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Streiflicht: Eine Nation schämt sich ihrer Geburt

Streiflicht: Eine Nation schämt sich ihrer Geburt

Streiflicht: Eine Nation schämt sich ihrer Geburt

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Streiflicht
 

Eine Nation schämt sich ihrer Geburt

Nach Ostern war ich zu Besuch in Israel. Beeindruckend ist die Selbstverständlichkeit, mit der die israelischen Juden ihre Nation bejahen. Die Situation bei uns ist in vielerlei Hinsicht anders und die historischen Gründe der nationalen Neurose der Deutschen mit der jüdischen Geschichte wiederum eng verwoben. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Eisernes Kreuz vom 1813 Foto: Wikimedia mit GNU-Lizenz

Nach Ostern war ich zu Besuch in Israel. Schon Wochen vor dem 65. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung des Staates vom 14. Mai 1948 sind bereits viele Straßen festlich blau-weiß beflaggt. Mit wem man sich auch unterhält –  beeindruckend ist die Selbstverständlichkeit, mit der die israelischen Juden ihre Nation bejahen.

Abgesehen von einer verschwindend kleinen linksextremen Minderheit wird dies von links bis rechts von niemandem in Frage gestellt. Die ursprüngliche und auch aktuelle Fragilität und äußere Bedrohung der eigenen Staatlichkeit sind allgegenwärtig und die Erinnerung an die Schutzlosigkeit in der Diaspora ist frisch und wird wachgehalten.

Die Situation bei uns ist in vielerlei Hinsicht anders und die historischen Gründe der nationalen Neurose der Deutschen mit der jüdischen Geschichte wiederum eng verwoben. Trotzdem ist es schwer begreiflich, weshalb wir uns nicht entschieden zu unserer Identität bekennen und über die eigene Nationwerdung freuen. Teil der deutschen Neurose ist die schizophrene Vorstellung, die eigene Herkunft und Nationalität abstreifen zu können und diese in eine aprilfrische kosmopolitische oder „europäische“ Identität zu transzendieren. Eine traurige Figur, die wir dabei abgeben.

Würdelos und geschichtsvergessen

Nicht anders zu erklären ist, weshalb das offizielle Deutschland einen so schamhaften Bogen um das für unsere Nationalgeschichte so prachtvolle Erinnerungsjahr 1813 macht. Dabei sind unserem Staat in mehrfacher Hinsicht die Insignien durch die Befreiungskriege gegen die napoleonische Besatzung vor 200 Jahren in die Wiege gelegt worden: Die Bundesflagge Schwarz-Rot-Gold, unsere Landesfarben, leiten sich von den schwarz-rot-goldenen Uniformen des Lützowschen Freikorps ab, legendärer Teil der deutschen Befreiungsarmee. Das Eiserne Kreuz, Hoheitszeichen der Bundeswehr, wurde 1813 vom preußischen König als Auszeichnung für die Freiheitskämpfer gestiftet.

Der Keim der deutschen Nationalbewegung wurzelt im Aufstand gegen die napoleonische Fremdherrschaft. Die französische Okkupation hatte die beschleunigte Überwindung der deutschen Kleinstaaterei provoziert und die Idee der Einheit der Nation geboren. Eine direkte Linie von 1813 führt über die demokratische Revolution von 1848 zur Reichsgründung von 1871 und zur Weimarer Republik, in deren Tradition – überschattet von den Zäsuren des Ersten und Zweiten Weltkriegs – die wiedervereinte Republik von 1989 steht.

Die Stadt Leipzig feiert die Völkerschlacht, dem vor 100 Jahren erbauten Denkmal wird immerhin eine Briefmarke gewidmet, jedoch peinlicherweise keine zum Thema 200 Jahre Befreiungskriege oder dem Eisernen Kreuz. Eine offizielle Festveranstaltung des Bundes findet nicht statt. Wie nennt man das? Würdelos und geschichtsvergessen.

JF 16/13

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