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Scheinbar klare Fronten

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Immer noch beschäftigt der Fall des in der Münchener S-Bahn erschlagenen Unternehmers Dominik Brunner die Republik. Er hatte versucht, einen Raub zu verhindern und sich schützend vor Jugendliche gestellt, wird berichtet. Man müsse dennoch weiter Zivilcourage zeigen, heißt es allerorten.

Nun ist Zivilcourage durch den steten Mißbrauch des Begriffs im Rahmen staatlich veranstalteter Massenaufläufe für dies und jenes ohnehin ein beschädigtes Wort. Es schafft scheinbar klare Fronten, die es im Alltag des Einzelnen nicht gibt. Ganz anders würde es wohl aussehen, hätte der Mann sich erfolgreich gewehrt und dabei vielleicht einen seiner Angreifer schwer verletzt.

Dieses Gedankenspiel drängt sich förmlich auf, wird aber von der Berichterstattung überwiegend geflissentlich übersehen. Man solle im Zweifelsfall nicht den Helden spielen, heißt es, aber eingreifen solle man schon. Nun hat der Unternehmer Brunner nach allen Regeln der zivilcouragierten Kunst besonnen eingegriffen und wurde dennoch tätlich und tödlich attackiert, was nichts anderes beweist als die uralte Beobachtung, daß zwischenmenschliche Konflikte schnell und unerwartet eskalieren können. Wer also eingreift, muß in jedem Fall darauf gefaßt sein, auch in Gewaltausbrüche mit einbezogen zu werden. Das ist einfach so und daran ändert alles Gerede nichts.

Verantwortung ist nicht immer leicht festzustellen

Hier kommt nun die weitere Beobachtung ins Spiel, daß bei Gewaltausbrüchen im nachhinein die Verantwortung tatsächlich nicht immer leicht festzustellen ist. Möglicherweise läßt sich der 50jährige, der sich in bester Absicht in ein – noch gewaltfreies – Gerangel von 13 bis 18jährigen drängt, mit etwas bösem Willen im nachhinein auch als Teil der Eskalation, wenn nicht gar als eigentlicher Gewaltverursacher darstellen.

Er geht also nicht nur das Risiko ein, körperlich verletzt zu werden, sondern sogar juristisch belangt und als Persönlichkeit beschädigt zu werden, sobald er nicht mehr das „reine” Opfer ist. Man darf vermuten, daß dieses Risiko den meisten auch bewußt ist und ihre Bereitschaft zum Eingreifen deutlich mindert, vielleicht sogar mehr als das körperliche Risiko.

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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