Ein Gefühl des „Irgendwie hatten wir das alles schon mal“ geht um in Deutschland und Europa. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2015 die Grenzen zwar nicht de jure aber de facto öffnete, strömten in der Folge Hunderttausende Wirtschaftsmigranten, Asylsuchende und Flüchtlinge ins Land.
Deutschland, oder viel mehr seine Öffentlichkeit, war in einem moralisch induzierten Willkommensrausch ganz vorne dabei, wenn es darum ging, noch mehr freie Plätze zu schaffen, noch mehr kulturfremde Personen hereinzuholen. Wir wissen auch, was die Folgen waren, politisch wie gesellschaftlich.
Und ebenso reagierten Gegner der Masseneinwanderung mit Häme, wenn in den Zeitungen mal wieder zu lesen war, wie sich ein eher wohlhabendes und damit meist Grün wählendes Wohnviertel einer Großstadt erfolgreich einer Asylunterkunft entzog. Oder wenn Untersuchungen ergaben, daß gerade Mieter in den unteren Preissegmenten mit den Einwanderern um bezahlbaren Wohnraum konkurrieren und nicht die Besitzer von Dachgeschoßwohnungen.
Mit „Wir“ meint die Zivilgesellschaft natürlich nicht sich selbst
Jetzt ist es wieder so weit. Zwar sind die Einwanderermassen noch relativ weit weg, harren in Lagern auf einer griechischen Urlaubsinsel oder vor der Grenze in der Türkei aus. Doch die Willkommenskulturschaffenden und die Asylprofiteure laufen wieder zur Hochform auf. Am Dienstag mündeten ihre als Mitgefühl getarnten radikalen Forderungen im Hashtag #WirHabenPlatz.
Mit „Wir“ meint die twitternde Zivilgesellschaft natürlich nicht sich selbst, sondern den Staat, der von Nettosteuerzahlern am Laufen gehalten wird. Und mit „haben Platz“ meinen sie was? Die Dörfer, die noch keine Flüchtlinge haben und deshalb unbedingt welche aufnehmen können (müssen), wie ein Fridays-For-Future-Ableger schrieb.
Ausgerechnet Carola Rackete, die früher Afrikaner über das Mittelmeer nach Europa kutschierte, zwischendurch das Klima zu retten versuchte und nun wieder ihre alte Berufung gefunden zu haben scheint, rief zu Demonstrationen für die Aufnahme von Migranten unter dem Motto „Wir haben Platz“ auf. Also jene Carola Rackete, die vor wenigen Monaten noch dem Spiegelerzählte, daß sie auf längere Sicht nicht in Deutschland bleiben wolle, weil dort zu viele Menschen auf zu engem Raum wohnten.
Liebe Alle,
bitte geht heute auf die Straße um einzufordern, dass die 100+ Städte, die aufnehmen wollen, das auch dürfen! #WirHabenPlatz
Für ein solidarisches Europa, in dem Menschenrechte für alle gelten!#GrenzeÖffnen #LebenRetten https://t.co/JAvcKLOBd9
— Carola Rackete (@CaroRackete) March 3, 2020
Auch Luisa Neubauer, die in der Fridays-For-Future-Bewegung gerade geschwächt dasteht, sammelt fleißig Twitter-Herzchen, indem sie sich beklagt, daß gerade „liebevoller über Grenzen als über fliehende Menschen gesprochen“ werde, obwohl „so viele“ hinter „Wir haben Platz“ und „Menschenrechten“ stünden. Dazu bittet die einer wohlhabenden Familie entstammende Studentin ihre Anhänger, eine Petition mehrerer Grünen-EU-Abgeordneter zu zeichnen, in der unter anderem gefordert wird, Deutschland solle „ein Kontingent von Geflüchteten aus Griechenland“ aufnehmen.
Heuchelei der gespielten Solidarität
Die Heuchelei dieser gespielten Solidarität fällt ihnen offenbar nicht auf. Oder wieso werben sie nicht für die mittlerweile zahlreichen Projekte, bei denen man Flüchtlinge finanziell unterstützen oder ihnen eine Unterkunft bieten kann, so ganz privat und auf eigene Kosten? Wieso gründen die „Seebrücke“-Demonstranten keine Hilfsorganisation und helfen Migranten in den griechischen und türkischen Lagern oder gar direkt in Syrien oder Afrika?
Die Einwanderer, die heute an den Toren der Europäischen Union harren, könnten in wenigen Wochen schon vor den Toren Hamburgs, Berlins und Münchens stehen. Werden die „Wir haben Platz“-Rufer dann eigenverantwortlich handeln? Oder werden sie sich hinter dem ominösen „Wir“ verstecken und die Gesellschaft zur Kasse bitten? Aus Erfahrung lautet die Prognose: Die Heuchelei, sie geht weiter.