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Habermas zu Corona-Politik: „Ich bin die Wahrheit“

Habermas zu Corona-Politik: „Ich bin die Wahrheit“

Habermas zu Corona-Politik: „Ich bin die Wahrheit“

Jürgen Habermas bei einer Pressekonferenz im Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf Foto: Martin Gerten/dpa
Jürgen Habermas bei einer Pressekonferenz im Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf Foto: Martin Gerten/dpa
Jürgen Habermas bei einer Pressekonferenz im Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf Foto: Martin Gerten/dpa
Habermas zu Corona-Politik
 

„Ich bin die Wahrheit“

Der Philosoph Jürgen Habermas macht sich in einem Aufsatz Gedanken über die Grenzen staatlichen Handelns in der Pandemie. Doch dabei bleibt vor allem eine Sache auf der Strecke: die Freiheitsrechte der Bürger. Ein Kommentar.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Der 2004 erschienene Roman „Das bleiche Herz der Revolution“ von Sophie Dannenberg ist eine bitter-böse Satire auf die Kulturrevolution von 1968. Darin taucht ein Philosoph und Wissenschaftsfunktionär namens Heinz Mueller-Skripski auf, der den infolge studentischer Übergriffe verstorbenen Aaron Wisent als Institutsdirektor beerbt. Mueller-Skripski weiß, „was Macht ist“, und prahlt: „Ich bin die Wahrheit und das Licht. Niemand kommt zum Lehrstuhl denn durch mich.“

Er kann Karrieren fördern und knicken, er ist überallhin vernetzt und hat in seinem Handy alle relevanten Informationen abgespeichert. Wie der Erzdogmatiker Jorge de Burgos in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ hat er verhindert, daß das Manuskript eines Konkurrenten das Licht der Öffentlichkeit erblickte, und zwar, weil es „zu nah an der Wahrheit“ steht. „Lieber wollen wir reden, ohne zu wissen worüber. Wir kommunizieren, um eine Kommunitas zu sein. Mehr ist doch eh nicht drin.“

Aaron Wisent spielt natürlich auf Theodor Wiesengrund-Adorno an, der das Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main leitete, und Müller-Skripski auf Jürgen Habermas, den Staatsphilosophen der Bundesrepublik und erklärten Vorkämpfer des „herrschaftsfreien Diskurses“, über den Ernst Nolte einmal äußerte, daß er „in der Praxis die formellen und informellen Machtmittel, welche er in Gremien und Verlagen innehat, mit Energie und Geschick zu benutzen weiß, um ein Zensorenamt besonderer Art auszuüben“.

Lauterbach und Söder als zweifelhafte Referenzen

Natürlich handelt es sich bei Mueller-Skripski um eine parodistische Überzeichnung des realen Vorbildes und doch ist Jürgen Habermas, im 93. Lebensjahr stehend, mit seinem Aufsatz „Corona und der Schutz des Lebens“, der in der September-Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik erschienen ist, der monströsen Figur realiter auf den Leib gerückt.

Der Text dreht sich um die Frage, ob der Staat aus Gründen der Pandemiebekämpfung die Freiheitsrechte außer Kraft setzen beziehungsweise sich das Recht nehmen darf, „Solidarleistungen, die sonst nur angedacht werden können, zwingend vorzuschreiben“ (Herv. i. Orig.). Seine Antwort ist eindeutig: Er darf nicht nur, er muß sogar!

Denn laut Habermas befinden wir uns in einem Weltkrieg neuen Typs, der eine „Kriegführung von Species gegen Species“ erzwingt. Woher er das weiß? Als Quelle seiner Erkenntnis ist nur der Dezisionismus der Regierenden identifizierbar: „Die von Angela Merkel verfolgte Politik der Bundesregierung konnte sich dabei auf den mehr oder weniger einhelligen Rat der wissenschaftlichen Experten sowie auf die Medienpräsenz einzelner hartnäckiger Fachpolitiker (wie Karl Lauterbach) und einflußreicher Ministerpräsidenten (wie Markus Söder) stützen.“

Das ist tautologischer Blödsinn. Die Einhelligkeit der Wissenschaft ist eine Äußerlichkeit und ergibt sich allein daraus, daß nur Experten zum öffentlichen Diskurs zugelassen werden, die den „einhelligen Rat“ unterstützen. Den dauerpräsenten Karl Lauterbach „hartnäckig“ zu nennen, ist ein Euphemismus. Gewiß, früher glich er dem liebenswert-zerstreuten Professor Bienlein aus der Comic-Serie „Tim und Struppi“, doch die Corona-Prophetie hat ihn zum Maniak gemacht, der in der Neuverfilmung von Hitchcocks „Psycho“ die Rolle des Norman Bates übernehmen könnte.

