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Proteste gegen Corona-Maßnahmen: Der zu schnelle „Verschwörungstheorie“-Vorwurf

Proteste gegen Corona-Maßnahmen: Der zu schnelle „Verschwörungstheorie“-Vorwurf

Proteste gegen Corona-Maßnahmen: Der zu schnelle „Verschwörungstheorie“-Vorwurf

„Hygiene-Demo“ in München
„Hygiene-Demo“ in München
„Hygiene-Demo“ in München: Die Verschwörungstheoriekeule könnte ganz schnell zurückgeschwungen werden Foto: picture alliance/ZUMA Press
Proteste gegen Corona-Maßnahmen
 

Der zu schnelle „Verschwörungstheorie“-Vorwurf

Derzeit wird sie schnell gezückt. Die harte Keule, auf der breit und fett „Verschwörungstheorie“ prangt, ist das gängige Debattenmittel. Dabei treffen Verschwörungstheorien und Fake-News dort auf fruchtbaren Boden, wo Regierungen und tonangebende Medien versagen. Ein Kommentar von Lukas Steinwandter.
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Derzeit wird sie schnell gezückt. Die harte Keule, auf der breit und fett „Verschwörungstheorie“ prangt. Sie ist das gängige Debattenmittel, nicht der so oft beschworene strittige Austausch von Argumenten auf Augenhöhe. Das Diskussionsklima rund um das seit Wochen alles bestimmende Thema Corona ist rau geworden.

Zum wiederholten Mal demonstrierten am Wochenende Zehntausende in ganz Deutschland gegen die von der Bundesregierung und den Landeschefsverhängten Einschränkungen. Weil es darunter auch immer mehr Personen gibt, die Erklärungen für die derzeitige Krise suchen und anbieten, die bar jeder Vernunft und konstruiert sind, sahen sich nun auch Bundespolitiker zu Reaktionen genötigt.

Nicht nur die üblichen Verdächtigen von Grünen (Konstantin von Notz) und SPD (Saskia Esken) warnten vor einer „Radikalisierung des Protests“ oder vor Verschwörungstheoretikern, „die das System grundsätzlich infrage“ stellten. Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kündigte an: „Klar ist auch, daß wir konsequent gegen diejenigen vorgehen, die jetzt die Sorgen der Bürger mit Verschwörungstheorie anheizen und Fake-News in Umlauf bringen.“

Wenn Regierungen …

Verschwörungstheorien und Fake-News treffen dort auf fruchtbaren Boden, wo Regierungspolitiker und die Mehrzahl tonangebender Medien versagen. Wir erinnern uns: Zu Beginn der Corona-Krise spielten deutsche Politiker und Journalisten die Pandemie herunter. Das Motto lautete: Deutschland wird es nie so hart treffen wie China oder Italien. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schwieg– wie so oft.

Im medizinischen Sinne traf es Deutschland Gott sei Dank nicht so hart wie andere Länder. Im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen leider schon eher. Das liegt vor allem daran, daß die Ignoranz und Überheblichkeit binnen weniger Tage in übereifrigen Aktionismus wechselte. Die Kanzlerin hielt plötzlich Ansprachen an das Volk, schwor es auf harte Zeiten ein und kündigte immer mehr Einschränkungen an. Auch die Ministerpräsidenten der Länder lieferten sich einen Überbietungswettkampf, wer am schnellsten die härtesten Maßnahmen erläßt.

Nur: Längst hätte Deutschland von Italien lernen können. Lernen, wie man gefährdete Personengruppen effektiv aber individuell schützen kann, sodaß es keinen gesamtgesellschaftlichen Lockdown bräuchte. Lernen, was ein solches Herunterfahren der Wirtschaft bedeutet. Zeit genug hätte es gegeben: Die ersten italienischen Gemeinden wurden Ende Februar abgeriegelt, am 8. März traf es die gesamte Region Lombardei, zwei Tage später ganz Italien.

… und tonangebende Medien versagen

Und war es nicht Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der Warnungen eines führenden Hygieneartikelherstellers vom 5. Februar (!) ignorierte, wonach sich ein Engpaß bei Schutzkleidung und Gesichts- und Atemschutzmasken abzeichne? Verspielte das Gesundheitsministerium nicht massives Vertrauen mit wertlosen Ankündigungen, es werde keine Einschränkungen geben, die zwei Tage später aber doch eintrafen – ganz abgesehen vom Hick-Hack um die Maskenpflicht?

Begleitet wurde dieses Regierungsversagen in den ersten Wochen der Krise von medialen Zustimmungshymnen, die vor allem vom Chor der Öffentlich-Rechtlichen über fast alle Kanäle tönten. Der Medienwissenschaftler Ottfried Jarren warf ihnen im Branchenmagazin epd Medien sogar „Systemjournalismus“ vor. Vor allem ein großer Sender, der NDR, sei durch eine „besondere Form der Hofberichterstattung“ aufgefallen. „Die Chefredaktionen haben abgedankt.“

Wenn dazu noch immer deutlicher wird, wie schwer die Corona-Maßnahmen die Wirtschaft treffen und wie viele Arbeitsplätze gefährdet sind, ist es da nicht verständlich, wenn sich Menschen Sorgen machen und auch auf die Straße gehen? Selbst die Süddeutsche Zeitung kommentierte: „Wer für Grundrechte eintritt, ist deshalb kein Verschwörungstheoretiker.“

Die Keule kann ganz schnell zurückschwingen

Und sogar „Monitor“-Leiter Georg Restle mahnte: „Was JournalistInnen auch begreifen müssen: Nicht jede Regierungs- oder Wissenschaftskritik ist gleich eine Verschwörungstheorie – und wer der Bevölkerung gegenüber den Eindruck vermittelt, man stehe hinter allem, was Regierende verkünden, macht es den Extremen leicht.“ Ob er das nur schrieb, um als besonders neutral zu gelten und Herzchen in seiner Journalistenblase zu sammeln, sei einmal dahingestellt – er hat recht. Die Verschwörungstheoriekeule könnte ganz schnell zurückgeschwungen werden in Richtung öffentliche-rechtliche Medien und Regierungspolitiker.

Sollte man nun deshalb auf alle, auch die mit den wirrsten Theorien, gleichermaßen Rücksicht nehmen? Nein. Wer meint, quasi-antisemitische Märchen über die Rothschilds oder ominöse Finanzeliten zu verbreiten, ob als erfolgreicher Rapper auf YouTube oder als Aluhutträger auf dem Rosa-Luxemburg-Platz, muß mit harter Kritik rechnen. Und wer überall eine Verschwörung wittert und seine Anhänger auffordert, alles zu prüfen, der sollte als erstes bei sich selber anfangen.

„Hygiene-Demo“ in München: Die Verschwörungstheoriekeule könnte ganz schnell zurückgeschwungen werden Foto: picture alliance/ZUMA Press
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