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Zombie-Partei: Ein letztes Wort zur Eff-Deh-Peh

Zombie-Partei: Ein letztes Wort zur Eff-Deh-Peh

Zombie-Partei: Ein letztes Wort zur Eff-Deh-Peh

FDP
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FDP-Bundesvorstand auf dem Parteitag 2019 in Berlin Foto: picture alliance / Sven Simon
Zombie-Partei
 

Ein letztes Wort zur Eff-Deh-Peh

Die FDP barmt darum, sich wieder in die Volksfront der vermeintlich Anständigen von der CSU bis zur Linkspartei einreihen zu dürfen, aus der sie wegen der Wahl Thomas Kemmerichs verbannt worden war. Doch das Erfurter Desaster dürfte wohl den Schlußpunkt im unaufhaltsamen Verfall der Partei bilden. Ein Kommentar von Thorsten Hinz.
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Die Distanzierung der FDP-Spitze von ihrem thüringischen Landesvorsitzenden Thomas Kemmerich verschafft ihr weder Sympathie noch Respekt, im Gegenteil. Die Pressemitteilung vom 9. Oktober beschränkt sich auf anti-rechte Leerformeln. Sie ist ohne politische Substanz, läßt jede Souveränität vermissen und zeugt von Opportunismus, Unterwürfigkeit und Angst.

Die FDP barmt darum, sich wieder in die Volksfront der vermeintlich Anständigen von der CSU bis zur Linkspartei einreihen zu dürfen, aus der sie wegen der – mutmaßlich mit AfD-Stimmen erfolgten – Wahl Thomas Kemmerichs zum Ministerpräsidenten Thüringens verbannt worden war.

Natürlich hat Kemmerich, der Ministerpräsident für einen Tag, völlig recht, wenn er auf Twitter mitteilt, daß „nicht die Annahme der Wahl (…) der Fehler war, sondern der Umgang der anderen demokratischen Parteien mit der Situation“. Tatsächlich hätten FDP und CDU danach sondieren können, wie sie in Erfurt jenseits von Rot-Rot-Grün – die im Landtag ohne Mehrheit sind – eine Regierung zustande bringen.

FDP ließ Solidarität vermissen

Außerdem wurden Kemmerich und seine Familie regelrecht terrorisiert, was von den Medien und den „anderen demokratischen Parteien“ höhnisch als zivilgesellschaftliche Entscheidungshilfe vermerkt wurde. Auch die eigene Partei ließ die fällige Solidarität vermissen. Mit dem Ergebnis, daß der Kandidat der SED-Nachfolgepartei und „Inshallah – das-ist-der-schönste-Tag-meines-Lebens“-Schreier Bodo Ramelow erneut in den Sattel steigen konnte.

Bleiben wir bei der Partei Kemmerichs, der FDP. Gegen den Thüringer von Anfang hervorgetan hatte sich an die Parteifeindin und NRW-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie hatte schon im Mai in einem Interview erklärt: „Wir als FDP-Bundesvorstand sollten Thomas Kemmerich dazu auffordern, seinen Hut zu nehmen und die FDP zu verlassen.“ Jetzt teilte sie via Twitter mit:

Rotes Sternchen im Hausaufgabenheft

Gleich nach der Wahl im Februar hatte sie zwei Beiträge auf der Cicero-Plattform veröffentlicht (hier und hier), deren Essenz lautete, wer sich mit der Höcke-AfD einlasse, „der verharmlost nicht nur dessen rassistische und menschenverunglimpfende Aussagen, der relativiert nicht nur den Nationalsozialismus, dem Millionen von Menschen zum Opfer gefallen sind; der läßt sich auch auf eine gefährliche, weil grundfalsche Interpretation der sogenannten politischen Mitte ein. Kurz: Dessen Koordinatensystem ist schwer aus den Fugen geraten.“

Dazu sei festgestellt: Das Koordinatensystem Strack-Zimmermanns kennt keinen antitotalitären Konsens mehr, dafür einen antifaschistischen Talibanismus, der ihr an der SED-Parteihochschule „Karl Marx“ glatt ein Bienchen beziehungsweise ein rotes Sternchen im Hausaufgabenheft eingebracht hätte.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann gefällt sich sowohl in der Attitüde der Eisernen Lady als auch der Grande Dame à la Hildegard Hamm-Brücher. Doch ihre Äußerungen liefern nur den Beweis dafür, daß Doppelnamen, sogar wenn sie verdoppelt werden, noch keine weibliche Klugheit garantieren.

Um nur den geschichtspolitischen Anfängerfehler herauszugreifen: Nichts ist so selbstverständlich wie die Relativierung, das In-Beziehung-Setzen einer geschichtlichen Periode oder eines historischen Ereignisses mit anderen Perioden und Ereignissen.

Frühe Attacken von Kuhle

Erst durch den Vergleich und die Erforschung der historisch-genetischen Zusammenhänge lassen sich ihre Herkünfte, Unterschiede, Gemeinsamkeiten, Besonderheiten, Novitäten feststellen, ist rationale Erkenntnis überhaupt erst möglich.

Das gilt auch für den Nationalsozialismus. Andernfalls behandelt man ihn als ein Numinosum, als ein negatives Göttliches und Sakrales, als einen Gegenstand des Glaubens, was weder aufklärerisch noch liberal noch frei noch demokratisch ist.

