Am 17. Juni 1953 gab es kein Twitter und kein Facebook. Trotzdem erfaßte damals innerhalb weniger Stunden eine riesige Aufstandsbewegung die gesamte DDR. In über 350 Städten und Dörfern gingen rund 1,5 Millionen Deutsche gegen die kommunistische Dikatur auf die Straße.
Es war die erste große Massendemonstration gegen den Kommunismus im sowjetrussischen Machtbereich seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Aufstände in Ungarn (1956) und der Tschechoslowakei (1968) folgten erst später.
Die Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone zeigten, wie falsch das Bild vom obrigkeitshörigen Volk ist, das lammfromm seine Unterdrückung erträgt. Die Arbeiter, die frühmorgens an jenem verregneten Junitag mit ihrem Marsch über die Stalinallee in Ost-Berlin den Aufstand eröffneten, setzten ein Fanal. Bis zum verdienten Zusammenbruch am 9. November 1989 lag über dem Zwangssystem der DDR der Schatten jenes 17. Juni 1953.
Am Ende wurde das SED-Regime in die Knie gezwungen
Für die SED-Nomenklatura machte der Volksaufstand unverrückbar aktenkundig, daß sich das kommunistische Regime nicht, wie in der SED-Propaganda behauptet, auf das Volk, sondern nur auf eine willfährige Kaste moskauhöriger Funktionäre und eine verschwindend kleine Anhängerschaft stützen konnte.
Der 17. Juni 1953 wurde nach seiner blutigen Niederschlagung durch die Rote Armee zu Recht in Westdeutschland zum Nationalfeiertag und als „Tag der deutschen Einheit“ begangen. Er verkam zuletzt aber zu einem von der Politik nur noch lieblos begangenen Feiertag. Die deutsche Einheit wäre von der westdeutschen politischen Klasse beerdigt worden, wären die Landsleute in Leipzig, Dresden und Ost-Berlin nicht 1989 erneut zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen, um die SED-Herrschaft endgültig in die Knie zu zwingen.
Es ist beklagenswert, daß der Bundestag weder den 9. November noch den 17. Juni, sondern den blutleeren technischen Vereinigungstermin vom 3. Oktober 1990 als gemeinsamen Nationalfeiertag bestimmte. Damit setzte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl den bürokratischen Akt über die Manifestation der Selbstbestimmung des Volkes.
Der rebellische Geits lebt
Lebt der rebellische Geist in unserem Volk noch, der die Bürger zum vereinten Willen zusammenführte? Gibt es das fröhliche, bedingungslose Zusammengehörigkeitsgefühl noch, das die Bürger zusammenrücken läßt, wenn Not am Mann ist?
Die große Flut, die Niederbayern erfaßte und von der Sächsischen Schweiz derzeit entlang der Elbe nach Norddeutschland rollt, bringt eine ungeahnte solidarische Welle hervor, die bestätigt, daß wir zusammenhalten, wenn es darauf ankommt. In einer saturierten Vollkasko-Gesellschaft, in der Staat und Versicherungen alles regeln, gerät dies in Vergessenheit. Die Jahrhundertflut beweist uns, zu welcher nationalen Kraftanstrengung wir immer noch in der Lage sind, wenn es ernst wird.