Was früher der Experte war, ist heute der Betroffene. Zumindest in der medialen Welt hat sich dadurch nicht so viel geändert. Denn genau wie einst der Expertenstatus der durch die „Brennpunkte“ und Sondersendungen tingelnden journalistischen Vortragsreisenden häufig vor allem darauf beruhte, daß sie ihre Meinung zu den aktuellen Aufreger-Themen in möglichst komplizierte und damit kompetent klingende Worte verpacken konnten, gilt der „Betroffene“ von heute oft vor allem deshalb als solcher, weil er die eigene vermeintliche Betroffenheit immer wieder so weinerlich wie nur möglich betont und sich damit in den Vordergrund und die Fernsehstudios drängt.
Die Autorin Alice Hasters ist Rassismus-Betroffene. Das wissen wir, weil sie es uns tagtäglich auf Twitter mitteilt; wo sie sich von morgens bis abends mit den Themen Rasse, Herkunft, Hautfarbe (in allen Feinheiten und Schattierungen) und der dazugehörigen Identität auseinandersetzt. Und zwar in einer geradezu wahnhaften Intensität und Akribie, die man so heutzutage wohl selbst in politisch sehr rechten Kreisen nur noch äußerst selten finden wird.
Auch ein Buch hat die Journalistin dazu bereits geschrieben und damit einen Spiegel-Bestseller gelandet. In „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ hat sie zumindest schon mal vieles von dem zu Papier gebracht, was sie weißen Menschen schon immer über Rassismus erzählen wollte.
Auf den Spuren Erdogans
Das durfte die Deutschamerikanerin aus Köln Nippes nun auch anläßlich des Integrationsgipfels der Bundesregierung auf dem Flaggschiff der öffentlich-rechtlichen Polit-„Aufklärung“, den ARD-„Tagesthemen“. Dort sprach die Podcasterin kürzlich einen Kommentar ein und – man mag es kaum glauben – bewegte sich dabei fast schon auf den Spuren Recep Erdogans.
Wobei: Eigentlich setzte sie sogar noch einen drauf. Denn während der türkische Kultur-Imperator die in Deutschland lebenden Türken einst vor „Assimilation“ warnte, weil dies ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ sei, ist der postmodernen Kultur-Revolutionärin bereits der Gipfel-Begriff „Integration“ ein Dorn im Auge. Stattdessen fände sie „einen Antirassismus Gipfel ja mal angebracht“, wie sie auf Twitter schreibt und ihrem Meinungsbeitrag fürs Erste ausführt.
Ich fände einen Antirassismus Gipfel ja mal angebracht. Mein Meinungsbeitrag in den Tagesthemen. https://t.co/oOYhEeheeZ
— Alice Hasters (@alicehasters) March 9, 2021
„Offensichtlich ist, was dieses Land plagt: Rassismus“, behauptet Hasters in der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der sie auch gleich die Schuldigen parat hat und anmahnt, daß, wie könnte es anders sein, sich der Staat darum kümmern müsse. Nämlich, daß Migranten, die nach Deutschland kommen, auch voll und ganz in allen Bereichen der deutschen Gesellschaft ankommen – oder zumindest, soweit sie es selbst möchten.
Der Satz „Integration ist keine Einbahnstraße“ sei eine Floskel, die schon seit Jahrzehnten herumgeistere, nur würden die staatlichen Institutionen bisher nicht danach handeln, so der Vorwurf der Verfasserin. Beim Integrationsgipfel ginge es seit 15 Jahren vor allem um eines: „Was die ‘zu Integrierenden’, also Geflüchtete und EinwandererI*nnen, leisten müßten, damit es gut läuft in dieser Gesellschaft.“
Daß die Journalistin die Anführungszeichen mit ihren Fingern fälschlicherweise bei „zu Integrierenden“ gesetzt hat und nicht, wo sie eigentlich hingehören, bei „Geflüchtete“: geschenkt! Das kann schon mal passieren in der Aufregung. Schließlich war Hasters trotz ihres gut gepflegten Opferstatus noch nicht allzu oft im Fernsehen.
Nur der Staat ist verantwortlich
Daß sie aber einiges offensichtlich mißverstanden oder zumindest nicht ganz mitbekommen hat, zeigt die Publizistin, indem sie behauptet, aus der Sicht der Regierung seien vor allem wirtschaftliche Aspekte das Kriterium für eine gelungene Integration, weshalb die höchste Priorität darin liege, daß alle so schnell wie möglich arbeiten sollten.
In der Theorie mag dieser angebliche Anspruch der Regierung (mit viel Fantasie) ja vielleicht noch irgendwie vorhanden sein. In der Praxis ist und war die Einwanderung von „Geflüchteten“ in den meisten Fällen vor allem eine in das deutsche Sozialsystem; und das nicht erst seit den großangelegen Wirtschaftsvernichtungsmaßnahmen während der „Corona-Pandemie-Bekämpfung“.
Daß für wichtige gesellschaftliche Aufgaben wie „das Bekenntnis zu Deutschland als Einwanderungsland“ und alles, was Hasters und Co. sich sonst noch für die hiesige Gesellschaft wünschen, zu allererst der Staat verantwortlich ist, und nicht die dazu sowieso unfähige Wirtschaft oder gar die Menschen selbst, überrascht wenig.
Das Gleiche gilt für ihre „Warum werde ich nicht satt?“-Mentalität, wenn es um die staatlichen Mittel bei der Bekämpfung des größten aller Probleme im Land geht: dem allgegenwärtigen Rassismus. Der sei zwar auf Angela Merkels letztem Integrationsgipfel endlich thematisiert worden, „aber viel zu wenig“ und „viel zu unkonkret“.
Es wird ihr nie genug sein
Die Förderung von Migranten-Selbstorganisation oder eine Aktionswoche gegen Rassismus sind für Hasters lediglich ein „nice try“. Für das Profiopfer steht fest: „Es braucht noch mehr.“ Für jeden, der den „Tagesthemen“-Kommentar der antirassistischen Raupe Nimmersatt gehört hat, sollte klar sein: Es wird ihr nie genug sein.
Hasters will keine schnöden Projekte wie Sprachkurse oder Ausbildungsförderprogramme für Zuwanderer. Die würde schließlich auch die Einwanderer selbst ein Stück weit in die Pflicht nehmen. Hasters will, wie sie selbst sagt, einen „Paradigmenwechsel“: „weg von Integration, hin zu der Bekämpfung von Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“.
Das bedeutet in der linken PoC-Blase, in der die Internetgröße lebt, in etwa: Egal, was schiefgeht, egal, wie sehr „ein Mitglied unserer Community“ es auch verbocken mag, schuld ist immer der weiße Mann.
Dank dem guten Händchen, daß die „Tagesthemen“-Redaktion hier einmal mehr bei der Auswahl ihrer politischen Kommentatoren bewiesen hat, ist dies nun endlich auch Menschen außerhalb von Twitter bekannt und hoffentlich bewußt geworden.