In dieselbe Kerbe schlägt der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle, der immer wieder mal als Nachfolger des amtierenden Christian Lindners ins Spiel gebracht wird. Gleich nach der Wahl im Erfurter Landtag verbreitete er über Twitter:

Später meinte er zur Bild-Zeitung, Kemmerich sei ein „peinlicher Typ“. Es handelt sich um eine unfreiwillige Selbstbezeichnung. Als nach Kemmerichs Wahl weitere FDP-Politiker zur Zielscheibe handfester Attacken wurden, flehte er Juso-Chef Kevin Kühnert unter Hinweis auf den gemeinsamen Antifaschismus an, er möchte für Abmilderung sorgen.

Der Tweet ist aufschlußreich. Nicht die „linksextreme Gewalt“ und die Tatsache, daß die SPD-Nachwuchsorganisation sie anheizt, sind für Kuhle das hauptsächliche Problem, sondern daß sie sich gegen die Falschen richtet. In einer von der AfD-Fraktion im Bundestag beantragten Aktuellen Stunde über „linksextreme Gewalttaten gegen die politische Betätigung demokratischer Parteien“ im Dezember 2017 sagte Kuhle, die AfD sei „der Agent der politischen Verrohung, als deren Opfer sie sich hier darstellt“. Die Gewalt trifft in dem Fall also die Richtigen!

Soziale Existenzvernichtung als legitimes Mittel

In einem Gastbeitrag für die NZZ vom Februar 2020 schrieb er: „Indem angebliche Protagonisten des gemäßigten Bürgertums wie die AfD-Spitze den Rechtsextremismus des Flügels zum Mainstream der Partei erklärt haben, ist für diese Menschen selbst der Rückweg ins Bürgertum verbaut. Bei welcher Unternehmensberatung soll Alice Weidel morgen anfangen? Sich selbst als Kandidat oder Mandatsträger der AfD zu exponieren, ist eine Entscheidung für die Zerstörungswut und die Verachtung gegenüber unserem politischen System.“

Lassen wir die Unterstellungen – „Rechtsextremismus“, „Zerstörungswut“ und „Verachtung“ – beiseite, dann bleibt die Aussage, daß Kuhle die soziale Existenzvernichtung für ein legitimes Mittel im Kampf gegen politische Konkurrenten und für die gerechte Bestrafung einer in seinen Augen falschen Meinung hält. Sein Ruf nach dem Inlandsgeheimdienst, der sich endlich in Gänze der größten Oppositionspartei annehmen solle, vollendet den Irrwitz der Parteiliberalen. Im „Kampf gegen Rechts“ als politischer Leitidee sind sie im Stadium der Verkommenheit angelangt.

Der Publizist und Löwenthal-Preisträger Alexander Wendt hat sich in einem fundierten Aufsatz mit der Nichtexistenz der Liberalen beschäftigt. Der einzige Einwand gegen den Text wäre, daß er zu viel Worte um die Zombie-Partei macht. Die FDP hatte sich endgültig erledigt, als sie 2009 ihren grandiosen Wahlerfolg mit 14,6 Prozent, den sie mit dem Versprechen einer vernünftigen Finanz- und Steuerpolitik eingefahren hatte, umgehend verschleuderte.

Statt nämlich den ausgewiesenen Finanzexperten Hermann-Otto Solms mit dem strategisch wichtigen Amt des Finanzministers zu betrauen, bestand sie auf dem Außenamt für den armen Dilettanten Guido Westerwelle. Als dann die Finanz- und Eurokrise losbrach, konnte sie nur hilflos zuschauen, wie die Kanzlerin Recht, Gesetz und Verträge beiseite schob.

Politische Kastration

Das Erfurter Desaster bildet wohl den Schlußpunkt der Tragödie. Parteichef Christian Lindner machte auf der Pressekonferenz, in der er sich von der Kemmerich-Wahl distanzierte, den Eindruck, als hätte der Blick der Medusa ihn gestreift.

Für Lindners folgenden Auftritt im Bundestag gibt es nur zwei Worte: jämmerlich und würdelos. Zitat: „Wir sind beschämt, weil wir der AfD ermöglicht haben, uns und darüber hinaus die parlamentarische Demokratie zu verhöhnen.“ Er kündigte die Einsetzung einer Arbeitsgruppe an, um die Geschehnisse aufzuarbeiten. „Erfurt war ein Fehler, aber wir unternehmen alles, damit er sich nicht wiederholen kann.“

Das ist das Muster stalinistischer Selbstkritik. Sein Auftritt geriet zum persönlichen und kollektiven Gesichtsverlust und zur politischen Kastration. Der demonstrative Fußtritt für Kemmerich jetzt ist in Wahrheit das Winden eines Wurms.

Man hätte es wissen können. Die Rockröhre Nina Hagen jedenfalls hatte es schon vor 30 Jahren gewußt und ein Erfurter Requiem auf den politischen Tod des Christian Lindner und seiner Partei gesungen. Den speziellen Bühnenauftritt dazu gibt es hier.

FDP-Bundesvorstand auf dem Parteitag 2019 in Berlin Foto: picture alliance / Sven Simon
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