Viel ist die Rede von einer jungen Generation, die Euren Umgang mit „der Umwelt“ kritisiert. Mit „dem Planeten“ gar. Vielleicht ist es gut, mal an Eure eigene Kindheit zu erinnern, um zu vergleichen.
Als Kinder habt ihr die spärliche Garderobe der Geschwister durchgereicht. Der Älteste bekam Mantel, Hemden und Schuhe vom Vater oder Großvater. „Der Mantel von deinem Vater ist doch noch tadellos. Du brauchst keinen neuen.“
„Gegessen wird, was auf den Tisch kommt.“ Eben das, was man vom Bauern nebenan oder bei Tante Emma bekam. Regional, saisonal. „Sei dankbar, viele haben gar nichts.“ Tisch- und Dankgebet gab’s gratis, und wer die Hungerjahre des Krieges erlebt hatte, meinte diese Gebete auch so.
Die Familie – also Vater, Mutter, Kinder, Großeltern – sparte durch die Menge der Esser. Eine Suppe für zehn zu verdünnen ist leichter als für zwei. Was aber auch heißt: keine Sonderwünsche.
Vom Tier wurden alle Teile restlos verwertet, auch Innereien, Lunge, Hirn, Knochen. Was nicht mehr genießbar war, wurde für die Schweine des Nachbarn aufgehoben.
Kinder sammelten alte Zeitungen, Lumpensammler Stoffreste, Rentner Metallschrott für ein paar Pfennig Materialwert im Monat. „Schmeiß das nicht weg, das wäre ja eine Sünde.“
Man wusch sich täglich mit einem Waschlappen. Badewanne alle sieben Tage, vielleicht. Der Kleinste und Sauberste zuerst, der Verdreckteste zuletzt: Eine Wannenfüllung für alle.
Urlaub hieß nicht, zu reisen, sondern arbeitsfrei zu haben. Zwei Wochen auf dem Balkon oder im Garten, und wer es dicke hatte, fuhr mit Bahn oder sehr selten Auto an die See oder in die Berge. Flugzeuge kannte man vom Hörensagen. Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke bestanden meist aus Eßbarem: Südfrüchte, Schokolade. Oder auch etwas Selbstgeschnitztes, -gebautes, -gesammeltes.
Wollen wir über Etagenklos reden, Plumpsklos im Garten, Telefonzelle in der Ortsmitte, Gemüseanbau im Blumenkasten? „Kaffee“ nicht aus Afrika importiert, sondern aus regionalem Malz hergestellt? Soll ich weitermachen? Ne.
Ihr, liebe Alte, habt euch dieses Leben nicht ausgesucht. Es gibt wenig Grund, darauf stolz zu sein. Aber schämen, das müßt ihr euch noch weniger. Weiß Gott.
Schämen müssen sich auch nicht unbedingt die Jugendlichen, die Parolen nachkrähen. Privileg der Jugend eben, inklusive Respektlosigkeit und Unwissen.
Schämen sollten sich allerdings die, die als Erwachsene nicht dagegenhalten und den infantilen Rangen nicht antworten: „Leb Du mal so wie unsere Großeltern, dann hätten wir einige Probleme weniger. Du, mein Kind, bist Teil des Problems.“
Das, liebe Alte und Ganz-Alte, wollte ich doch einmal gesagt haben. Von den Eltern hören die Kinder es leider nicht. Und so ändert sich natürlich nichts.
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Tom Fabris, geboren 1965 in Dortmund. Beschreibt sich selbst als: „Pessimist, Querulant, Zweifler und notorischer Nörgler. Daneben Musiker und Werbefuzzi. Außerdem Enkel einer bettelarmen Bergmannsfamilie im Ruhrgebiet, inklusive Migrationshintergrund.“