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Libyen: Jetzt mit General Haftar kooperieren

Libyen: Jetzt mit General Haftar kooperieren

Libyen: Jetzt mit General Haftar kooperieren

Haftar
Haftar
General Haftar im Januar in Berlin Foto: picture alliance/Angelos Tzortzinis/dpa
Libyen
 

Jetzt mit General Haftar kooperieren

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis General Haftar ganz Libyen kontrolliert, mithin auch die Flüchtlingsströme ans Mittelmeer. Europa sollte deshalb mit ihm zusammenarbeiten. Doch das erfordert mehr Realpolitik als Berlin leisten kann.
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Es gibt keine Corona-Fälle in Libyen. Der Grund: Dort wird nicht getestet. Wie in allen Ländern des Mittleren Orients und Nordafrikas sind Zahlen von Corona-Fällen mit äußerster Skepsis anzuschauen. Zu der in islamischen Ländern üblichen Kismet-Einstellung, die Krankheiten als von Allah gesandt ansieht, kommt noch die Diktatur-Situation hinzu, die jede für den Machterhalt relevante Information filtert oder unterdrückt. Paradebeispiel dafür ist der Iran. Wenn dann noch als drittes Element das Chaos oder eine Kriegslage hinzutritt, wie das in Libyen der Fall ist, dann ist die Lüge sowieso ständiger Begleiter.

Dennoch lassen sich einige Daten und Fakten zusammentragen, die eine verlässliche Analyse der Lage in dem nordafrikanischen Flächenstaat erlauben. Sicher ist, daß der Befehlshaber der Armee von Tobruk, also des legitim gewählten Parlaments, General Chalifa Haftar, das Heft des Handelns in der Hand hat. Seine Truppen stehen in den Vororten der Hauptstadt Tripoli. Es wird gekämpft – und damit demonstriert, was die Berliner Libyen-Konferenz war: ein großes Palaver.

Dieser Krieg wird nicht mit Maasʼ markigen Worten entschieden, sondern mit harten Tatsachen auf dem Gefechtsfeld. Die Erklärungen, zum Beispiel auf der Münchener Sicherheitskonferenz waren nicht viel mehr als diplomatischer Weihrauch und illusorischer Selbstbetrug – man tut was. Sicher ist auch, daß die Waffenlieferungen weitergehen, das vereinbarte Embargo erweist sich als frommer Wunsch.

Unterstützung der Stämme

Auch der Berliner und Münchener Gesprächspartner Türkei liefert munter weiter, was der französische Präsident Macron offen Ankara vorwirft. Erdogan habe „sein Wort gebrochen“. Erdogan schifft Söldner und Waffen nach Libyen, er will retten, was nicht mehr zu retten ist. Denn es ist nur eine Frage der Zeit, bis Haftar ganz Libyen kontrolliert, mithin auch die Flüchtlingsströme ans Mittelmeer. Dann werden die Seifenblasen platzen, die Europäer mit ihm verhandeln und die Deutschen werden, so ist zu befürchten, wieder die letzten sein. Frankreich ist schon jetzt an der Seite Haftars.

Sicher ist auch, daß diese Region einen Hegemon braucht. Siehe das gescheiterte Experiment namens arabischer Frühling. Überall herrschen wieder Generäle, mal in Uniform, mal in Zivil. Alte, tribale Strukturen leben auf, auch in Libyen. Erdogan, der davon überzeugt war, mit seinen Muslimbrüdern diesen geopolitischen Posten namens Hegemon in Syrien und in Libyen einzunehmen und die Flüchtlingsströme nach Belieben lenken und als Hebel gegen Europa einsetzen zu können, muß erkennen, daß er sich am besten so früh wie möglich zurückzieht, solange nur ein Auge blau und die Nase leicht blutig ist. Aber Größenwahnsinnige haben oft ein Erkenntnisproblem.

In Libyen wird bald Haftar der Hegemon sein. Er hält nicht nur die Hauptstadt Tripoli in seinem Würgegriff. Er hat sich jetzt auch der Unterstützung der libyschen Stämme versichert. Ende Februar ist es ihm gelungen, die Stammesführer zu einer Konferenz im Wüstenort Tarhuna  zu versammeln. Es kamen dreitausend Häuptlinge aus allen Städten und Dörfern.

Schließung der Ölanlagen

Sie stellten sich alle hinter Haftar und gegen die Regierung in Tripoli. Sie verlangten in einer von allen unterzeichneten Erklärung, daß die „türkische Invasion“ in Libyen beendet werde und die „Lybische Nationale Armee“ Haftars das ganze Land befreie, einschließlich Tripoli. Ferner forderten sie, daß die Vereinten Nationen ihre Anerkennung der Regierung in Tripoli zurückziehen und kein Gremium anerkennen, das nicht die Rückendeckung des Parlaments in Tobruk habe.

Außerdem heißt es wörtlich: „Die libyschen Stämme bestätigen die Notwendigkeit, vor internationalen Gerichten gegen Länder zu klagen, die an der Verschärfung des libyschen Krieges beteiligt sind, allen voran die Türkei und Katar.“ Und sie billigen die Schließung der Ölanlagen, bis eine einheitliche libysche Regierung gebildet ist. Und das Wichtigste: Die libysche Zentralbank und der Nationale Ölrat sollen personell erneuert, das heißt die leitenden Stellen durch andere Personen besetzt werden.

Damit hat die traditionelle Repräsentation Libyens, der Stammesrat, die Türkei zu Invasoren erklärt. Es ist schwer vorstellbar, daß Erdogan sich lange in Libyen wird halten können. Irgendwann wird der UN-Sicherheitsrat den Rückzug aller fremden Truppen in eine Resolution schreiben. Erdogans Verbündeter, der von der den Vereinten Nationen anerkannte und hofierte Fajis al-Sarradsch, steht auf verlorenem Posten.

Auch die letzten Milizen werden überlaufen

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die stärkste der ihn noch stützenden Milizen, die Misrata-Stämme, zu Haftar überlaufen. Diese knapper werdende Zeit sollte die deutsche Außenpolitik nutzen, um zusammen mit Frankreich die Zukunft in Libyen vorzubereiten. Diplomatisch ist Berlin ein Flop, mehr als eine Luftbrücke zur Heimholung deutscher Touristen ist momentan offenbar nicht zu machen. Aber das Leben wird auch nach Corona weitergehen.

Wenn schon Europa nicht rechtzeitig für sich vorgesorgt hat, dann kann man vielleicht doch daraus lernen und in Libyen mit entsprechenden Maßnahmen und einer Gesundheitspolitik dafür sorgen, daß der Virus eingedämmt und die Kranken behandelt werden können – bevor die Krise dort ausbricht. So eine Kooperation liegt durchaus auch im Eigeninteresse.

Sonst wird es künftig eine See- und Luftbrücke für Corona, mithin eine zweite Infektionswelle geben. Mit Haftar und den anderen Generälen und Machthabern in Nordafrika könnte das verhindert werden. Aber das erfordert vielleicht mehr Realpolitik als Berlin leisten kann.

General Haftar im Januar in Berlin Foto: picture alliance/Angelos Tzortzinis/dpa
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