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Südafrika nach den Unruhen: Eine Warnung für die USA

Südafrika nach den Unruhen: Eine Warnung für die USA

Südafrika nach den Unruhen: Eine Warnung für die USA

Cyril Ramaphosa
Cyril Ramaphosa
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa besucht am Sonntag Soweto und schaut sich die Zerstörungen an Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Oupa Nkosi
Südafrika nach den Unruhen
 

Eine Warnung für die USA

Während in den USA selbst schwerste Ausschreitungen von „Black Lives Matter“ mit einem systematischen Rassismus begründet werden, gibt es solche Schuldzuweisungen in Südafrika nicht. Das System der Apartheid wird nicht als Grund für die Kriminalität genannt. Die Weißen werden von den meisten Südafrikanern nicht als der böse Andere dämonisiert. Darin liegt die Chance für das Land. Ein Kommentar.
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Es mag überraschen: Trotz der Unruhen in Südafrika schreibe ich das Land meiner Geburt nicht ab. Muß ich mich also erst von mir selbst distanzieren, bevor ich nach den Ausschreitungen etwas Positives über Südafrika sage? Wahrscheinlich. Denn ich bin die Autorin einer 2011 erschienenen vernichtenden, aber auch vorausschauenden, Anklage gegen die politische Ordnung, die Südafrika von der „anglo-amerikanischen Achse des Bösen“ aufgezwungen wurde. Diese Anordnung ist als das „Ein Mann, eine Stimme, eine Zeit“-Arrangement bekannt. Um aus meinem Buch „Into the Cannibal’s Pot: Lessons for America From Post-Apartheid South Africa“ zu zitieren: „Demokratie ist besonders gefährlich in ethnisch und rassisch gespaltenen Gesellschaften, in denen Mehrheiten und Minderheiten starr vorgegeben und politisch dauerhaft sind.“ Das ist es, was der Westen Südafrika aufgezwungen hat.

Während des vergangenen Jahrzehnts habe ich Südafrika als ein Meer von Problemen gesehen – und als Vorbote der Dinge, die in Amerika kommen werden. Wenn Amerika ein Land mit einer Mehrheit von Minderheiten wird, dürfte es wahrscheinlich schon bald Südafrika ähneln. Aber in den dunkelsten Tagen brauchen das Land und seine Menschen Aufmunterung. Ich sah einen Lichtblick, einen Hoffnungsschimmer, inmitten der Plünderungen, Raubüberfälle und Brandstiftungen, die die Provinzen KwaZulu-Natal und Transvaal (mein Geburtsort) nach der Verurteilung und Inhaftierung des ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma wegen Mißachtung des Gerichts heimgesucht haben.

Dutzende Menschen wurden in den beiden genannten Provinzen getötet, mehr als 200 Einkaufszentren wurden ausgeraubt und anschließend verwüstet. Unzählige Rinder wurden gestohlen, was im Allgemeinen bedeutet, daß die Tiere auf grausame Weise zu Tode gehackt werden, um sie zu essen. Die Gerichte fällten ein Urteil, das den Wünschen einer Stammesfraktion der südafrikanischen Bevölkerung zuwiderlief, und es kam zum Aufruhr. Ich bin jedoch sicher, daß Zumas Loyalisten, die Zulus, nicht die einzigen waren, die sich an den Ausschreitungen beteiligten.

Südafrika nach dem Vorbild Amerikas umgestaltet

Der mit amerikanischem Nachdruck ausgestattete Dominanz-Parteienstaat war einst ein buntes Land aus Engländern, Afrikaanern und Afrikanern. Jahrhundertelang waren Briten, Buren und Bantu auf dem Kontinent aufeinander losgegangen und hatten abwechselnd kollaboriert. Mittlerweile aber ist Südafrika eine afroamerikanische multikulturelle Gesellschaft, geeint durch McDonald’s, Mobiltelefone sowie eine strikte Durchsetzung progressiven „Denkens“, dazugehöriger Sprachcodes und Cancel Culture.

Südafrika wurde nach dem Vorbild Amerikas umgestaltet. Und die Ergebnisse sind nicht gut. Während der regierende African National Congress (ANC) einst größtenteils aus dem Bantu-Stamm der Xhosa bestand, war die Inkatha Freedom Party (IFP) ein Teil der Zulu. Die Loyalität der Zulu-Minderheit liegt jedoch längst nicht mehr ausschließlich bei der eigenen IFP. In der afro-amerikanischen Gesellschaft werden Partikularismus und Stammeszugehörigkeit zwangsweise durch staatlich anerkannte nationale Identitäten ersetzt. So ist der ANC der unbestrittene König im dominanten Parteienstaat Südafrika – so wie die Demokratische Partei den aufkeimenden dominanten Parteienstaat, zu dem sich die USA derzeit entwickeln, beherrschen und kontrollieren wird.

