Die Zwischenwahlen in Amerika stehen vor der Tür und die Demokratische Partei hat ein riesiges Problem: Was für wirkmächtige Themen soll sie überhaupt noch ins Feld führen? Angesichts der rasanten Preissteigerungen, der massenhaften Einwanderung über die Südgrenze, der steigenden Verbrechensraten im ganzen Land und des sinkenden Niveaus der öffentlichen Bildung gibt es jämmerlich wenig, womit Joe Biden und seine Parteigenossen noch zu prahlen vermögen.
Mittlerweile springen sie von einer grob aufgebauschten Skandalgeschichte zur nächsten. Die Spaltung im Land wird weiter vertieft. Zu ihrem liebsten Stilmittel im rhetorischen Waffenlager gehören unbegründete Anschuldigungen gegen alle Republikaner. Die Gegenpartei soll vermeintlich bestrebt sein, traumatisierten Frauen willkürlich ihre Abtreibungsrechte zu entziehen. Zudem hätten dem Zetergeschrei der Demokraten nach die bösen Rechten allesamt völlig berauscht dem sogenannten Putsch am 6. Januar 2021 zugejubelt. Was mit diesem Unsinn bezweckt wird, ist klar: Die von der Inflation und den steigenden Lebenskosten gebeutelten Amerikaner müssen abgelenkt werden.
Biden und seine Partei stehen kurz vor den Midterms am 8. November gehörig unter Druck. Die Berater und Kandidaten der Republikanischen Partei verkünden bereits jetzt eine Welle des Erfolgs. Und tatsächlich ist ein republikanischer Wahlsieg großen Formats erwartbar, auch wenn lange Zeit führende Meinungsforscher etwas anderes behauptet hatten. Nach der „Real Clear Politics“-Zusammenfassung der führenden Meinungsforschungsinstitute liegen die Republikaner bei der Wahl des Repräsentantenhauses derzeit nur knapp vor den Demokraten. Wenn sich der Wahlausgang erwartungsgemäß abspielt, dann könnten die Republikaner bis zu 25 Sitze zulegen. Das stellt zwar einen Gewinn dar, aber auch nichts Weltbewegendes, was eine nicht in Regierungsverantwortung stehende Partei nicht auch typischerweise zwischen den Präsidentenwahlen einheimst.
Gelingt der Republikanischen Partei der Sieg?
Was die Senatswahlkämpfe anbelangt, haben die wichtigsten Meinungsforscher für die Republikaner weniger gute Voraussagen erstellt. Die von der Grand Old Party (GOP) gehegte Hoffnung, die bestehende Pattsituation durch einen Durchbruch im Oberhaus zu überwinden, zeigt sich unerreichbar – wenn man sich denn an den monatelang publizierten Umfragewerten orientiert.
In etlichen „Battleground States“ wie Arizona oder New Hampshire würden die Demokraten durchmarschieren, prophezeiten die Meinungsforscher. Zum einen, weil sie die geeigneteren Kandidaten hätten, zum anderen, weil die republikanischen Kandidaten wegen ihrer persönlichen Verbindung zu Trump beschädigt seien. Ebenfalls leichtfertig vorausgesagt wurde ein Kopf-an-Kopf-Rennen in Bundesstaaten wie Wisconsin und Ohio. In all diesen Wahlkämpfen eilen die republikanischen Senatskandidaten nun jedoch rauschenden Siegen entgegen. Die Demokraten können das Ruder aller Voraussicht nach nicht herumreißen.
Die bis vor kurzem verbreiteten Umfragen der Medienkartelle waren von Anfang an fraglich. Wie gut, daß es auch „abweichende“ Datenauswertungen gibt. Drei eigenständige Meinungsforschungsinstitute haben die amerikanischen Wahlen bislang mit fast hellseherischer Genauigkeit vorausgesagt; zu dieser erlesenen Gesellschaft gehören Democracy Institute, Rasmussen Reports und Trafalgar Group. Diese „Ausreißer“ haben es sich zur Pflicht gemacht, nicht „registrierte“, sondern „wahrscheinliche“ Wähler als Zielgruppe unter die Lupe zu nehmen.
