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TV-Duell vor US-Wahl: Der neue Trump

TV-Duell vor US-Wahl: Der neue Trump

TV-Duell vor US-Wahl: Der neue Trump

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US-Präsident Donald Trump hört während des zweiten TV-Duells dem Herausforderer der Demokraten, Joe Biden, zu Foto: picture alliance / AP Photo
TV-Duell vor US-Wahl
 

Der neue Trump

Hart in der Sache, rhetorisch gezügelt und immer gegen das alte Establishment: Das TV-Duell mit Herausforderer Joe Biden zeigt die Strategie der Republikaner für den Endspurt des Wahlkampfs von US-Präsident Donald Trump. Eine Analyse von Jürgen Liminski.
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Donald Trump ist immer für eine Überraschung gut. Diesmal hat er sich sozusagen neu erfunden. Bei dem zweiten und letzten TV-Duell zwölf Tage vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen präsentierte er sich nicht wie so oft und vor allem beim ersten TV-Treffen als politischer Rüpel, sondern als zwar kämpferisch aber rhetorisch gezügelt und als vorwiegend argumentativer Gegner. Das haben die Demokraten und ihr Kandidat Joe Biden offenbar nicht erwartet.

Das mag auch am neuen Format gelegen haben, aber hier wurde auf jeden Fall eine neue Strategie für die Endphase des Wahlkampfs sichtbar. Trump stellte Biden als Vertreter des Establishments, des alten politisch-medialen Systems mit all seinen Schwächen dar. Wegen dieses Systems, wegen Biden und Obama sei er vor vier Jahren angetreten. Die Botschaft für die Endphase des Wahlkampfs lautet: Gegen diese alte, korrupte und selbstverliebte politische Klasse trete ich auch jetzt wieder an.

Konsequenterweise wandelte Trump die Debatte in einen Vergleich der Präsidentschaft Obama/Biden gegen die vier Jahre Trump. Immer wieder zog er Vergleiche der beiden Regierungen und warf Biden vor, acht Jahre lang nichts gemacht zu haben und jetzt mit Wahlversprechen zu kommen, die er längst hätte verwirklichen können. Biden war offensichtlich überrascht und fand erst ganz am Schluß ein Argument gegen diese Strategie, indem er sagte, die Republikaner hätten mit ihrer Mehrheit im Kongreß Reformen verhindert.

Trump kontert mit Anspielung auf Ukraine-Affäre

Es kam zu spät, um dieses Duell zu gewinnen und wird den Kritikern Recht geben, die meinen, Biden sei langsam, ja schläfrig. So wirkte er allerdings über weite Strecken in der anderthalbstündigen Debatte nicht. Als es um die Kinder von Migranten ging oder überhaupt um soziale Fragen, war „sleepy Joe“ sogar ziemlich leidenschaftlich.

Und bei der Frage der Einmischung ausländischer Mächte in die Wahlen nannte er China, Rußland und den Iran beim Namen und gab sich sogar drohend kämpferisch: „Wer sich in diese Wahlen einmischt, wird einen Preis dafür bezahlen.“ Nur einige Male verhaspelte er sich, an anderer Stelle sprach er manche Sätze wie auswendig gelernt.

Trump wirkte beherrscht und konzentriert, hörte aufmerksam zu und konterte mit Anspielungen auf die Ukraine-Affäre von Bidens Sohn Hunter oder auf Millionenhonorare, die die Familie Biden aus Rußland erhalten habe, was Biden natürlich als Lüge darstellte. Er habe niemals auch nur einen Cent aus ausländischen Quellen erhalten.

Immer wieder bezichtigte er Trump der Lüge und offenbarte damit die Strategie der Demokraten für diese Debatte und den Endspurt der Wahlen: Trump als Charakterproblem darzustellen, persönlich und für die USA.

Am Ende griff er die Frage der Moderatorin wie eine Steilvorlage auf und sagte in die Kamera, als hätte er es lange vor dem Spiegel geübt: „Das ist der Einsatz bei diesen Wahlen: Der Charakter dieses Landes. Die Anständigkeit, die Ehre, der Respekt, die Menschen mit Würde zu behandeln. Sichergehen, daß jeder seine Chance bekommt. Dafür werde ich sorgen. Das haben Sie die letzten vier Jahre nicht erlebt.“

Biden setzt auf erneuerbare Energie

Irgendwie lief dieser Charakter-Angriff nach dem Verhalten Trumps in dieser Debatte ins Leere. Insgesamt aber sahen – nach ersten Schätzungen – mehr als siebzig Millionen Amerikaner einen Schlagabtausch, bei dem es schwierig ist, einen Gewinner zu nennen.