Die IFP, größtenteils Zulu und klassisch liberal (im Sinne von marktwirtschaftlich orientiert), war geneigt, mit der untergegangenen weißen Nationalen Partei zu kooperieren, die von 1948 bis 1994 Südafrika regierte. Dafür wurde ihr Führer, Prince Mangosuthu Buthelezi, im Westen als Marionette in Pretorias Schmierenkomödie abgetan. Anstatt dem Streben der Zulu nach größerer Autonomie entgegenzukommen – und vielleicht den aktuellen anarchischen Zerfall abzuwenden – forderte Amerika ein starkes zentralisiertes Südafrika, mit ANC-Revolutionären an der Spitze. Es hat seinen Wunsch bekommen. Die afro-amerikanische multikulturelle Gesellschaft hat sich in Südafrika durchgesetzt.

Warnung für die USA

Man kann Amerika nur warnen: Schaut nicht auf Südafrika herab. Denn wenn der ehemalige Polizist Derek Chauvin nicht für den Mord an George Floyd verurteilt worden wäre, hätte es in den USA eine ähnliche Explosion wie in Südafrika gegeben. Die Randalierer, die für das „Blockieren von Straßen, Plündern, Beschädigen von Eigentum und das Verbrennen von Lastwagen“ verantwortlich sind, bilden in den Vereinigten Staaten eine Minderheit; in Südafrika eine Mehrheit. Tatsächlich aber sind in den USA Realität und Moral auf den Kopf gestellt worden. Für die demokratische Regierungspartei und ihre Wähler ist ein Aufstand in Wirklichkeit ein friedlicher Protest. Kriminalität ist angeblich die Schuld einer erfundenen Abstraktion, die als systematischer Rassismus bekannt ist. Steigende Raten von Mord, Raub, Vergewaltigung und Hausfriedensbruch, so wird uns gelehrt, werden durch Waffen verschlimmert, nicht durch Schläger und Kriminelle. Je mehr Gewaltverbrechen begangen werden, desto weniger Polizeiarbeit und Bestrafung wird von den Demokraten als notwendig erachtet.

Solche perversen Gefühle haben Südafrikaner während der laufenden Unruhen nicht geäußert. Die Interviews von „BBC News“-Moderatorin Nomsa Maseko zeigten gewöhnliche südafrikanische Männer und Frauen, die ihren Anstand nicht verloren haben. Alle waren sich einig in der Verurteilung des Verbrechens. In den Vereinigten Staaten hingegen veröffentlichte die Autorin Vicky Osterwell sogar ein Buch „zur Verteidigung der Plünderung“. Ihre These: Plündern sei „freudig“ und könne „gemeinschaftlichen Zusammenhalt“ erzeugen. Kein Südafrikaner hat eine solche Rechtfertigung des Bösen im Stil der Demokraten vom Stapel gelassen.

Als in den USA im Sommer 2020 ethnische Unruhen ausbrachen, wurden Städte in der ganzen Republik geplündert und Bürger schutzlos zurückgelassen. Die Kamera schwenkte über das Land und zeigte, wie Polizisten auf die Knie gingen. Vor dem Hintergrund einer „Mad Max“-ähnlichen dystopischen Zerstörung – ein Vorbote der Dinge, die da kommen werden – sanken amerikanische Männer in Uniform wie Yogis auf das Kommando ihrer schwarzen Peiniger auf dem Bürgersteig zusammen. Die Einschaltung der Bundespolizei war notwendig, da der Schutz der individuellen Naturrechte den Föderalismus übertrumpft. Doch während die Nationalgarde mobilisiert wurde, schickte man die Kavallerie in die Hotspots der Ausschreitungen, nicht etwa um die Bürger zu schützen, sondern das Eigentum des Bundes zu sichern.

Keine Schuldzuweisungen

So schlimm und kaputt mein armes ehemaliges Heimatland auch ist: Südafrikas herrschende Eliten betonten die gemeinsamen moralischen Werte. Es gab keine Schuldzuweisungen oder Anspielungen auf einen systematischen Rassismus. Das System der Apartheid wurde nicht als Ursache für Kriminalität heraufbeschworen. Die Weißen wurden nicht als der böse Andere dämonisiert. Über 2.000 Kriminelle wurden bisher verhaftet und 117 Menschen getötet. 5.000 Soldaten sind bereits im Einsatz.

