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Stefan Kretzschmar und die Meinungsfreiheit: Furcht vor der Isolation

Stefan Kretzschmar und die Meinungsfreiheit: Furcht vor der Isolation

Stefan Kretzschmar und die Meinungsfreiheit: Furcht vor der Isolation

Meinungsfreiheit in Deutschland
Meinungsfreiheit in Deutschland
Viele Deutschen sehen sich hierzulande in ihrer Meinungsfreiheit bedroht Foto: picture alliance/imageBROKER
Stefan Kretzschmar und die Meinungsfreiheit
 

Furcht vor der Isolation

Ex-Handballnationalspieler Stefan Kretzsch­mar hat es gewagt, den Umgang mit abweichenden Meinungen zu kritisieren – und erntete einen „Shitstorm“. Das stickige Meinungsklima liegt in Summe auch an der Feigheit vieler einzelner, für ihre Meinung einzustehen. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Wer den Ex-Handballnationalspieler Stefan Kretzsch­mar kennt, weiß, daß er kein Rechter ist. Der Riese mit großflächigen Tätowierungen und getunnelten Ohrläppchen pflegt die Attitüde des Punkers und schwärmte kürzlich in einem Interview von den Zeiten als Hausbesetzer im linken Milieu. Doch sind in jüngster Zeit nicht manchmal die Grenzen fließend?

Neulich telefonierte ich mit einem Freund aus alten Zeiten in Freiburg. Er durchlief zu meiner Schulzeit ebenfalls in vielfacher Hinsicht eine linke Sozialisation. Er wurde Rockmusiker, verweigerte den Wehrdienst, nahm Drogen, hing in den einschlägigen linksradikalen Kulturzentren in Freiburg herum. Die aus dem Ruder gelaufene Migrationspolitik seit Merkels Grenzöffnung 2015 sorgte bei ihm für eine Wende nach „rechts“. Und solche Fälle gibt es in wachsender Zahl.

Komplexes Räderwerk gesellschaftlicher und sozialer Kontrolle

Handballer Kretzschmar nun wagte es in einem Interview, den Umgang mit abweichenden Meinungen zu kritisieren – und erntete einen „Shitstorm“. Es mangele im Sport an Meinungsfreiheit: „Welcher Sportler äußert sich denn heute noch politisch – es sei denn, es ist die mainstreampolitische Meinung, wo man sagt ‘Wir sind bunt!’ oder ‘Refugees welcome’, wo man gesellschaftlich nichts falsch machen kann.“ Wenn man eine „einigermaßen kritische Meinung“ habe, dann dürfe „man das in diesem Land nicht sagen“.

Letzteres ist Unsinn. Wenn man den Satz wörtlich nimmt. Natürlich haben wir grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit. Wir haben jedoch ein komplexes Räderwerk gesellschaftlicher und sozialer Kontrolle, die auf jene einwirkt, die sich abweichend äußern. Elisabeth Noelle-Neumann bezeichnete dies in ihrem Hauptwerk als „Schweigespirale“. Sie definierte Öffentliche Meinung als „Meinungen im kontroversen Bereich, die man öffentlich äußern kann, ohne sich zu isolieren“. Einen gewissen Isolationsdruck gibt es also immer – auch in der intaktesten Demokratie.

Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif

Nur hat das Maß an gesellschaftlicher Repression längst jedes Maß überschritten. Und es richtet sich vor allem fast ausschließlich gegen alles, was als „rechts“ gilt. Fußballvereine wie Eintracht Frankfurt verweigern AfD-Mitgliedern die Aufnahme – bei Vertretern der Linken undenkbar. Kinder von „Rechten“ werden von Waldorfschulen geworfen – unter dem Beifall wohlmeinender Eltern. Ein Schauspieler schilderte mir den rot-grünen Gesinnungsdruck im Theaterbereich, wo man sich schon mit einem FAZ-Abo verdächtig mache.

Auf der anderen Seite: Jedes demokratische Grundrecht stirbt, wenn nicht dafür mutig gefochten wird. Das stickige Meinungsklima liegt in Summe auch an der Feigheit vieler einzelner, für ihre Meinung einzustehen. In der Familie, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit. Zum Nulltarif und ohne Risiko ist keine Freiheit zu haben. 

JF 4/19

Viele Deutschen sehen sich hierzulande in ihrer Meinungsfreiheit bedroht Foto: picture alliance/imageBROKER
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