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Außenpolitisches Konzept der AfD: Ein Europa von Lissabon bis Wladiwostok

Außenpolitisches Konzept der AfD: Ein Europa von Lissabon bis Wladiwostok

Außenpolitisches Konzept der AfD: Ein Europa von Lissabon bis Wladiwostok

Für AfD-Chef Tino Chrupalla ist ein gutes deutsche-russisches Verhältnis nicht verhandelbar (Symbolbild) Foto: picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Patrick Pleul
Für AfD-Chef Tino Chrupalla ist ein gutes deutsche-russisches Verhältnis nicht verhandelbar (Symbolbild) Foto: picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Patrick Pleul
Für AfD-Chef Tino Chrupalla ist ein gutes deutsch-russisches Verhältnis nicht verhandelbar (Symbolbild) Foto: picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Patrick Pleul
Außenpolitisches Konzept der AfD
 

Ein Europa von Lissabon bis Wladiwostok

Das Verhältnis der EU zu Rußland ist von großer Bedeutung. Von US-Interessen getriebene Sanktionen gegen den wichtigen Handelspartner Deutschlands schaden uns. Das darf bei außenpolitischen Überlegungen nicht vergessen werden. Eine Erwiderung von Tino Chrupalla.
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Vor einer Woche skizzierte der rheinland-pfälzische AfD-Landtagsabgeordnete Joachim Paul ein außenpolitisches Konzept für die Partei mit Blick auf Mittel- und Ostmitteleuropa. Darauf antwortet nun Parteichef Tino Chrupalla: 

Die Europäische Union ist kaum reformierbar, darin sind sich die meisten Patrioten einig. Zu groß sind die institutionellen Defekte, zu hoch ist die Bereitschaft ihrer Hauptakteure, geltendes Recht über Bord zu werfen, wenn es dem Machtgewinn dient. Aus diesem Grund hat die Basis der AfD auf dem Parteitag in Dresden mit überwältigender Mehrheit beschlossen, im Bundestagswahlprogramm für ein Europa der Vaterländer zu werben. Und das ist auch gut so.

Wörtlich heißt es in unserem Wahlprogramm: „Eine staatsähnliche Europäische Union, wie sie von den etablierten Parteien angestrebt wird, halten wir im Sinne eines prosperierenden und friedlichen Europas für kontraproduktiv. Selbstverantwortliche und von lebendigen Demokratien gestaltete Nationalstaaten sind durch übernationale Einrichtungen nicht ersetzbar.“ Was gibt es daran auszusetzen?

Die Absage an einen EU-Superstaat gehört zur DNS der AfD. Mit scharfer Kritik an der fortwährenden Euro-Rettung und mit der Rückforderung nationaler Kompetenzen ist unsere Partei groß und erfolgreich geworden. Unsere Überzeugungen dürfen wir aus kurzfristigen Opportunitätserwägungen nicht fallen lassen. Gebessert hat sich die EU in den vergangenen Jahren nämlich keineswegs. Zur Euro-Krise ist zuerst die Migrations-Krise und dann die Corona-Krise hinzugekommen. Und die EU hat bewiesen, daß sie zur Lösung all dieser Krisen außer Stande ist.

Die AfD verteidigt die Freiheit der Bürger

Euro? Billionen-Umverteilung und Staatsfinanzierung durch die Notenpresse, per Target2- Salden bezahlen wir die deutschen Exporte in den Süden selbst. Diese Geschenkwirtschaft wollen wir beenden. Migration? Frontex spielt Wassertaxi für illegale Migranten, eine Einigung auf ein europäisches Asylsystem ist nicht in Sicht, per Migrationspakt will die EU illegale Migration langfristig legalisieren. Dem können wir nicht zustimmen. Corona? Zuerst scheitert die EU bei der Impfstoffbeschaffung, dann entdeckt sie den digitalen Impfpaß als Mittel zur Kontrolle der Bürger und will umgehend die Reisefreiheit einschränken. Welche Probleme hat die EU eigentlich nicht verschlimmbessert?

Hier gibt es keine zwei Meinungen. Die AfD verteidigt den Wohlstand, die Sicherheit und die Freiheit der Bürger. Wir werden keine Politik mittragen, die die Bevölkerung arm, unsicher und unfrei macht. Deshalb bleibt es beim Nein zum Euro, Nein zum Menschenrecht auf Migration und Nein zum Tauschhandel von Grundrechten gegen Kontrollbefugnisse. Grundrechte sind unverhandelbar. Kein Brüsseler Büffet und keine Schampus-Party im Europäischen Parlament wird uns jemals von unseren Überzeugungen abbringen.