Wie die Unruhen in Südafrika im Juli 2021 gezeigt haben, scheinen sich zudem informelle Milizen neu formiert zu haben. Bewaffnete, gesetzestreue Südafrikaner, Schwarze und Weiße, haben „Verteidigungstrupps“ gebildet, um Nachbarschaften und Geschäfte in Natal und dem Transvaal zu schützen. Das gibt Hoffnung. Schließlich erinnern wir uns gerne an die Commandos, eine private Miliz, die seit den 1770er Jahren als einzige verläßliche Verteidigung für Südafrikas Farmer existierte und die vom ANC aufgelöst wurde.

Zugegeben: Präsident Cyril Ramaphosa war bislang eine herbe Enttäuschung. Er hat sich geweigert, die weißen Farmer des Landes energisch zu verteidigen. Er hat kläglich versagt, die Korruption zwischen Großkapital, den Gewerkschaften und der Regierung zu durchbrechen. Doch während die Unruhen in den USA Joe Biden dazu veranlaßten, die Randalierer zu beweinen und nach einer Polizeireform zu wimmern, aber nicht die Randalierer zu bekämpfen, hat Ramaphosa eine klare Botschaft verkündet: „Wir werden als ein Volk stehen, vereint gegen Gewalt, einmütig in unserem Engagement für Frieden und Rechtsstaatlichkeit.“

Randalierer verhaftet

Zu Tausenden haben die südafrikanischen Behörden Randalierer verhaftet, keine Rechten. In den Staaten hingegen geht das FBI energisch gegen Trump-Anhänger vor, nicht aber gegen die inländischen Terroristen von „Black Lives Matter“. Die Vorstellung, daß die Kriminalität als eine „Form des politischen Protestes“ gesehen werden kann, wird von amerikanischen Medien bereitwillig verbreitet, Ramaphosa aber lehnt die Idee ab: „Was wir jetzt erleben, sind opportunistische Akte der Kriminalität, mit Gruppen von Menschen, die das Chaos nur als Deckmantel für Plünderungen und Diebstähle anzetteln. Es gibt weder einen Mißstand noch einen politischen Grund, der die Gewalt und die Zerstörung, die wir in Teilen von KwaZulu-Natal und Gauteng gesehen haben, rechtfertigen kann.“

Der Zulu-Prinz Mangosuthu Buthelezi erklärte ebenso großartig: „Die Kultur der Gewalt und Gesetzlosigkeit zeigt sich jetzt im Verbrennen von Lastwagen und Fahrzeugen, in der Zerstörung von Eigentum, in Plünderungen und kriminellen Übergriffen. Wie wird der Staat reagieren? Südafrika kann sich eine langsame Reaktion nicht leisten, vor allem nicht im Angesicht einer verheerenden Corona-Pandemie. Die Anarchie ist entfesselt worden. Ich fordere unseren Präsidenten auf, einen festen Standpunkt einzunehmen. Ich weiß um die Verantwortung, die auf seinen Schultern lastet, und ich werde bereitwillig alle Maßnahmen unterstützen, die er zum Schutz Südafrikas ergreift. Aber ich weiß auch, daß, wenn er jetzt nicht handelt, und zwar entschlossen, alles verloren sein wird. Unser geliebtes Land steht in Flammen. Wir müssen handeln.“ Ramaphosa hat inzwischen 25.000 Soldaten entsandt, um die Unruhen zu unterdrücken.

„Für alles gibt es eine Zeit unter dem Himmel“, heißt es im Buch Kohelet des Alten Testaments. „Eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Aufbauen.“ Ich habe um das geliebte Land geweint – um Alan Patons ergreifende Erzählung mit dem Titel „Cry, the Beloved Country“ (1948) zu beschwören, die für das Südafrika der Apartheid das war, was Harriet Beecher Stowes „Onkel Toms Hütte“ für das Amerika der Vorkriegszeit war. Jetzt ist es an der Zeit, das geliebte Land zu trösten, zu preisen und wieder aufzubauen.

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Ilana Mercer ist eine Publizistin, die einen eigenen Blog führt. Mercer wurde in Südafrika geboren und lebt in den USA. Sie ist die Autorin von „Into the Cannibal’s Pot: Lessons for America From Post-Apartheid South Africa“ (2011) & „The Trump Revolution: The Donald’s Creative Destruction Deconstructed“ (2016). Zu finden ist sie auf Twitter, Parler, Gab, YouTube und LinkedIn.

Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa besucht am Sonntag Soweto und schaut sich die Zerstörungen an Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Oupa Nkosi
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