroffene auf die nächste Oma mit Dackel und Krückstock sensibel reagiert.“
Das Opfer ist schuld
Natürlich, das Opfer ist wieder einmal schuld. Dessen subjektive Wahrnehmungsstörung ist für den Eindruck verantwortlich, es könne sich möglicherweise um ein Problem mit den vielen Türken und Arabern halten, die Finke in dem Gespräch freilich nicht mit einem Wort erwähnt. Statt dessen heißt es weiter: „Wir müssen deutlich machen, daß Pauschalisierungen überhaupt nichts bringen. Das, was wir beispielsweise in Berlin-Schöneberg sehen, dieses tolle, wahnsinnig gemischte Kulturgefüge, erleben viele als toll und erfrischend. Aber manche erleben es als Bedrohung, vielleicht als Unsicherheit. Darauf müssen wir Antworten finden.“
Nun, bevor man eine Antwort findet, muß man sich erst einmal getrauen, die Frage richtig zu stellen. Wer dagegen eine Bedrohung auf die Befindlichkeit der Opfer reduzieren will, verstrickt sich nur in seinen eigenen Lügen. Denn nichts anderes als eine Lüge ist es, wenn man sich geniert, die Wahrheit zu sagen. Dann hat man aber kein physisches, sondern ein psychisches Problem, dem in der nächsten Kolumne weiter auf den Grund gegangen werden soll. Nur so viel vorweg: ich kenne Berlin-Schöneberg sehr gut und weiß nicht, von welchem wahnsinnig tollen Kulturgefüge Finke spricht.
Ich weiß nur eines: eine Gesellschaft, in der ich riskiere, den Schädel eingeschlagen zu bekommen, finde ich so großartig, die werde ich eigenhändig die Toilette herunterspülen. Und wie ich vermute, ist dies eine weit verbreitete Einschätzung, die wohl auch für Homosexuelle gelten dürfte. Denen kann ja dann Finke beim nächsten Überfall erklären, was ich nicht verstehe.