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Identitätspolitik: Neuer totalitärer Furor

Identitätspolitik: Neuer totalitärer Furor

Identitätspolitik: Neuer totalitärer Furor

Regenbogenfahne auf einem Protest der „Black lives matter“-Bewegung in den USA
Regenbogenfahne auf einem Protest der „Black lives matter“-Bewegung in den USA
Regenbogenfahne auf einem Protest der „Black lives matter“-Bewegung in den USA (Archivbild)Foto: picture alliance / dpa
Identitätspolitik
 

Neuer totalitärer Furor

Die Linke paßt Begriffe, Organisationen und Bewegungen ihrem Weltbild an und nutzt diese zur Machtsicherung. Linke Identitätspolitik bestimmt die Agenda. Doch diese Ideologie verstrickt sich in Widersprüchen. Ein Kommentar von Fabian Schmidt-Ahmad.
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Stolz präsentierte der Schauspieler Alexander Klaws ein Foto von sich mit Thomas Gottschalk, wie sie die berühmtesten deutschen Amerikaner darstellen – Winnetou und Old Shatterhand. Mit dem anschließenden Gezeter in den sozialen Medien dürfte er nicht gerechnet haben. Denn Klaws ist in Deutschland geboren. Winnetou zwar auch – genauer in Karl Mays Phantasie –, jedoch gehört er laut diesem zum Volk der Apachen. Und so etwas geht gar nicht. Zumindest für den progressiv empörten Linken.

„Cultural appropriation“ nennt das der linke Ideologe, eine „kulturelle Aneignung“. Die Erzählung geht etwa so: Weiße Männer erobern die Welt, unterdrücken andere Völker, zwingen diesen ihre Werte auf; im Gegenzug eignen sie sich deren Kulturgüter an und gliedern sie in ihr Herrschaftssystem ein. Wie auch der Römer fremde Götter nicht etwa als charmante Geste in sein Pantheon aufnahm, sondern um den Widerstand besiegter Völker nachhaltig zu brechen, sei hier Machthunger und nicht Neugier das Motiv.

Diese Absicherung von Privilegien sei subtil und kaum wahrnehmbar. Nur der „woke“, der aufgewachte Linke erkennt sie durch „kritische Weißseinsforschung“ und andere lustige Begriffe. Mit diesen wird dann verschiedenen Gruppen versucht einzureden, wie sie von Weißen unterdrückt werden und sich daher gefälligst zu wehren haben. Hilft das nicht, lassen sich die von der „Critical Race Theory“ ausgesuchten Opfergruppen nicht aufwiegeln, muß der Linke selbst zur Tat schreiten.

Linke hatten nie ein gutes Verhältnis zur Wirklichkeit

Dann kann es schon passieren, daß ein lilienweißer US-Antifa-Mob im Namen von „Black Lives Matter“ eine Ladenzeile niederbrennt und damit die Lebensgrundlage von schwarzen Mittelständlern vernichtet. Denn linke Ideologen und Wirklichkeit hatten nie ein gutes Verhältnis, noch nicht einmal ein dialektisches. Ebenso sicher ist, daß sie in ihrem edlen Streben nach einer gerechten Welt humorlos sind und ihr größtes Talent gar nicht würdigen: die Massenproduktion intellektuell verbrämten Unsinns.

Deutlich machten das Peter Boghossian, James Lindsay und Helen Pluckrose, die sich 2017 und 2018 den Spaß erlaubten, Nonsens-Texte zu linker Identitätspolitik in Fachzeitschriften zu veröffentlichen. Hohn und Spott sind natürliche Reaktionen auf den Klamauk, der in geisteswissenschaftlichen Fakultäten ausgebrütet wird. „Haß und Hetze“ in der Sprache der Linken, die schmollend in steuerfinanzierten „Safe Spaces“ die nächste Opfergruppe ersinnen, die nächste Weltrevolution planen.

