Damit hatte der Star der Konservativen in der CDU, Friedrich Merz, offenbar nicht gerechnet: Daß ihm die rheinische Frohnatur Armin Laschet die Schau stehlen würde. Anderthalb Stunden vor seinem Auftritt in der Bundespressekonferenz, in der er Deutschland und der Welt seine Kandidatur erklären wollte, saßen Laschet und sein Beifahrer Jens Spahn schon vor den Journalisten und verkündeten, daß der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen für den Parteivorsitz kandidiere und der Gesundheitsminister ihm dabei sekundiere.
Man trete im Team an. Es gehe um den Zusammenhalt der Partei und des Landes, um mehr als den Koalitionsvertrag, mithin um die politische Zukunft Deutschlands. Das könne nur gemeinsam geschultert werden. Und Spahn ergänzte mit ungewohnter Bescheidenheit: Da es nur eine Nummer eins geben könne, trete er ins Glied und wolle im Team mitarbeiten.
Merz blieb nur die Rolle des Zuspätgekommenen. Und um den Hauch der Niederlage – die Strafe des politischen Lebens – nicht aufkommen zu lassen, setzte er auf Va banque. Er spiele auf „Sieg, nicht auf Platz“. Es gehe um eine Richtungsentscheidung für die Partei, um ein Weiter-So oder um den Aufbruch in eine neue Zeit.
Der Team-Plan Laschets
Merz wird wohl auch den Lauf zum Sonderparteitag am 25. April verlieren. Der ursprüngliche Team-Plan Laschets war erfolgversprechend und selbst der neue Teilplan verspricht mehr als ein Alleingang. Zwei Wochen lang wurde intensiv intern geredet und medial spekuliert.
Faßt man die Kommentare und offenen Äußerungen zusammen, ergibt sich folgendes Bild: Merz sollte den liberalen Wirtschaftsflügel binden und rhetorisch die Junge Union und Wertkonservative rocken. Laschet sollte die Brücke zwischen konservativem und linksgrünem Flügel innerhalb der Partei sowie Umweltbewußtsein, weltoffenen Integrationswillen und Regierungserfahrung personalisieren.
Spahn sollte die Hipster-Angriffe von linksgrün abwehren und den jungen Leuten Zukunft verheißen. So hätte man die gesamte Partei mobilisiert und bei den Wahlen im nächsten Jahr über die Ränder hinaus nach links und rechts Enttäuschte gesammelt.
Die Merz-Lücke könnte mit anderen Personen gefüllt werden
Hätte, hätte Fahrradkette. Mit dem Torso Laschet-Spahn wird es schwieriger werden, vor allem rechts von der Mitte zu mobilisieren. Vermutlich wird Laschet aber am Team-Plan festhalten und die Merz-Lücke durch andere Personen zu füllen versuchen, etwa mit dem stets schneidig auftretenden Chef der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann.
Auf wirtschafts-und finanzpolitischem Feld werden sich Leute finden, nicht zu vergessen der Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Schwieriger dürfte die Suche auf dem Feld der Wertkonservativen werden. Der erstaunlich verächtliche – um nicht zu sagen unchristliche – Umgang mit der Werte-Union, man denke nur an die ehrabschneidenden, überheblichen Äußerungen eines Elmar Brok, spricht hier Bände.
Wer traut sich noch in der CDU, offen für die traditionelle Ehe und Familie einzutreten? Die Frage der Kinderrechte, die die rot-rot-grüne Phalanx unbedingt im Grundgesetz verankern will, um die Elternrechte auszuhebeln, wird für Laschet und Co zum Lackmustest werden. Daran dürfte sich auch der Wertkonservatismus eines Friedrich Merz ablesen lassen. Apropos: Es kann auch sein, daß Merz sich besinnt und nach der Niederlage auf dem Sonderparteitag mit der Aussicht auf das Amt des Finanzministers zufrieden gibt.
Streit mag man in der Union nicht
Das hängt nicht nur vom Ergebnis am 25. April ab. Wenn er vorher seine Bereitschaft bekundet, ins Team zu kommen, um mitzuspielen, das heißt auch Pässe zu geben und nicht nur Elfmeter schießen zu wollen, wären Laschet und Spahn sicher die Letzten, die dazu nein sagen würden.
Und die Groko? Es gehört zu den Trümpfen des Laschet-Teams, daß man ihm die Bereitschaft unterstellt, pragmatisch zu handeln und Konfrontationen zu vermeiden. Es wird keinen Merkel-Clash geben. Das kann man bei Merz nicht so ohne weiteres ausschließen.
Streit aber mag man in der Union nicht. Die Merkelianer haben mit Laschet zunächst weniger zu befürchten als mit Merz. Aber der Ministerpräsident hat seine roten Linien. Bei der inneren Sicherheit zum Beispiel versprach er heute Null-Toleranz und wer beobachtet, wie seine Regierung in Nordrhein-Westfalen gegen Clans aus Nahost, Osteuropa und dem Balkan vorgeht, wird diese Aussage für glaubwürdig halten.
Auch mit der Kanzlerkandidatur hat er es nicht so eilig. Zwar meldet er den Anspruch an und zeigt damit Führungswillen. Aber diese Frage dürfte erst nach dem Sommer, vielleicht sogar erst im Spätherbst entschieden werden. Dann aber kann es schnell gehen.
Für die AfD wäre Merz ein Geschenk des Himmels
Für die AfD wäre Merz ein Geschenk des Himmels. Seine rhetorischen Angriffe – übrigens nur von der Außenlinie, also über die Medien, denn er ist nicht Mitglied des Bundestages – können kaum schlimmer sein, als die von der SPD oder den Grünen, von der Linkspartei ganz zu schweigen. Sie würden aber dazu führen, daß innerhalb der AfD der „Flügel“ in Bedrängnis käme, denn er müßte in der Wirtschafts- und Sozialpolitik mit Sachargumenten antworten – und sich mit dem Rest der Partei einigen, was mehr Stärke bedeuten würde.
Ansonsten würde Merz sich verbal verrennen – Stichwort „Gesindel“ – was die Wählerschaft der AfD wiederum mobilisieren würde. Laschet ist da besonnener. Zwar schließt er jede Kooperation mit der AfD aus, aber er argumentiert auch und in Nordrhein-Westfalen kommt die AfD auf keinen grünen Zweig. Wenn jemand die Wählerschaft der AfD dezimieren kann, dann eher das Team Laschet als der Einzelkämpfer Merz.
Natürlich ist das Rennen noch offen und sieben Wochen können in der Politik eine Ewigkeit sein. Der 25. Februar aber hat gezeigt: Einer der größten Vorteile Laschets ist, daß man ihn unterschätzt. Das hat auch Merz getan. Laschets Blitz-Zug auf dem politischen Schachbrett heute hat Merz in die Defensive, ins Schach gesetzt. Vielleicht schafft der Star aus der Wirtschaft noch ein Remis.
Aber mit Eifer und Rhetorik allein dürfte es nur noch gelingen, wenn das Duo Laschet-Spahn einen schweren Fehler begeht. Danach sieht es im Moment nicht aus.