Jedes Lager wird seinen Kandidaten als Gewinner ausrufen, die deutschen Medien, vor allem die öffentlich-rechtlichen, werden vermutlich Biden als Punktsieger sehen. Dasselbe könnte man von Trump zugestehen. Sicher ist, daß es keinen Verlierer gab. Man wird jetzt die Aussagen einem Faktencheck unterziehen. Aber wie will man Versprechen auf die Zukunft auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen?

Beispiel Klima: Auf die Frage der Moderatorin, wie man die Umwelt schonen wolle, ohne Arbeitsplätze aufs Spiel zu setzen, meinte Trump: „Wir haben die sauberste Luft und das klarste Wasser und den geringsten CO2-Ausstoß seit Jahrzehnten“. Er sei gegen Windräder und für Sonnenenergie, die allerdings noch nicht genügend ausgereift sei, um alle „unsere großen und schönen Fabriken zu versorgen“.

Biden dagegen setzt ganz auf die erneuerbaren Energien und will auf Öl und Gas so früh es geht verzichten. In diesem Zusammenhang wurde, das sei am Rande vermerkt, das einzige Mal Deutschland genannt und zwar als Beispiel für die ungeheuren Kosten einer Energiewende.

Unüberbrückbare verbale Gegensätze auch beim Thema Rassismus. Biden sieht einen „institutionellen Rassismus in den USA“, fordert einen besseren Zugang für Afro-Amerikaner zu Schulen und Sozialhilfen und bezichtigt Trump als einen der „größten Rassisten in der modernen Geschichte der amerikanischen Präsidentschaft“.

Trump: „Bin die am wenigsten rassistische Person im Raum“

Trump kontert mit der Frage, was Biden denn in den acht Jahren an der Seite Obamas für die schwarze Minderheit getan habe. Er dagegen sei „der Präsident, der seit Abraham Lincoln am meisten für die afro-amerikanische Minderheit“ geleistet habe. Und er, Trump, sei „die am wenigsten rassistische Person in diesem Raum“.

Leidenschaftlich wurde Biden beim Thema Einwanderung. Es sei „kriminell“, Hunderte von Kindern von ihren Eltern getrennt zu haben, niemand wisse, wo mehr als fünfhundert dieser Kinder heute seien. Trump entgegnete, diese Kinder seien „eingeschleust“ von Banden und Kartellen. „Wir lassen einwandern, aber es muß legal sein“.

Einen größeren Raum nahm der Kampf gegen die Corona-Pandemie ein. Auch hier trafen zwei Welten aufeinander. Trump will die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch bewahren und warnte vor einer Regierung Biden, die zu einer „Depression“ führen würde, wie sie Amerika noch nie erlebt habe, mit unzähligen Pleiten und Selbstmorden.

Biden verwies auf die mittlerweile 220.000 Toten der Pandemie, man sei an einem Punkt, weitere 200.000 Todesopfer zu riskiere. „Jemand, der für so viele Tote verantwortlich ist, darf nicht länger Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein.“ Trump verwies auf einen Impfstoff, der in „einigen Wochen“ auf den Markt käme, Biden argumentierte, es gebe „keinen seriösen Wissenschaftler, der behauptet, daß der Virus bald verschwindet“.

Zusammenprall auch beim Thema Gesundheitsreform. Biden: „Gesundheit ist kein Privileg.“ Trump: „Die Demokraten wollen ein sozialistisches Gesundheitssystem.“ Er hoffe, daß der Oberste Gerichtshof „Obamacare abschafft“.

Große programmatische Gegensätze

So gab ein Wort das andere, stieß ein Argument auf ein Gegenargument. Unter dem Strich bleiben die Überraschung und der krasse programmatische Gegensatz. Das wird manche Wechselwähler mobilisieren, auf die es ja in den Swing States, vor allem Florida und Pennsylvania, ankommt. Auf die ersten Umfragen nach dem TV-Duell werden diese Wähler sich kaum verlassen können, Fox-news meldet einen klaren Sieg Trumps, CNN einen Sieg Bidens.

Einen sicheren Gewinner allerdings gibt es: die Moderatorin Krestin Welker. Demokraten loben sie und selbst Trump erweist ihr in einem Tweet seine Reverenz: „Respekt, wie Sie das heute gemacht haben.“ Auch das zeigt den Strategiewechsel der Republikaner.

Dieser Wechsel könnte, gemäß dem Stratagem des chinesischen Kriegsphilosophen Sun Tsu, „Verwirrung ins Lager des Feindes tragen“. Und das soll es wohl auch. Die Frage ist, ob der Wechsel noch rechtzeitig kommt. Wäre Trump vor drei Wochen beim ersten Duell so aufgetreten, stünde er heute sicher besser da.

US-Präsident Donald Trump hört während des zweiten TV-Duells dem Herausforderer der Demokraten, Joe Biden, zu Foto: picture alliance / AP Photo
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