Jetzt ist er doch weg. Nachdem in den vergangenen Tagen immer mehr Minister und Staatssekretäre das Weite suchten, verkündete der britische Premierminister Boris Johnson am Donnerstag seinen Rücktritt als Parteichef der Torys. Auch seine Tage als Regierungschef sind gezählt. Im Herbst will er den Regierungssessel räumen. Damit endet eine turbulente Episode der britischen Politik. Denn auch wenn Johnson seit seinem Amtsantritt als Premier im Sommer 2019 mehr Skandale sammelte als andere Politiker Beraterposten bei Großkonzernen.
Aber es war nicht alles schlecht. Denn es muß berücksichtigt werden, daß Johnson Großbritannien in einer schwierigen Phase übernahm. So oblag es seiner Regierung, das Land durch den Brexit zu steuern. Daß dies nicht ohne wirtschaftliche Verwerfungen gehen würde, sollte nicht verwundern.
In der Corona-Pandemie schwankte Johnson wie andere europäische Regierungschef auch zwischen anfänglicher Unterschätzung der Situation und später überzogenen Maßnahmen. Was dem ehemaligen Außenminister in dem Zusammenhang anzukreiden ist, sind seine eigenen Verstöße gegen Lockdown-Regeln, die unter dem Begriff „Partygate“ die Runde machten. Denn Johnson, der landestypisch den Wahlkampf am Kneipentresen nicht scheute, ließ es trotz Lockdown wiederholt feucht-fröhlich krachen.
Johnson eckt an
Was dem flachsblonden Briten jedoch zugute gehalten werden muß, ist der Versuch, die gesetzeswidrige Migration auf die Insel wirksam zu bekämpfen. Dabei schreckten ihn auch Spannungen mit Frankreich nicht ab. Sein Vorhaben, zur Eindämmung der illegalen Einwanderung mit Ruanda zusammen zu arbeiten, war ungewöhnlich, doch zeigt es: wo ein Wille, da ein Weg.
Als in Berlin und anderen europäischen Hauptstädten noch diplomatische Eiertänze um einen möglichen Besuch in der von Rußland angegriffenen Ukraine vollführt wurden, machte sich Johnson auf den Weg gen Osten. Er war einer der ersten Regierungschefs, der sich vor Ort ein Bild machte, Kiew Unterstützung zusagte und auch lieferte. Dafür dankte ihm die ukrainische Regierung erneut.
#UPDATE Kyiv has thanked Britain’s Boris Johnson for supporting Ukraine in „the hardest times“ following Russia’s invasion, after the politician stepped down as Conservative leader, clearing the way for his departure as prime minister. pic.twitter.com/OasllXMcxo
— AFP News Agency (@AFP) July 7, 2022
Egal ob der Plan zur Abschaffung der Beitragsgebühren der BBC, von der hierzulande die AfD nur träumen kann, oder seine Positionierung gegen die linke Bilderstürmerei der „Black Lives Matter“-Bewegung, Johnson eckte an.
Wähler haben das Einheitsgrau der Politiker satt
Das machte ihn auch in der eigenen Partei nicht beliebter. Zum Verhängnis wurde ihm letztlich sein sträflich fahrlässiger Umgang mit der Affäre um sexuelle Belästigungen eines Parteifreundes. Obwohl er um die Vorwürfe gegen Chris Pincher wußte, hob Johnson ihn auf einen wichtigen Fraktionsposten. Das war für Johnsons Gegner in den eigenen Reihen der eine Skandal zuviel – sie gingen ihm in Scharen von der Fahne. So geschwächt konnte selbst ein Boris Johnson nicht länger das Land führen. Der Rücktritt war unvermeidbar.
Mit Johnson geht ein Regierungschef von Bord, der nicht zuletzt deswegen die Stimmen der Wähler errang, weil er aus dem üblichen Grau der politischen Klasse herausstach. Mag er auch von Linken und in den Medien als Clown verspottet werden, so war seine kurze Amtszeit doch der Beleg dafür, wie sehr die Briten sich nach einem Politiker sehnen, der unkonventionell ist und Dinge anpackt; gerade in trostlosen Zeiten.