Und sich auf den – wie Elke Heidenreich treffend bemerkte – „bösartigen“ und „intriganten“ Markus Söder als Referenzgröße zu berufen, ist für einen Geisteswissenschaftler ein derartiges Armutszeugnis, daß man von einen Sabotageakt des Lektorats ausgehen muß, das es vorsätzlich versäumt hat, den Autor vor der definitiven Blamage zu bewahren.

Frei von Empirie auf Kurs in Richtung Diktatur

Habermas beruft sich auf die „pandemiebedingten Infektions- und Sterberisiken“, ohne eine Ahnung davon zu haben. Keineswegs sind sie so einseitig verteilt, wie er das voraussetzt. Über die Neben- und Langzeitwirkungen der Impfstoffe ist wenig bekannt. Man weiß inzwischen von halbseitigen motorischen Störungen, von Thrombosen und Infarkten. Der Mikrobiologe Sucharit Bhakdi befürchtet ein beschleunigtes Tumorwachstum nach der Impfung, weil sie auch Tumor-Kontrollzellen zerstören.

Die Maskenpflicht sorgt insbesondere bei Kindern für eine Schwächung des Immunsystems und für psychische Auffälligkeiten. Das spricht nicht generell gegen die Impfung. Wer gesundheitlich vorbelastet ist, etwa durch eine angegriffene Lunge, mag sich nach Abwägung sämtlicher Risiken dennoch für eine Impfung entscheiden.

Bei Habermas jedoch gibt es keine Entscheidungsfreiheit und individuellen Abwehrrechte gegen die staatliche Gewalt mehr. Sein „Nachdenken über das Verhältnis von Politik und Recht“ führt ihn zu dem Schluß, daß der Bürger den „Vorrang des staatlichen Gesundheitsschutzes“ über alles öffentliche Leben und einen „temporären Rückfall unter das rechtliche Niveau reifer Demokratien“ zu akzeptieren habe. Vulgo: Ein bißchen Diktatur darf sein. Verharmlosend nennt er das: eine „außerordentliche kollektive Anstrengung der Bürger“.

Deren Freiheit soll fortan also darin bestehen, die Notwendigkeit einer Verstaatlichung ihrer Person einzusehen. Wer sich der Einsicht verweigert, gar urliberale Einwände erhebt und an verbrieften Freiheitsrechten festhält, ist laut Habermas bloß „scheinliberal“, denn in Wahrheit vertritt er einen „ganz neuen, in libertären Formen auftretenden Extremismus der Mitte“, der einen „rechtsradikalen Kern“ enthalte. Sogar auf das dümmliche Schimpfwort „Corona-Leugner“ mag der Unweise vom Starnberger See nicht verzichten.

Argumentative Eskalation: Absicht oder Versehen?

An einer Vorbedingung aber hält er unverbrüchlich fest: „(…) die Bürger (müssen) auf die Stabilität der Verfassung vertrauen dürfen – also darauf, daß die Regierung das gesundheitspolitisch begründete Regime der gesetzlich verordneten Solidaritätsleistungen nicht über die aktuelle Gefahrensituation hinaus verstetigt …“

Einen belastbaren Grund für den Vertrauensvorschuß weiß er freilich nicht zu nennen. Wie denn auch? Wolfgang Schäuble hat vor einem Jahr offen eingeräumt, daß es um viel mehr als um „Corona“ geht: „Die Corona-Krise ist eine große Chance. Der Widerstand gegen Veränderung wird in der Krise geringer. Wir können die Wirtschafts- und Finanzunion, die wir politisch bisher nicht zustande gebracht haben, jetzt hinbekommen …“

Habermas behauptet, rechtsphilosophisch zu argumentieren. In Wahrheit präsentiert er eine brutale Apologetik der real existierenden Macht. Warum leistet er sich im hohen Alter diesen kompromittierenden Amoklauf? Handelt es sich um das indirekte Eingeständnis, daß es mit dem zwanglosen Zwang des besseren Arguments, den er in der Theorie hochhielt, nichts wird und die Tribalgesellschaft, zu deren Entstehung er beigetragen hat, nur noch durch diktatorisches Regieren zusammengehalten werden kann?

Das wäre schlimm genug, aber die sympathischere Deutung. Die andere lautet nämlich: Der Text enthält die Essenz seines ganzen Trachtens und Denkens – sie ist das, was bleiben wird.

So oder so, die Habermas-Republik hält die Zeit für gekommen, sich die letzten Schleier vom Gesicht zu ziehen. Sichtbar wird ein Medusenhaupt. Die Fortsetzung vom „Bleichen Herz der Revolution“ ist fällig.

JF 43/21

Jürgen Habermas bei einer Pressekonferenz im Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf Foto: Martin Gerten/dpa
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