Richtig ist aber auch: Die Krisenerfahrung hat die europäischen Völker noch stärker verbunden. Wir wissen: Nur gemeinsam können wir den Weg zu einem besseren Europa ebnen. Die Basis der AfD hat diese Erkenntnis im Wahlprogramm wie folgt formuliert: „Wir halten einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig.“ Dies ist unsere Verhandlungsgrundlage, im Wahlkampf für den Bundestag werben wir mit dieser starken Position um Stimmen. Was nicht bedeutet, daß wir Europa ablehnen würden.

Wir müssen Verantwortung übernehmen

Als Ultima Ratio ist die Drohung mit einem EU-Austritt für Deutschland allerdings unverzichtbar. Denn wir sind und bleiben der größte Nettozahler. Solange bei den anderen Mitgliedstaaten der Eindruck vorherrscht, daß sich Deutschland um jeden Preis an die EU kettet, wird unsere Position eine Position der Schwäche bleiben. Das Schlagwort „Dexit“ trifft die Position unserer Partei aber nur ungenau. Großbritannien konnte die Europäische Union verlassen, weil es eine Insel vor der europäischen Küste ist. So eng ist die Verbindung zu den Vereinigten Staaten, dem angelsächsischen Bruder, daß es der EU anstandslos „Goodbye!“ sagte.

Deutschland ist in einer anderen Lage. Wir sind und bleiben in einer mitteleuropäischen Position. Unsere Aufgabe ist es, zwischen West und Ost zu vermitteln. Und wir können nur dann in Ruhe und Frieden leben, wenn wir zu unseren Nachbarn ein gutes und partnerschaftliches Verhältnis pflegen. Wir selbst müssen in Europa Verantwortung übernehmen. Deshalb trifft „Neustart“ die Position unserer Partei auch besser als der englische Slogan „Dexit“. Was wir fordern, ist ein gemeinsamer Neustart für Europa. Und wir laden all unsere europäischen Schwesterparteien dazu ein, sich uns anzuschließen.

Bauarbeiten für die Pipeline Nord Stream 2: Ein Projekt von strategischer Bedeutung Foto: picture alliance / Jens Koehler | Jens Koehler
Bauarbeiten für die Pipeline Nord Stream 2: Ein Projekt von strategischer Bedeutung Foto: picture alliance / Jens Koehler | Jens Koehler

Acht Jahre nach der Gründung der AfD ist die Zeit reif, Selbstbewußtsein auf internationaler Bühne zu zeigen. Wir sind zwar nicht in Regierungsverantwortung, doch wir sind Volkspartei. Und in manchen Regionen – etwa meiner sächsischen Heimat – sind wir bereits stärkste Partei. Vor allem aber haben wir niemals unsere Grundüberzeugungen über Bord geworfen, um kurzfristig an der Macht beteiligt, mittelfristig aber ausgebootet und gedemütigt zu werden. Also Kopf hoch!

Ein gutes Verhältnis zu Rußland ist nicht verhandelbar

Die Basis der AfD darf nicht dafür verantwortlich gemacht werden, daß unsere Delegation im Europäischen Parlament die kürzlich erschienene Deklaration für die Zukunft Europas nicht unterzeichnen durfte. Tatsächlich titelte die FAZ bereits am 19. März: „Fidesz: Nein zur AfD, ja zu Salvini“. Erst drei Wochen später nahm unser Bundesparteitag in Dresden den Europa-Antrag an. Sind es also die partnerschaftlichen Kontakte nach Rußland, die Mißtrauen bei den Polen und Ungarn – den Wortführern der Deklaration – geweckt haben?

Früher war es Usus, die Auslandskontakte in der Verantwortung der nationalen Parteien zu belassen. Unsere Freunde aus Frankreich und Österreich nutzten diesen Spielraum, um Kontakte zu Präsident Putin oder zur russischen Regierungspartei zu pflegen. Was soll sich inzwischen verändert haben, daß die patriotischen Parteien im gemeinsamen Bekenntnis zur Westbindung die europäische Identität suchen? Die Wahrheit ist: Die AfD steht für ein gutes Verhältnis zu Rußland. Diese Position ist für uns nicht verhandelbar.

Wenn es um die Vision für einen europäischen Neustart geht, haben wir unseren Blick zurück in eine bessere Vergangenheit und nach vorn in eine bessere Zukunft zu richten. Wir orientieren uns an der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Freiheiten. Wir formulieren aber auch, was Europa unserer Vorstellung nach in Zukunft sein soll. Rußland ist ein fester Bestandteil dieser Vision. Europa ist mehr als die Europäische Union!

