Als sich Kamala Harris Ende August auf dem Parteitag der Demokraten in Chicago zur Präsidentschaftskandidatin ausrufen ließ, stand vor der Halle ein Bus der Abtreibungsorganisation International Planned Parenthood Federation (IPPF) und warb damit, kostenlose Abtreibungen und Sterilisationen durchzuführen.
Während man drinnen für den Wahlkampf rüstete, starben draußen 25 Kinder durch medikamentöse Abtreibung. Nach erfolgreicher Bluttat stand ein Taco-Wagen bereit für ein Essen und ein Mitnahmebeutel mit Süßigkeiten und Schmerzmitteln. Die Leichtigkeit, mit der die Entscheidung für oder gegen ein Kind fast wie eine „Abtreibung to go“ in der Kaffeepause angeboten wird, entbehrt jeglichen Respekts vor der Würde des Menschen, kommt aber immer hochtrabend als „Frauenrecht“ verpackt daher.
Das vermeintliche „Recht auf Abtreibung“ sorgt nicht nur im amerikanischen Wahlkampf für Kontroversen. Auch Polen diskutiert derzeit sehr aufgeheizt eine Liberalisierung der Abtreibung, und in Deutschland rüstet sich die Ampelregierung, auch diese rote Linie noch zu überschreiten.
Wer Leben schützen will, wird bestraft
Daß man den Paragraphen 218 StGB gerne aus dem Strafgesetzbuch herausholen würde, stand bereits im Koalitionsvertrag. Danach ließ man eine Kommission handverlesener Experten beraten, die dann – welch Überraschung – genau jene Dinge empfahl, die die Regierung umsetzen wollte. Der Umweg eines außerparlamentarischen Gremiums soll dabei wissenschaftliche Expertise und Bürgerbeteiligung vorspiegeln. Sowohl Grüne als auch SPD haben nun den Beschluß gefaßt, Abtreibung in den ersten drei Monaten „aus dem Strafgesetzbuch“ zu holen, sprich noch bis Ende der Legislaturperiode zu legalisieren, allein die FDP läßt sich da noch Zeit.
Legalisierung ist dabei das Wort, das man vermeidet, scheut man doch in Wahrheit die finale Auseinandersetzung um einen mühsam eingefriedeten Kompromiß, bei dem man durch die Fristenlösung inklusive verpflichtender Beratung das Lebensrecht des Kindes mit dem Selbstbestimmungsrecht der Mutter vereinte. Abtreibung soll also ein bißchen legal werden, leider kann die Schwangere nicht nur ein bißchen schwanger und das Kind durch Abtreibung auch nicht ein bißchen, sondern nur ganz tot sein.
Auch die Pflichtberatung der Schwangeren soll wegfallen. Als letzte Hürde vor der Abtreibung ist sie Feministinnen schon lange ein Dorn im Auge, könnte sie doch Frauen vom Muttersein überzeugen. Passend dazu hatte man bereits Anfang Juli Meinungsäußerung in der Nähe einer Abtreibungspraxis als „Gehsteigbelästigung“ zur Ordnungswidrigkeit befördert. Praktisch existieren nun Bannmeilen rund um Abtreibungseinrichtungen, innerhalb derer man ein Bußgeld von bis zu 5.000 Euro riskiert, selbst wenn man nur still dort steht und betet oder ein Plakat hochhält. Der Widerstand gegen die Normalisierung der Tötung von Kindern wird bereits als Gedankendelikt geahndet, noch bevor ein Wort gesprochen wurde.
Abtreibungswahn hat nicht nur mit Feminismus zu tun
Bis zur 37. Kalenderwoche dieses Jahres sind bereits 80.261 Abtreibungen offiziell registriert worden, bis Jahresende werden die 100.000 mit Sicherheit überschritten. Grüne und SPD wollen es von der strafbaren Tötung jetzt zur medizinischen Dienstleistung werden lassen, die von den Krankenkassen bezahlt wird.
Das Töten der ungeborenen Kinder soll wiederum allen Gynäkologen als Pflicht in der Facharztausbildung auferlegt werden. Man kann dann nur noch Gynäkologe werden, wenn man auch Abtreibung gelernt hat. Mit der Gewissensfreiheit in Art 4 Abs. 1 des Grundgesetzes wäre dann ein Verfassungsrecht ausgehebelt, das bislang Ärzte davor bewahrte, sich an Abtreibungen oder auch an Suiziden beteiligen zu müssen.
Die Vehemenz, mit der man in manchen Teilen der westlichen Wertegemeinschaft geradezu darauf versessen ist, jeder Frau das Recht zu verschaffen, die eigenen Kinder im Mutterleib töten zu dürfen, kann nicht allein durch radikale, feministische Ideen erklärt werden. Die Verfügbarkeit des weiblichen Körpers, aber auch die Verfügbarkeit des genetischen Materials wie Eizellen, Spermien oder gleich ganzer Embryonen muß in einem Kontext betrachtet werden, der weit über den Slogan „Mein Bauch gehört mir“ hinausreicht.
Bald kommen Kinder aus dem Labor statt aus dem Leib
Wenn am kommenden Samstag sowohl in Berlin als auch in Köln parallel Tausende beim sogenannten „Marsch für das Leben“ für den Lebensschutz jedes einzelnen Menschen auf die Straße gehen, mag das Thema Abtreibung für die obligatorischen Gegendemonstranten aus der radikalen Szene eine Gretchenfrage darstellen, das Thema geht jedoch weit darüber hinaus.
Fällt das Abtreibungsverbot aus dem Strafrecht, bedeutet es im Umkehrschluß, daß es sich bei den Kindern bis zum dritten Monat angeblich nicht um einen Menschen, sondern nur um „Zellhaufen“ handelt, die keine Rechte hätten. So wäre der Weg frei, damit auch der Embryonenschutz und das dazugehörige Gesetz mit fällt. Das wiederum würde die Tore zu gleich vielen Begehrlichkeiten öffnen. Firmen, die sich des genetischen Materials des Menschen für Forschung, künstliche Befruchtung, die Präimplantationsdiagnostik (PID), die Stammzellforschung, aber auch für die Forschung am künstlichen Uterus bemächtigen wollen. Die FDP träumt von der Legalisierung der Leihmutterschaft und von Eizell- und Embryonen-Spendenbanken.
Wir sollen Kinder jetzt also nicht mehr gebären, sondern spenden. Eine weltweite Milliardenindustrie aus Ärzten, Wissenschaftlern, Laboren, Rechtsanwälten und Vermittlungsagenturen profitiert finanziell massiv von den politischen und feministischen Forderungen nach Verhinderung von Schwangerschaften in der natürlich fruchtbaren Zeit der Frau bei gleichzeitiger Förderung von teuren und risikobehafteten Reproduktionsmethoden für Frauen jenseits der Fruchtbarkeitsgrenzen ihres Körpers.
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Birgit Kelle, Publizistin, veröffentlichte jüngst das Buch „Ich kauf mir ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft“. Jetzt im JF-Buchdienst bestellen.