Wie deutsch sind die Österreicher? An der Frage scheiden sich seit Ewigkeiten die Geister. Sehr viele deutsche Journalisten scheinen die Frage aktuell mit „Nicht deutsch genug!“ zu beantworten. Der Kabarettistin Lisa Eckhart aus Leoben in der Steiermark schallt aus den bundesrepublikanischen Kulturredaktionen gerade entgegen, daß sie „nicht besonders“ lustig sei.
Das sollte die große Dame der österreichischen Kleinkunst nicht weiter stören. Wenn dir als Satirikerin von den Kritikern aus dem Land von Mario Barth die Lustigkeit abgesprochen wird, ist das ein ziemlich sicheres Indiz dafür, daß du sehr vieles richtig gemacht hast. Wenn es sich bei den Kritikern um eine Klientel handelt, bei der man davon ausgehen kann, daß sie sich bei den politisch korrekten Billigheimer-Witzen von Extra 3, heute-show und Co. regelmäßig die Schenkel wund klopft, ist alles in Ordnung.
Eckharts Humor ist ziemlich undeutsch. Er ist bitterböse, morbide und betont extravagant. Typisch österreichisch eben. Mit einer fast schon diabolischen Gelassenheit stellt die Frau mit dem so klangvoll dialektgefärbten Zungenschlag schwarzhumorig gedachte Verbindungen her, die dem deutschen Spaßmacher, der stets darauf bedacht ist, die Wohlfühl-Pointen für das heimische Publikum zu liefern, in seinen wildesten Träumen nicht einfallen würden.
Witz über Randgruppen sorgt für Kritik
Wenn Josef Fritzl „in seiner Zelle sitzt und in der Zeitung liest, daß Sebastian Kurz als großer Held gefeiert wird“, mutmaßte Eckhart bei einem Auftritt Ende Mai in der ARD-Sendung von Dieter Nuhr, könnte er als „gestörter Mensch“ auf „gestörte Gedanken“ kommen. „Sapperlot! Hätte ich nicht nur meine Familie, sondern ganz Österreich eingesperrt, wäre ich kein Scheusal, sondern ein Held.“
Hätte ein deutscher Comedian einen vergleichbar geschmacklosen Witz über Angela Merkel gemacht, es wäre wohl nicht nur sein letzter Fernsehauftritt gewesen, es würden sich auch die gesamte Kulturschickeria und weite Teile der parlamentarischen Opposition mit der Kanzlerin solidarisch erklären. Außerdem würde die Amadeu Antonio Stiftung ein striktes Durchgreifen gegen Haßreden im Fernsehen und auf deutschen Kabarettbühnen fordern.
Die aktuelle Kritikwelle wurde aber durch eine andere Äußerung Lisa Eckharts ausgelöst. Das Satire-Enfant-terrible macht in ihren Programmen nämlich auch Witze über Randgruppen; oder besser gesagt, über alle, die sich entweder selbst als Randgruppe einordnen oder dort eingeordnet werden. Vor allem über die damit verbundene politische Korrektheit macht sie sich genüßlich lustig.
Empörungsknopf eineinhalb Jahre später gedrückt
In der WDR-Sendung „Mitternachtsspitzen“, sprach sie über die Rolle jüdischer Filmemacher wie Harvey Weinstein, Woody Allen und Roman Polanski in der „MeToo“-Debatte. „Es ist ja wohl nur gut und recht, wenn wir den Juden jetzt gestatten, ein paar Frauen auszugreifen“, sagte die Kabarettistin in der Show. „Mit Geld sei ja nichts gutzumachen.“
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Wenn die sogenannten „Unantastbaren“ andere antasteten, sei das der „feuchte Albtraum“ der politischen Korrektheit, stichelte sie. Weiter: „Jetzt plötzlich kommt heraus, den Juden geht’s wirklich nicht ums Geld. Denen geht’s um die Weiber, und deswegen brauchen sie das Geld“. Allein mit der Themensetzung platzierte die Humoristin schon so viele Fettnäpfchen im Porzellanladen der stets empörungsbereiten deutschen Fernsehöffentlichkeit, daß es eigentlich an ein Wunder grenzt, daß der TV-Ausschnitt vom September 2018 erst jetzt für Krach gesorgt hat.
Es bedurfte erst eines Artikels der deutschen Wochenzeitung Jüdische Allgemeine, um die Empörungswelle loszutreten. Deren Autor Tom Uhlig hat den Clip bei einem seiner Facebook-Streifzüge entdeckt und sofort – also rund anderthalb Jahre nach der Erstausstrahlung – Alarm geschlagen.
Auch die Humor-Beauftragte der FAZ hat was zu sagen
Uhlig, der auch für die linksradikale Postille Jungle World schreibt, wirft Eckhart vor, sie schüre als „preisgekrönte Künstlerin im öffentlich-rechtlichen Fernsehen“ Ressentiments gegen Minderheiten. Den WDR forderte er auf, das Video zu entfernen. Bei so viel Sensibilität muß befürchtet werden, daß der Kritiker von der Jüdischen Allgemeinen demnächst auch fordern wird, daß im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auch keine Filme der genannten Filmemacher selbst mehr laufen werden. So hat doch zumindest Woody Allen in praktisch allen seiner Werke mit so ziemlich jedem denkbaren Klischee und Stereotyp gespielt.
Inzwischen haben sich mehrere deutsche-jüdische Organisationen wie die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) sowie das American Jewish Committee (AJC) Berlin der Kritik der Jüdischen Allgemeinen angeschlossen. Auch Andrea Diener, Redakteurin im Feuilleton der FAZ, ist alles andere als amüsiert. „Ihre Witze sind oft bloß menschenfeindlich“, schreibt die Humor-Beauftragte der Frankfurter Allgemeinen in einem Text , in dem sie das „ernsthaft aufklärerische Wirken“ eines Dieter Hildebrandt lobt und den Leser damit erahnen läßt, wann sie zuletzt von ganzem Herzen und ohne schlechtes Gewissen gelacht hat.
Volker Beck vergeht das Lachen
Die Katholische Nachrichtenagentur, von der man meinen sollte, daß sie in Sachen Witze über die Religionszugehörigkeit nichts mehr so leicht aus der Fassung bringen kann, richtete gar eine direkte Anfrage zum Thema an den WDR. Der Sender wies die darin erhobenen Vorwürfe zurück. Man setze sich seit Jahrzehnten für Meinungsvielfalt und Zusammenhalt in der Gesellschaft ein und stehe zugleich zur Satirefreiheit, hieß es in der Erklärung. Eckert habe 2018 mitten in der „MeToo“-Debatte ein hochaktuelles, für Satire naheliegendes Thema gewählt und dabei Vorurteile gegenüber Minderheiten aufgegriffen, um genau diese Vorurteile zu entlarven.
Hauptankläger Uhlig läßt das nicht gelten, wie er auf seinem Twitter-Account deutlich macht. Unterdessen hat der ehemalige Grünen-Abgeordnete Volker Beck Programmbeschwerde gegen den vor fast zwei Jahren ausgestrahlten Auftritt eingelegt. Der WDR, so Beck, präsentiere „mit Lisa Eckhart ein Potpourri aus antisemitischen Klischees und schenkelklopfendem Humor, bei dem einem das Lachen nur im Halse stecken bleiben kann“. Unabhängig davon, wie man die kabarettistische Leistung Eckarts bewertet; daß einem Politiker bei ihr das Lachen im Halse stecken bleibt, ist zumindest nicht das schlechteste, was man über eine Satire sagen kann.