Die Grünen regieren Deutschland. Das wird immer stärker spürbar. Die Regierungsbeteiligung einer ideologiegesteuerten Partei, die mit wirtschaftlicher Vernunft traditionell wenig anzufangen weiß, hätte für eine Industrienation schon zu normalen Zeiten ein gewaltiges Risiko bedeutet. In der aktuellen Lage droht sie zu einem Horrortrip zu werden. Denn die Grünen nutzen den Ukraine-Krieg, um weitgehend unbeirrt ihre Agenda durchzuboxen. Das wird für viele Menschen in unserem Land ein ganz böses Erwachen geben.
Aber vielleicht schärft die aktuelle Sorge über die Gaslieferungen ja endlich den kritischen Blick der Deutschen: Erstens auf die Frage, wie sinnvoll die bisherigen Energie-Sanktionen gegen Rußland tatsächlich sind. Und zweitens auf das, was die Grünen gerade mit unserer Energieversorgung veranstalten.
Eine Klarstellung vorab: Ja, es war und ist richtig, Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine mit Entschlossenheit entgegenzutreten! Würde der Westen zur Tagesordnung übergehen, so wäre das internationale Recht und sein Prinzip einer regelbasierten Friedensordnung bald nichts mehr wert. Selbst wenn man einräumt, daß die neue europäische Sicherheitsarchitektur nach dem Ende des Ostblocks russische Interessen hätte stärker mit einbeziehen müssen: Nichts kann rechtfertigen, wie Putin die Ukraine mit brutaler Gewalt überfallen hat!
Sanktionen schwächen Deutschland
Aber für eine verantwortungsvolle Politik gibt es weitere Prinzipien: Deutschland und die Nato dürfen sich in den Krieg militärisch nicht hineinziehen lassen, auch wenn die Ukraine das gern hätte. Und: Wenn Wirtschaftssanktionen gegen Rußland sinnvoll sein sollen, müssen sie tatsächlich Druck auf den Aggressor ausüben können. Ansonsten schwächen sie nicht Putin, sondern Deutschland. Genau das passiert gerade. Und damit sind wir bei den Grünen.
Eine verläßliche, für Familien und Wirtschaft bezahlbare Energieversorgung ist die Basis unseres Wohlstands. Schon die vollmundige Ankündigung der Sanktionen (Baerbock: „Das wird Rußland ruinieren.“) fußte auf einer völligen Verkennung der wechselseitigen Abhängigkeiten. Nun mag man mit guten Gründen die starke Energieabhängigkeit von Rußland beklagen, die unter Merkel dramatisch anwuchs. Aber weitreichende Interdependenzen sind in einer hochkomplexen Weltwirtschaft eben nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Wie schnell man mit dem moralisch hochtrabenden Politikverständnis der Grünen in der Heuchelei landet, hat Wirtschaftsminister Habeck schon kurz nach Ausbruch des Krieges bei seinem Besuch in Katar gezeigt, der fotografisch vor allem durch seinen tiefen Bückling vor dem Emir in Erinnerung geblieben ist: Katar, das Land, wo Homosexuelle im Gefängnis landen, versprach generös eine Prüfung künftiger Gaslieferungen.
Keine Terminals, keine Tanker
Konkret ist bisher gar nichts. Die von Habeck vollmundig erklärte „Energiepartnerschaft“ war reiner Etikettenschwindel. Und das Schicksal verfolgter Homosexueller in Katar war ihm keinen einzigen Satz wert. Wie sollten baldige Flüssiggaslieferungen auch erfolgen? Deutschland hat keine eigenen Terminals, erst eins von drei geplanten ist überhaupt genehmigt. Freie Tankerkapazitäten gibt es nicht. Energiepolitik aus dem grünen Wolkenkuckucksheim.
