In Niedersachsen sollen Verhütungsmittel künftig für Hartz-IV-Empfänger kostenlos sein – zumindest, wenn es nach dem Willen der Linkspartei geht. Deren Abgeordnete haben vergangenen Mittwoch einen entsprechenden Antrag in den Landtag eingebracht, nach dem die Krankenkassen zur Übernahme der Kosten für Verhütungsmittel für sozial Schwache verpflichtet werden sollen. Auch in Bremen gibt es eine ähnliche Initiative, nur sind sich dort alle Parteien einig: Armut sollte kein Grund sein, unerwünschte Kinder in die Welt zu setzen.
Passend zur Hartz-IV-Debatte wurde nun eine alte Kiste aufgemacht: Denn angeblich ist seit der Einführung des Arbeitslosengeldes II sowohl die Zahl der ungewollten Schwangerschaften als auch der Abtreibungen gestiegen. Das behaupten zumindest Pro Familia, die Caritas und das Diakonische Werk, bei denen Frauen in den vergangenen Jahren immer öfter angaben, daß sie sich keine zuverlässige Verhütung leisten könnten.
„Mangelndes Verantwortungsbewußtsein“
Dabei sieht der Hartz-IV-Regelsatz pauschal 13,18 Euro pro Monat für Gesundheitspflege vor. Die Pille kostet monatlich zwischen 10 bis 15 Euro und ist somit eigentlich auch für Sozialhilfeempfänger bezahlbar. Eine Spirale, die bis zu fünf Jahre wirkt, ist sogar noch günstiger: Sie kostet zwischen 150 und 350 Euro – was einen monatlichen Betrag von höchstens sechs Euro ausmacht.
Eine natürliche Empfängnisverhütung wäre sogar kostenlos – dabei gilt sie richtig angewendet als genauso sicher wie die Pille. Doch diese Art der Geburtenregelung verlangt Disziplin. Das wiederum könne den meisten Frauen, aber besonders dem Prekariat nicht zugemutet werden: Laut Pro Familia ist hier oft sogar das Kondom zu unsicher, denn es müsse schließlich auch benutzt werden. Viele Frauen hätten heute schlichtweg ein „mangelndes Verantwortungsbewußtsein“. Über mögliche Konsequenzen werde nicht weiter nachgedacht.
In Berlin, wo prozentual gesehen die meisten Hartz-IV-Empfänger wohnen, werden die Kosten für Verhütung schon seit einiger Zeit übernommen: Der Senat investierte hier 2009 fast zwei Millionen Euro, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern.
Nicht alles bloß eine Frage des Geldes
Statt darüber zu diskutieren, wie „mangelndes Verantwortungsbewußtsein“ durch Transferleistungen ausgeglichen werden könnte, sollte man eher darüber nachdenken, ob es – abgesehen von der moralischen Fragwürdigkeit – für den Staat wirklich sinnvoll ist, Millionen in Abtreibungen und Verhütungsmittel für Hartz-IV-Empfänger zu investieren (der Staat zahlt ihnen momentan etwa 400 Euro pro Abtreibung).
Auch wenn Befürworter eines starken Sozialstaats es gerne so hätten, ist es fraglich, ob der Anstieg ungewollter Schwangerschaften unter Hartz-IV-Empfängern wirklich nur finanzielle Hintergründe hat. Schließlich ist nicht alles eine Frage des Geldes.
Vielmehr sollten sich in diesem Fall die finanziell besser gestellten Schichten etwas von den Hartz-IV-Empfängern abgucken – und zwar ihr Reproduktionsverhalten. Denn mit einer insgesamt höheren Geburtenrate in Deutschland könnte der heißgeliebte Sozialstaat vielleicht doch noch finanziert werden.