Lange wurde geraunt, nun herrscht Gewißheit: Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft den „Flügel“ der AfD „als gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ ein. Damit erwies sich zumindest das als falsch, was in jüngster Zeit so heiß in der Gerüchteküche brodelte, nämlich daß die Beobachtung der gesamten Partei durch den Inlandsnachrichtendienst unmittelbar bevorstehe.
Wer Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang auf der Pressekonferenz heute vormittag zuhörte, der erlebte keinen nüchternen Verwaltungsjuristen, sondern einen politischen Prediger des „zivilgesellschaftlichen“ Zusammenhalts. In seinen Mahnungen und Warnungen ging es wenig um klar meßbare Angriffe auf die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, auf die grundlegenden Freiheitsrechte, auf Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, auf das Mehrparteienprinzip oder auf die Unabhängigkeit der Gerichte.
Nicht auf die leichte Schulter nehmen
Statt dessen war viel von „geistiger Brandstiftung“ die Rede, von der Verantwortung aufgrund unserer Geschichte angesichts einer „historischen Blutspur“ und von einem „geschlossen völkisch-ideologischen Weltbild“, welches die führenden „Flügel“-Protagonisten verträten.
Nun gibt es – auch innerhalb der AfD – nicht wenige, denen der „Sound“ eines Björn Höcke nicht gefällt, die das verbale Getöse, Fahnengeschwenke und Ordenverleihen bei Kyffhäusertreffen als bizarren Politklamauk ablehnen. Aber das sind politische Urteile, keine verfassungsrechtlichen Maßstäbe. Und warum jemand, der einen ethnisch-kulturellen Volksbegriff vertritt, ein Verfassungsfeind – nichts anderes ist ja ein Extremist – sein soll, wurde in den Ausführungen des obersten Verfassungsschützers auch nicht klar.
Auf die leichte Schulter sollte die Partei das nun verkündete Ergebnis dennoch nicht nehmen. Das amtliche verliehene Siegel „Rechtsextremist“ an zwei ihrer Landesvorsitzenden (von denen einer Mitglied des Bundesvorstands ist) wird der AfD nun landauf landab von politischen Gegnern wie Medien vorgehalten. Und es wird die Suche nach geeigneten Veranstaltungsräumen, vor allem aber nach gut qualifizierten, im bürgerlichen Leben fest verankerten Mitstreitern und -arbeitern nicht gerade erleichtern.
„Rote Linien“ der JA wurden offenbar bemerkt
An den stabilen Wahl- und Umfrageergebnissen für die AfD wird sich dadurch kurzfristig – vor allem im Osten der Republik – so schnell nichts ändern. Denn daran hat vor allem die schwache Leistungsbilanz der anderen, in erster Linie der regierenden Parteien den größten Anteil. Es gehört nicht viel Mut dazu, diese Wahrheit auszusprechen.
Eines sollte indes nach der heute verkündeten Entscheidung der Verfassungsschützer nicht unter den Tisch fallen: Die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) wurde nicht zum „Beobachtungsobjekt“ heraufgestuft. Deren Vorstand blieb innerhalb der vergangenen zwölf Monate nicht untätig, sondern zog „rote Linien“ und ging mit Ausschlußverfahren gegen Leute, sogar einen ganzen Landesverband, vor, die den Bogen überspannt hatten. Diese Signalwirkung hat man in der Kölner Behörde ganz offensichtlich wahrgenommen.