Zunächst ist es amüsant, wenn sich linke Ideologen in einem Widerspruch nach dem anderen verheddern: Geschlecht als soziale Konstruktion des weißen Manns postulieren und gleichzeitig Frauen als unterdrückte Opfer dieses Konstrukteurs. Oder die Nichtexistenz menschlicher Rassen behaupten und dann Schwarzen, Latinos und sonstigen angeblich nicht existenten Gruppen einhämmern, sie würden von der weißen Rasse ausgebeutet. Ja, dagegen muß man aufbegehren, seine Gruppenidentität als Transsexueller, Schwarzer oder was auch immer abfeiern. Denn sonst bist du nichts.

Aus Unfug wird Gesetz

Tatsächlich ist die Identitätslinke nur ein Neuaufguß des Bolschewismus, bei dem der einzelne nichts, das unendlich formbare Kollektiv aber alles ist. Spätestens wenn unbedarfte, doch glaubensfeste Jünger in Positionen geraten, aus denen sie anderen ihren Willen aufzwingen, wird einem das Lachen vergehen. Es ist dann nicht mehr Unfug, wenn zum Beispiel die Frauenquote zum Gesetz wird, mit dem in intimste Verhältnisse hineinregiert werden kann.

Sinnlos dann den neuen Machthabern erklären zu wollen, daß ein solches Gesetz rechtswidrig ist, weil es in die Freiheitsrechte eingreift, weil es für Gruppen Sonderrechte erfindet, weil es Probleme sieht, wo es keine gibt. Ihre Beschränktheit haben sie bereits bewiesen. Wer Zensor spielt, weil bestimmte Wörter und grammatische Endungen als nicht mehr zulässig erklärt worden sind, mit dem ist es müßig, über Freiheit und Würde des einzelnen zu sprechen.

Die Identitäts-Linke vereinnahmt Bewegungen

Die Liebe zum totalitären Furor scheint linkes Gemeingut zu sein. Würden sie wirklich kritisch hinterfragen, müßten sie zugeben, daß sie selbst Aneignungen zur Herrschaftssicherung betreiben, angefangen bei Karl Marx. Nichts falscher als zu behaupten, Marx hätte das Schicksal der Arbeiterschaft persönlich gerührt. Er benötigte sie als Vehikel, als Abbruchhammer für die verhaßte bürgerliche Gesellschaft.

Und so alle linken Ideologen nach ihm. Kaum eine sich entfaltende soziale Bewegung, die nicht im Nu von lärmenden Linken übernommen wurde, die jeden anderen verdrängten. Dann wird erst einmal der Weg ins irdische Paradies diskutiert. Oder glaubt wer, daß Maoisten wie Jürgen Trittin oder Winfried Kretschmann damals plötzlich die Liebe zur Natur überkam?

Die Identitäts-Linke hat recht: Es geht um die Infiltration und Okkupation von Organisationen, Gruppen, Bewegungen, kurz: um die Akkumulation von Macht. Alles, was ihr im Wege steht, was dem einzelnen eine eigenständige Tradition und Geschichte vermitteln, wodurch er eine nur ihm allein zukommende Identität finden könnte, ist ihr zuwider. Das ist das Motiv hinter „Cancel Culture“: der Haß auf den höheren, den geistigen Menschen.

Diese Pseudohumanität zu entlarven ist Aufgabe echter Identitätspolitik. Und manchmal ist der Weg einfach. „Mein Vater ist vom Stamm der Lakota, meine Mutter von den Dakota“, sagte der in Berlin lebende Schauspieler Robert Packard der Berliner Zeitung. „Fragen Sie mal meine Brüder und Schwestern, ob sie sich an den Geschichten von Karl May um Freundschaft und Verständigung stören! Sie werden keinen finden. Diese Bevormundung durch Außenstehende, sie macht wirklich wütend.“

JF 49/20

Regenbogenfahne auf einem Protest der „Black lives matter“-Bewegung in den USA (Archivbild)Foto: picture alliance / dpa
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