Zugegebenermaßen zähle ich mich zu den „U-Boot-Christen“, jener Gruppe Gläubiger, die in der Regel nur zu hohen Festen in der Kirche auftaucht. Also Weihnachten, Pfingsten – und Ostern. Das hat verschiedene Gründe, vor allem aber den, daß die Evangelische Kirche, zu der ich noch immer gehöre, in einem so traurigen Zustand ist, die Predigten oft entmutigend sind, mit tagesaktuellem Ballast überfrachtet.
Der „Kampf gegen Rechts“, für gendergerechte Sprache, für den Klimaschutz und für unkontrollierte Einwanderung hat mehr Gewicht in der EKD als die Verkündigung des Glaubens und seelsorgerische Stärkung. Hinzu kommt die Auflösung der Liturgie, moderne Kirchenlieder und das antiautoritäre Auftreten der Pfarrer unter der Devise „Alles kann, nichts muß.“
Vor einigen Jahren war ich kurz nach Ostern in Israel. Vom Garten Getsemani, wo Jesus verraten wurde, blickte ich auf die Altstadt von Jerusalem. Aus der schrägen Vogelperspektive konnte man den Leidensweg nachvollziehen, den der Gottessohn vor zweitausend Jahren hinter sich bringen mußte. Ein kleiner Flecken Erde, von dem eine geistig so grundstürzende Veränderung ausging. Wie war das nur möglich, der Transfer unseres Glaubens aus diesem Winkel des Globus über ganz Europa und die Welt? Und wie konnte er sich gegen alle Anfechtungen bis heute behaupten?
Zeichen der kirchlichen Krise
Gespenstisch nun ist die Vorstellung, daß in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie die Kirchen zu Ostern erstmals leer bleiben sollen. Oder daß der Papst in Rom nicht wie seit Jahrhunderten, ob zu Kriegs- oder Friedenszeiten den Segen „Urbi et orbi“ nach der Ostermesse im Petersdom, vor einem mit Zehntausenden Gläubigen gefüllten Petersplatz verkündet.
Zu Recht kritisiert der evangelische Pfarrer und Publizist Helmut Matthies im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT, daß die Kirchen widerstandslos den Gottesdienstbetrieb in der Corona-Krise aufgegeben hätten. Daß die Kirchen eingeknickt seien, noch bevor die Regierung eine Schließung verlangt habe, sei ein Zeichen der kirchlichen Krise. Gerade jetzt sehnen sich die Bürger nach Orientierung und Halt. Warum sind Supermärkte systemrelevant und können dort Abstandsregeln eingehalten werden, nicht aber in sowieso meist leeren Kirchen?
So erinnern die vereinsamten Gotteshäuser nun an das leere Grab Jesu – und lassen auf eine Auferstehung des Glaubens in unseren verweltlichten Kirchen hoffen. Ostern ist schließlich auch das Sinnbild für die Überwindung des Todes. Vielleicht ist es von einiger Symbolkraft, daß die ersten Anzeichen für ein Nachlassen der Corona-Pandemie jetzt zu Ostern zu erkennen sind und wir auf eine baldige Lockerung der Einschränkungen des öffentlichen Lebens nach den Feiertagen hoffen können.
JF 16/20