Darüber hinaus versuchen die Befrager mit allen Mitteln, scheue Konservative zum Reden zu bringen, die aus Angst vor sozialer Ausgrenzung Telefonate mit Fremden über politische Angelegenheiten um jeden Preis vermeiden. Kurzum: Sie bieten eine Alternative zu ihren Konkurrenten, die Republikaner stets unterrepräsentieren. Man muß sich immer wieder der Auswirkungen dieser überzeichneten Umfragen klar werden: Denn das Bevorteilen der Demokraten entmutigt bei einem großen Vorsprung natürlich die unschlüssigen Wähler der anderen Partei.
Was passiert nach den Zwischenwahlen?
In Pennsylvania etwa galt es lange als sicher, daß der linksradikale Vizegouverneur John Fetterman einen Senatssitz gewinnen würde. Dem frühen Zwanzig-Punkte-Vorsprung seines demokratischen Kontrahenten zum Trotz eilt sein Gegner, der ehemalige Fernsehshowarzt Mehmet Oz, nun an dem durch einen Gehirnschlag beeinträchtigten Fetterman mit Windeseile vorbei. Hier stellt sich die Frage: Entsprach Fettermans Vorsprung überhaupt jemals der Realität? Wohl kaum. Auch das Gouverneursrennen im Bundesstaat New York wirft Fragen auf.
Nach einem anfänglichen Dreißig-Punkte-Defizit schmilzt der Vorsprung der Gouverneurin Kathy Hochul (Demokratische Partei) gegenüber ihrem republikanischen Rivalen Lee Zeldin auf wundersame Weise zusammen. Eine naheliegende Vermutung: Die vorwiegend demokratischen Meinungsforscher befragten zu wenig Republikaner. Später bereinigte man die Daten entsprechend, als deutlich wurde, daß die Republikaner besser abschneiden würden, als die Experten uns weismachen wollten.
Laut den verläßlicheren Umfrageinstituten ist die GOP jedenfalls im Begriff, bundesweit phänomenale Wahlsiege zu erlangen. Was aber passiert, wenn sie den Kongreß beherrschten? Zwischen Biden und seinen republikanischen Gegnern dürfte es krachen. Insbesondere die Politisierung staatlicher Behörden steht im Fokus. Die Republikaner regen sich zu Recht über Bidens Inanspruchnahme des FBI als Waffe gegen sie und ihre Verbündeten auf. Sie verlangen Aufklärung. Zudem wollen sie weitere zeitaufwendige und medienwirksame Nachforschungen über die „Zurückstellung“ der Justizabteilung im Falle der Bestechungsvorwürfe gegen Hunter Biden. Die Schließung der Südgrenze dürfte ebenfalls ein Streitthema werden.
Natürlich wird Biden im Gegenzug versuchen, all diese Vorhaben zunichte zu machen. Er kann nicht anders, schließlich wird er von linken Medien und einer woken Basis vor sich hergetrieben. Weder geistig noch körperlich ist „Sleepy Joe“ in der Lage, irgendwie umzuschwenken oder gar neue Bündnisse zu schmieden.
Doch auch innerhalb der Republikaner gibt es weiterhin Zwistigkeiten: Der überforderte Fraktionschef der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, weigerte sich zuletzt, überzeugten Trump-Anhängern finanzielle Wahlkampfhilfe für ihre Midterm-Kampagnen auszusprechen. Bekanntermaßen herrschen erbitterte Spannungen zwischen dem ehemaligen Präsidenten und McConnell. Selbst nach einer erfolgreichen Zwischenwahl dürften die internen Machtkämpfe der Republikaner also andauern – gerade mit Blick auf die Präsidentenwahl 2024.
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Prof. Dr. Paul Gottfried ist Historiker und Politikwissenschaftler. Er leitet als Chefredakteur das US-Magazin Chronicles.
JF 45/22