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Der Fall El-Hassan: Der Hunger nach Diversität

Der Fall El-Hassan: Der Hunger nach Diversität

Der Fall El-Hassan: Der Hunger nach Diversität

Vorerst kann Nemi El-Hassan doch keine Karriere beim WDR machen Foto: picture alliance / dpa | Florian Kleinschmidt
Vorerst kann Nemi El-Hassan doch keine Karriere beim WDR machen Foto: picture alliance / dpa | Florian Kleinschmidt
Vorerst kann Nemi El-Hassan doch keine Karriere beim WDR machen Foto: picture alliance / dpa | Florian Kleinschmidt
Der Fall El-Hassan
 

Der Hunger nach Diversität

Jetzt ist es doch noch passiert. Nach einigem Zögern legt der WDR die Zusammenarbeit mit der unter Antisemitismusverdacht stehenden Moderatorin Nemi El-Hassan auf Eis. Der stehen jedoch auch prominente Journalisten bei. Hat der Wunsch nach mehr Diversität den WDR blind gemacht? Ein Kommentar.
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Nun also doch. Der WDR zieht Konsequenzen aus dem Antisemitismus-Skandal um seine Moderatorin Nemi El-Hassan und entzieht ihr die geplante Moderation der Wissenschaftssendung „Quarks“. Also natürlich nur vorerst. Die Verantwortlichen bei der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt wollen ja schließlich nicht gleich das Kind mit dem Dampfbad ausschütten und einer aufstrebenden Kollegin einfach so für alle Zeiten die Karriere ruinieren. Das ist sehr kollegial.

Es ist auch eine durchaus maßvolle Entscheidung. Vor allem aus Sicht des Kölner Rundfunkhauses. Schließlich hat die heute 28jährige ihre Teilnahme am juden- und israelfeindlichen Al-Quds-Marsch 2014 in einem intern mit ihr geführten Gespräch ganz selbstkritisch als Fehler bezeichnet. Außerdem erklärte sie, während der Demonstration keine judenfeindlichen Parolen skandiert zu haben und „keine Menschen jüdischen Glaubens körperlich angegriffen“ zu haben. Das hätte ihren Vorgesetzten eigentlich bereits genügt, um sie nicht weiter für ihre „Jugendsünden“ büßen zu lassen.

Viel wichtiger als die ideologischen Abwege, auf denen die islamische Moderatorin früher mitmarschiert ist, ist für die Leitung der „gemeinnützigen Anstalt des öffentlichen Rechts“, daß sie mittlerweile die vermeintlich richtige Einstellung und zudem den richtigen kulturellen Hintergrund hat. Auch war ihre „frühere“ Gesinnung für den WDR – so ist zu vermuten – allenfalls die Übertreibung einer Haltung gewesen, gegen die man an sich gar nichts einzuwenden hat.

Der Druck in den Redaktionen ist hoch

Völlig anders würde die Sache freilich aussehen, wenn sich die Journalistin früher einmal in rechtsextremen Kreisen bewegt hätte und heute für sich in Anspruch nehmen würde, eine demokratische Rechtskonservative zu sein. Die Chancen, daß beispielsweise ein Martin Sellner beim WDR auch nur einen Aushilfsjob in der Sender-Kantine bekommen würde, sind in etwa so groß wie die Chancen, von Bushido auf ein unbehelligtes Leben in Berlin nach seiner Trennung von der Abou-Chaker-Familie. Auch ein aktives oder auch nur ehemaliges Mitglied der AfD oder der Jungen Alternative dürfte wenig Aussicht darauf haben, bei den Sender-Bossen auch nur vorsprechen zu dürfen.

Jeder rechte Medienschaffende, der noch private Kontakte zu Kollegen hat, die bei den öffentlich-rechtlichen Medien tätig sind, wird wissen, wie groß der Druck in den Redaktionen ist, der auf jeden ausgeübt wird, der auch nur in den Verdacht gerät, er könnte politisch irgendwie rechts des linken Mainstreams stehen. Die Angst, daß eine private Beziehung zu einem, den das System aufgrund seiner politischen Gesinnung bereits ausgespien hat, ans Licht kommen könnte, hat schon manch innige Freundschaft enden lassen. Die Furcht der Unenttarnten vor der Enttarung ist verständlich und wohlbegründet.

Wissen wir doch spätestens seit der „Skandal-Feier“ zum 65. Geburtstag von Matthias Matussek, daß das Private im kulturmarxistischen Medienzeitalter inzwischen so politisch geworden ist, daß bereits die Gästeliste einer solchen Privatparty zum Politikum werden kann. Für die Ausgrenzer und Reinhalter des eigenen Betriebs ist diese Form der Kontrolle nur Teil der Meinungsfreiheit, zu der es eben auch gehöre, daß man im Zweifel die Konsequenzen für seine Meinung – oder auch die Meinungen seiner Freunde – zu tragen habe.

