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Joe Bidens Präsidentschaftskandidatur: In seiner eigenen Realität

Joe Bidens Präsidentschaftskandidatur: In seiner eigenen Realität

Joe Bidens Präsidentschaftskandidatur: In seiner eigenen Realität

Joe Biden Campaigns in Charleston, US - 24 Feb 2020
Joe Biden Campaigns in Charleston, US - 24 Feb 2020
Joe Biden bei einer Wahlkampfveranstaltung in Charleston, South Carolina Foto: picture alliance/ZUMA Press
Joe Bidens Präsidentschaftskandidatur
 

In seiner eigenen Realität

Kurz vor den Vorwahlen in South Carolina steht der frühere Vizepräsident Joe Biden mit seiner Kandidatur mit dem Rücken zur Wand. Zu allem Überfluß häufigen sich gerade auch seine verbalen Aussetzer. Sein Konkurrent Bernie Sanders setzt derweil auf die richtigen Themen. Ein Kommentar von Thorsten Brückner.
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Kein Kandidat im Vorwahlkampf der Demokraten ist so sehr für seine sprachlichen Aussetzer bekannt wie Joe Biden. Den Spitznamen „Gaffe-Machine“ (Patzer-Maschine) hat sich der heute 77jährige frühere Vizepräsident und Senator von Delaware hart erarbeitet. Legendär sein Ausspruch 2007 über den späteren Präsidenten Barack Obama. Dieser sei „der erste Afro-Amerikaner, der sich artikulieren kann, klug und sauber ist“.

Ein Jahr später forderte er seinen demokratischen Parteifreund, Bundesstaatssenator Chuck Graham aus Missouri auf, aufzustehen, um eine Runde Applaus entgegenzunehmen. „Steh auf, Chuck, mach, daß sie dich sehen“, rief er Graham zu. Einziges Problem: Seit einem Autounfall als Jugendlicher ist Graham querschnittgelähmt.

Angbliche Verhaftung bei Mandela-Besuch

Jetzt hat Biden wieder einen rausgehauen. Kurz vor der Vorwahl in South Carolina, wo Biden mit seiner Kandidatur für die demokratische Nominierung nach schweren Niederlagen in Iowa, New Hampshire und Nevada bereits mit dem Rücken zur Wand steht, versuchte er, der Demokraten-Fangemeinde nochmals seine Errungenschaften als Vizepräsident in Erinnerung zu rufen.

Besonders hob „Sleepy Creepy Joe“ (Donald Trump) dabei seine Rolle beim Zustandekommen des Pariser Klimaschutzabkommens hervor. „Ich bin derjenige gewesen, der nach dem Treffen mit Deng Xiaoping zurückgekommen ist und allen versichert hat, daß China sich beteiligen wird, wenn wir nur genügend Druck ausüben“, sagte Biden über seine Rolle bei den Verhandlungen über das 2015 zustande gekommene Vertragswerk. Deng Xiaoping, der Schlächter vom Platz des Himmlischen Friedens, war zu diesem Zeitpunkt freilich schon 18 Jahre Tod.

Auch andere Bemerkungen während des Wahlkampfs lassen an Bidens Realitätsbezug zweifeln. Seine jüngste Behauptung, er sei 1977 in Südafrika beim Versuch, Nelson Mandela im Gefängnis zu besuchen, verhaftet worden, findet sich weder in seiner 2007 erschienenen Autobiographie noch kann sich der damalige US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, Andrew Young, mit dem zusammen Biden damals angeblich festgenommen worden sein soll, an einen solchen Vorfall erinnern. Young, ein Parteifreund Bidens, ergänzte gegenüber der New York Times: „Ich denke nicht, daß es jemals eine Situation gab, in der ein Kongreßabgeordneter in Südafrika verhaftet wurde.“

Auch beim Thema Cannabis ist Biden instinktlos

Vielleicht läßt Biden aber auch nur die pure Verzweiflung dieser Tage hinsichtlich seiner Biographie etwas erfinderisch werden. In South Carolina, das er als seine „Brandmauer“ bezeichnete, und wo er teilweise mit über 20 Prozentpunkten Vorsprung das Feld der Demokraten angeführt hatte, ist sein Vorsprung auf wenige Prozentpunkte geschmolzen.

Und während 2016 Hillary Clinton noch die sogenannten Superdelegierten halfen, um gegen Bernie Sanders nie ernsthaft in Gefahr zu geraten, hat die Regelreform der Demokraten nun für einen echten Zwei- bzw. Dreikampf gesorgt. Nach einem knappen Sieg von Pete Buttigieg in Iowa, konnte der selbst ernannte demokratische Sozialist Bernie Sanders in New Hampshire und Nevada triumphieren. Und noch ist völlig unklar, wieviel Stimmen der frühere New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg am Super Tuesday (3. März) in wichtigen Staaten wie Kalifornien oder North Carolina Biden abnehmen kann.

Zumal dieser nicht nur durch seine manchmal zu flinke Zunge bei jungen Demokraten-Wählern für Kopfschütteln sorgt. Sein im Wahlkampf wiederholter Standpunkt, Cannabis-Konsum solle weiterhin unter Strafe stehen, zeigt, wie wenig Biden den Wandel der Parteibasis seit den 90er Jahren nachvollzogen hat. An seinem vorgerückten Alter kann es nicht liegen. Sein ein Jahr älterer Konkurrent Sanders hat das Thema Marihuana-Legalisierung als Mittel, um junge Wähler auf seine Seite zu ziehen, schon lange entdeckt. Die verzeihen ihm dafür selbst Lobhudelein auf das kommunistische Kuba.

Joe Biden bei einer Wahlkampfveranstaltung in Charleston, South Carolina Foto: picture alliance/ZUMA Press
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