Rußland ist ein großer europäischer Staat

Derzeit verharren die EU-Eliten in den alten Denkschablonen des Kalten Krieges. Dabei ist der Kommunismus in Osteuropa bekanntermaßen längst besiegt. Die europäischen Meinungsführer hingegen importieren von der US-amerikanischen Neuen Linken neue westliche Ideologien. Eine solche Art Identitätspolitik, die Minderheiten „positiv diskriminiert“, also privilegiert, schürt weltweit sozialen Unfrieden und muß überwunden werden. Erst dann ist der Weg frei für eine echte Gemeinschaft der europäischen Vaterländer. Wie wir dorthin kommen wollen, wenn wir uns den Vereinigten Staaten unterwerfen, das bleibt das Geheimnis jener Politiker, die gedanklich im Kalten Krieg gefangen sind.

Mit Rußland ist ein großer europäischer Staat und ein bedeutender Handelspartner aus der Europäischen Union ausgeschlossen. Und nicht nur das. Auf Drängen unserer Partner in den USA belegen wir die Russen – aus immer neu erdachten Anlässen – mit Handelssanktionen, die letztlich auf unsere Wirtschaft, auf unseren Mittelstand zurückfallen. Rußland war im vergangenen Jahr nur noch unser Handelspartner Nummer 14. Das Handelsvolumen liegt auf dem tiefsten Stand seit zehn Jahren. Ausbleibende Importe aus Deutschland ersetzt Rußland, indem es neue Handelsbeziehungen nach Asien knüpft. Das ist fatal. Der Handel zwischen Deutschland und Rußland ist zwischen 2013 und 2019 um 25 Prozent eingebrochen, in Sachsen waren es sogar 70 Prozent. So kann es nicht weitergehen!

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Beide Länder werden profitieren, wenn die Sanktionen aufgehoben und neue Sanktionen ausgeschlossen werden. Die Gaspipeline Nord Stream 2 hat strategische Bedeutung, sie dient dem Wohlstand und der Energieversorgung unserer Bürger. Wir lassen uns dieses wichtige Projekt nicht mit völkerrechtswidrigen Sanktionsdrohungen austreiben – von niemandem! Rußland ist auch kulturell und politisch ein integraler Bestandteil Europas. Deutschland ging es immer dann gut, wenn es gute Beziehungen zu Rußland pflegte. Mit dem Kommunismus haben die Russen einen Zivilisationsbruch erlitten. Wie wir Deutschen haben auch die Russen die Irrwege der Vergangenheit hinter sich gelassen. Die Herausforderungen der Zukunft können wir nur gemeinsam bewältigen!

Entschlossenheit wird respektiert

Alle europäischen Völker stehen vor denselben Problemen: Armutsmigration, Deindustrialisierung, Überalterung. Beiderseitiges Vergeben und Aussöhnen ist nötig, um diese Gefahren gemeinsam meistern zu können. Richten wir den Blick in die Zukunft. Auf keinen Fall dürfen wir bei Rußlands westlichen Nachbarn mit Waffenbrüderschaften im Zweiten Weltkrieg auf Werbefeldzug gehen. Gerade in der Ukraine lassen sich junge Leute mit neonazistischen Parolen gegen die Russen aufstacheln. Aus Naivität, falscher Berechnung oder fehlgeleitetem Nationalismus lassen sie sich als Spielball hegemonialer Interessen in einem weltpolitischen Spiel mißbrauchen, das sie nicht verstehen. In diese Falle dürfen wir niemals gehen!

Bei meinen Besuchen in Rußland habe ich deutsche Interessen mit Entschlossenheit vertreten. Gerade dafür wird man im Ausland respektiert. Als ich an der deutschen Kriegsgräberstätte Krasnogorsk einen Kranz der AfD-Bundestagsfraktion niederlegte, erwies ich unseren gefallenen Großvätern öffentlich die Ehre. Zwischen Europäern im Westen und Europäern im Osten darf es nie wieder Krieg geben – weder kalten noch heißen. So sieht es das Volk, anders sehen es nur die Eliten und Eurokraten. Wir brauchen eine gemeinsame Zukunftsvision: ein Europa von Lissabon bis Wladiwostok!

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Tino Chrupalla ist Bundessprecher der AfD und neben Alice Weidel Spitzenkandidat der Partei im Bundestagswahlkampf. 

Für AfD-Chef Tino Chrupalla ist ein gutes deutsch-russisches Verhältnis nicht verhandelbar (Symbolbild) Foto: picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB | Patrick Pleul
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