Kollegen springen El-Hassan zur Seite

Die Zeiten, in denen es zum Beruf des Journalisten gehörte, seine Fühler in möglichst viele politische und gesellschaftliche Kreise auszustrecken, um vertrauensvolle Kontakte zu haben, die er, wenn es drauf ankommt, für eine möglichst authentische Berichterstattung anzapfen kann, sind lange vorbei. Natürlich ist auch im modernen Journalismus noch einiges an politischer und ideologischer Offenheit möglich; nur eben nicht nach rechts. Das zeigen auch die Reaktionen, die die Causa El-Hassan in der Medien-Bubble ausgelöst hat.

Für viele ihrer Kollegen von der schreibenden Zunft war das, was der jungen Journalistin, die seit ihrem 17. Lebensjahr im Alltag bewußt Hidschāb trägt – und in der Vergangenheit bereits mehrere Artikel und Kolumnen für die taz, den Tagesspiegel und Die Zeit geschrieben hat, lediglich eine lang zurückliegende Teilnahme an einer „umstrittenen Demonstration“. Patrick Bahners, Leiter des Ressorts Geisteswissenschaften bei der einst konservativen FAZ, verstieg sich gar zu einer Verteidigung des gerade verhinderten Presse-Shootingstars. Dem für seine moderate Islamkritik bekannten Autor Ahmad Mansour warf Bahners via Twitter vor, im Fall Nemi El-Hassan, „islamfeindliche Legenden“ zu verbreiten.

Als ein Nutzer ihn darauf hinwies, daß die Moderatorin am  Al-Quds-Marsch teilgenommen hat und Islamismus verharmlose, offenbarte Bahners eine Geisteshaltung, die man in dieser Form wohl eher in einem Hinterzimmergespräch mit führenden DITIB-Funktionären erwartet hätte.

 

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Auch Ohanwe mischt mit

„Ihre Wortwahl ‘Islamismus verharmlost’ setzt im Übrigen ohne Grund voraus, daß Islamismus per se etwas Schlechtes ist“, twitterte der Autor von so bezeichnenden Büchern wie „Sie sind wieder da. Warum wir den neuen deutschen Nationalismus nicht mehr loswerden“ oder „Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam“. Bahners tritt auch mal bei einer Veranstaltung der in früheren Jahren vom Verfassungsschutz beobachteten linksradikalen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA e.V.) auf.

Zu den eifrigsten Verteidigern der Moderatorin mit dem Islamismus-Hintergrund gehört auch Malcolm Ohanwe. Ebenfalls Journalist beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ebenfalls schon durch antisemitisch gefärbte „Israelkritik“ aufgefallen. Daß der Zwangsgebühren-Rundfunk gegenüber bestimmten Formen von ideologischer Radikalität und Extremismus so nachsichtig ist, könnte auch an dem Selbstverständnis und den Zielen des derzeitigen Medien- und Kulturbetriebs liegen.

Dort gilt Diversität als gesamtgesellschaftliches Ideal und internes Qualitätsmerkmal. Je vielfältiger, desto besser, heißt das herrschende Credo. Dieses um jeden Preis bunt sein wollen, führt auch und gerade bei den öffentlich-rechtlichen Medien, die für sich ja einen besonderen Volkserziehungsauftrag beanspruchen, zu einem immer größeren Hunger nach fernsehtauglichen bunten Gesichtern.

WDR distanziert sich nur halbherzig

Beim WDR ist dieser Hunger inzwischen so groß, daß der Sender eine offenkundig islamistisch geprägte Neumoderatorin anfangs noch nicht einmal vorübergehend freistellen wollte. Erst als der Druck von außen zu groß wurde und immer aktuellere Tweets der angeblich geläuterten Kollegin auftauchten, gaben die gebührenfinanzierten TV-Chefs nach und veröffentlichten eine halbherzige Erklärung, in der sie den ebenso halbherzigen vorübergehenden Verzicht auf eine Zusammenarbeit mit Nemi El-Hassan verkündeten.

Dennoch dürfte ihr eine glänzende Zukunft im deutschen Journalismus bevorstehen. Vorausgesetzt, sie geht nie mit einem rechten Kollegen essen – oder läßt sich zumindest nicht dabei erwischen.

Vorerst kann Nemi El-Hassan doch keine Karriere beim WDR machen Foto: picture alliance / dpa | Florian Kleinschmidt
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