Der polnische Historiker Tomasz Szarota begründet seinen Rückzug aus dem wissenschaftlichen Beraterkreis der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in einem lesenswerten Interview mit der taz vom 19. Januar 2010.
Treffend ist wohl seine These, daß es der Stiftung weniger um internationale als um die innerdeutsche Versöhnung geht. Das „sichtbare Zeichen“ von Berlin soll nach dem Willen der Bundesregierung die Vertriebenen damit aussöhnen, daß ihnen elementare Rechte vorenthalten wurden. Einen Versuch der Bundesrepublik, für eine Rückerstattung ihrer verlorenen Vermögenswerte einzutreten, wird es so wenig geben wie den Anlauf für eine Verfolgung von Vertreibungsverbrechen wie Mord und Totschlag.
Verzicht auf ein Viertel Deutschlands
Allenfalls soll daran erinnert werden, daß es so etwas gegeben hat, sorgfältig aufgelöst in eine Allgemeindarstellung von europäischen Vertreibungen des 20. Jahrhunderts, jeweils ohne politische Verantwortungszuweisung – mit einer Ausnahme: Über den Umweg von Kollektivschuldbehauptungen und verqueren Kausalitätsthesen wird den deutschen Vertriebenen eine Mitverantwortung für ihr Schicksal zugeschoben.
Soll man sich nun damit aussöhnen, weil mehr derzeit angeblich nicht durchsetzbar ist? Dies wäre der klassische Weg der Ostpolitk der letzten vierzig Jahre, die mit vollen Händen und ohne Gegenleistung weggab und sich folgerichtig nach dem billionenschweren Verzicht auf ein Viertel Deutschlands aus den Vertreiberstaaten noch Narreteien der Art anhören muß, es fehle an deutschen Reparationsleistungen.
Versöhnung fällt unter diesen Umständen schwer, ob das Zeichen nun „sichtbar“ wird oder nicht und irgendwie auch ganz unabhängig davon, wer letztlich auf welchem Stuhl plaziert wird. Der Bruch von anerkannten Rechtsnormen schafft eben keine Versöhnung, um so weniger, wenn er von Finanztransfers begleitet ist. Dann weckt er eher Begehrlichkeiten.
Zentrum für ehrliche Geschichtsforschung
Auch Szarota winkt mit Geldforderungen: „Sie sehen, daß Berlin den Tätern und Opfern, die im BdV organisiert sind, Millionen an Steuergeldern zuschanzt. Da fragen sich die Griechen, die Italiener, die Polen natürlich: Und was ist mit uns?“ So fragt er. Vielleicht kommen eines Tages wirklich noch die Nachfahren der italienischen Faschisten nach Berlin und wollen Schadensersatz für den Krieg, den diese Faschisten 1940 mutwillig unter anderem gegen Griechenland vom Zaun gebrochen haben.
Sicherheitshalber sollte vor einem Zentrum gegen Vertreibungen wohl doch erst ein Zentrum für ehrliche Geschichtsforschung errichtet werden. Da kann dann auch Tomasz Szarota seinen Platz einnehmen und erklären, wie das so war am 31. August 1939, als der polnische Botschafter in Berlin erklärte, sich nicht für deutsche Verhandlungsangebote interessieren zu müssen und vom kommenden Marsch polnischer Truppen auf Berlin sprach. Und wenn das alles einmal auf dem Tisch war, dann wird es auch eine Chance für wirkliche Versöhnung geben.