Das gilt genauso für das Ölembargo aus dem sechsten Sanktionspaket der EU: Laut Habeck wird Deutschland die Öllieferungen aus Rußland zum Jahresende stoppen, obwohl das massive Auswirkungen auf die ostdeutschen Raffinerien in Schwedt und Leuna haben dürfte. Die Versorgung mit Ölprodukten in Berlin und Brandenburg wird garantiert teurer.
Schadet es Putin? Lächerlich! Durch die gestiegenen Weltmarktpreise für Rohöl kann Rußland großzügige Rabatte gewähren und exportiert Rekordmengen nach China und Indien. Transportiert wird das Rohöl übrigens von Tankern aus Griechenland, Malta und Zypern, allesamt EU-Mitglieder! Alle machen prächtige Geschäfte. Die deutschen Verbraucher zahlen.
Medien sind Grünen-Fans
Die linksliberalen Medien in Deutschland sind fest in der Hand glühender Baerbock– und Habeck-Fans. Sie besingen unermüdlich die nachdenkliche Aufrichtigkeit der Grünen und ihren neuen Realitätssinn. Realitätssinn? Die Grünen beharren darauf, den deutschen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 zu vollenden. Dabei ist die Braunkohle unser einziger subventionsfrei nutzbarer heimischer Energieträger. Die deutschen Kraftwerke sind die effizientesten und umweltverträglichsten weltweit. Von ihren Emissionswerten kann man in China nur träumen.
Gerade hat die Bundesregierung Kolumbien um erhöhte Liefermengen von Steinkohle gebeten, um russische Kohle zu kompensieren. Für die Förderung in Kolumbien werden ganze Landstriche verwüstet. Der Schutz von Menschen und Umwelt ist dabei weitgehend ein Fremdwort. Und wie sinnvoll es ökologisch ist, Steinkohle um die halbe Welt nach Deutschland zu verschiffen, fragt in der Ampel-regierung offenbar auch niemand.
Genausowenig sind SPD und FDP bereit, das beschlossene Aus der letzten drei deutschen Atomkraftwerke Ende 2022 ernsthaft auf die Tagesordnung zu setzen. Fachgutachten belegen, daß ein Weiterbetrieb technisch ohne Probleme machbar wäre. Aber es fehlt am politischen Willen. Die Grünen sitzen das Thema einfach aus, bis vollendete Tatsachen geschaffen sind. In anderen Ländern Europas hält man diese Entscheidung für geradezu schwachsinnig.
Sanktionen auf den Prüfstand
Das tägliche Mantra der Grünen lautet stattdessen: Der Schlüssel zur Lösung unserer Energieabhängigkeit liegt im beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Für den Ausbau der Windkraft, gerade per Gesetz beschlossen, gibt es künftig kaum noch Grenzen: keine festen Mindestabstände zur Wohnbebauung, keine Rücksicht auf Landschaft und Natur. Wir werden Deutschland in einigen Jahren nicht mehr wiedererkennen.
Dabei ist es geradezu grotesk, wie wenig das Hauptproblem dieser grünen Kampagne in der deutschen Öffentlichkeit thematisiert wird: die Physik. Solar- wie auch Windenergie sind nicht grundlastfähig, weil sie schlichtweg nicht permanent verfügbar sind. Um die Stabilität eines Stromnetzes zu garantieren, muß man deshalb immer mehr Reservekapazität an konventionellen Kraftwerken vorhalten, je weiter man den Anteil von Solar- und Windenergie erhöht. Doch damit halten sich die Grünen nicht auf. SPD und FDP lassen sie gewähren. Die Medien in Deutschland fragen nicht nach.
Nein, unser Land ist nicht gut gerüstet. Die Energie-Agenda ist auf Sand gebaut. Sie führt Deutschland in eine gefährliche Krise. Deshalb muß sie ebenso auf den Prüfstand wie die Sanktionen gegen Rußland, die den Aggressor nicht aufhalten und der Ukraine nicht helfen, aber Deutschland schaden.
JF 29/22