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„Wir sind nicht rechtsextrem, wir sind die Mitte“: CDU-Programmkonferenz: Viel Show, wenig Konkretes

„Wir sind nicht rechtsextrem, wir sind die Mitte“: CDU-Programmkonferenz: Viel Show, wenig Konkretes

„Wir sind nicht rechtsextrem, wir sind die Mitte“: CDU-Programmkonferenz: Viel Show, wenig Konkretes

CDU-Chef Friedrich Merz bei der Grundsatzprogrammkonferenz seiner Partei: Außenpolitisch klar, innenpolitisch vage Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
CDU-Chef Friedrich Merz bei der Grundsatzprogrammkonferenz seiner Partei: Außenpolitisch klar, innenpolitisch vage Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
CDU-Chef Friedrich Merz bei der Grundsatzprogrammkonferenz seiner Partei: Außenpolitisch klar, innenpolitisch vage Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
„Wir sind nicht rechtsextrem, wir sind die Mitte“
 

CDU-Programmkonferenz: Viel Show, wenig Konkretes

Während die Antifa vor dem Kölner Gürzenich lautstark gegen die CDU demonstriert, erläutert deren Generalsekretär Carsten Linnemann im Saal, warum sich seine Partei vom derzeitigen Kulturkampf besser fernhalten sollte. Die JF war vor Ort.
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„CDU raus aus unserer Stadt, wir haben eure Scheiße satt“, brüllen Demonstranten am späten Freitagnachmittag vor dem Kölner Gürzenich. „CDU hat Zeit fürs Kapital, rassistisch, sexistisch, neoliberal.“ Aufgerufen zur Kundgebung gegen die CDU-Grundsatzprogrammkonferenz hatte „Fridays For Future“. Begründet wurde der Aufruf mit dem „rassistischen Programm“, das sich die Partei geben wolle. An den Flaggen sowie anderer Symbolik ist jedoch deutlich erkennbar, daß es in Wahrheit eine Demonstration der linksextremen Antifa ist.

Obwohl sie den Veranstaltungsort nur dank eines massiven Polizeiaufgebots sicher erreichen können, reagieren viele CDU-Mitglieder darauf mit Erheiterung. „Wir müssen ja ganz besonders schlechte Menschen sein“, witzelt ein junger Mann. Daran, daß einzelne Kameraleute auf der gegenüberliegenden Straßenseite den Eingangsbereich des Gürzenich in für Journalisten unüblicher Manier abfilmen, stört sich niemand.

Linksradikale demonstrieren gegen CDU-Veranstaltung: Parteiführung bleibt bei AfD-Brandmauer.
Linksradikale demonstrieren gegen CDU-Veranstaltung: Parteiführung bleibt bei AfD-Brandmauer Foto: JF

Und auch im mit mehr als tausend Plätzen vollbesetzten Hauptsaal des Gürzenich wollen die CDU-Größen nicht über das Spektakel vor der Tür reden. „Wir sind nicht rechtsextrem, wir sind die Mitte“, sagt CDU-Generalsekretärin Carsten Linnemann. „Wer meint, uns in die Ecke des Rechtsextremismus zu drücken, hat sich aus dem Diskurs verabschiedet“, sagt die Kölner Bundestagsabgeordnete Serap Güler. Damit ist das Thema für beide aber auch schon wieder erledigt.

Meinungsfreiheit bleibt ein Randthema

Neben Güler steht Hendrik Wüst. Der Landesvorsitzende und nordrhein-westfälische Ministerpräsident bedankte sich erst vor Wochen bei den Demonstranten gegen die AfD. Dazu, daß dieselbe Klientel nun gegen seine Partei demonstriert, sagt er kein Wort. Stattdessen spricht Wüst davon, daß der „gesellschaftliche Zusammenhalt“ eine seiner drei Prioritäten sei. „Und da ist die Migrationspolitik das zentrale Thema.“ Welche Position er dazu vertritt, verrät er aber mit keinem Wort. Damit gibt er die Linie vor, denn abgesehen von gelegentlichen Binsenweisheiten wie „Wer nach Deutschland kommt, hat sich an Regeln zu halten“, bleibt die Migrationskrise an diesem Abend völlig außen vor.

Zwischendurch sorgen lautstarke Einspieler mit dem Slogan „In Freiheit leben – Deutschland sicher in die Zukunft führen“ dafür, daß die Veranstaltung mehr einem Showevent als einer Konferenz über ein neues Parteiprogramm gleicht. Auch der Empfang von Landesinnenminister Herbert Reul wirkt wie der eines Showstars: „Begrüßen wir Mister Innere Sicherheit“, jubelt Carsten Linnemann. „Er hat Respektkultur geschaffen!“

Inhaltlich aber bleibt vieles vage. Linnemann erläutert, die CDU habe sich bei der Überschrift ihres Programmentwurfs bewußt auf die Schlagwörter „Freiheit“ und „Sicherheit“ beschränkt. Genaue Definitionen dieser Begriffe gibt es jedoch nur wenige. So spricht Hendrik Wüst von „der Freiheit, sein Leben selbstbestimmt zu gestalten“. Linnemann spricht immer wieder vom christlichen Menschenbild als Leitmotiv für das neue Programm. Dies bedeute für die CDU, „den Menschen so zu nehmen, wie er ist, und ihm nicht zu sagen, wie er sein soll“, so Linnemann. Mit fortschreitender Dauer fällt auf, daß die Vokabel „Freiheit“ an diesem Abend geradezu inflationär verwendet, die Vokabel „Meinungsfreiheit“ in drei Stunden jedoch nur ein einziges Mal benutzt wird.

Vorsichtige Kritik an Brüsseler Bürokratie

Ebenso wird schnell deutlich, daß das Thema Sicherheit an diesem Abend fast nur außenpolitisch erörtert wird. Als Jens Spahn an den früheren CDU-Slogan „Freiheit statt Sozialismus“ erinnert, brandet zuerst Jubel auf. Dann aber machen Spahns weitere Aussagen deutlich, daß er die heutigen Bedrohungen der Freiheit hauptsächlich außerhalb Deutschlands verortet. Damit ebbt der Beifall für ihn auch schnell wieder ab.

Auch sonst wirkt die rund halbstündige Podiumsdiskussion mit Spahn, den Landesministern Ina Scharrenbach sowie Karl-Josef Laumann und dem Düsseldorfer Bundestagsabgeordneten Thomas Jarzombek wie eine Debatte aus einer anderen Zeit. Die vier CDU-Größen debattieren über Bildung, soziale Sicherheit und Aufstiegschancen, als ob es jene Themen, die die deutsche Bevölkerung derzeit umtreiben, gar nicht gebe.

Gegenwartsbezogen wird es erst, als der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz unter stürmischem Applaus ans Rednerpult geht. Im Gegensatz zu seinen Vorrednern wagt sich Merz weit vor und bedient Wirtschaftsliberale, Nato-Anhänger und EU-Skeptiker gleichermaßen. So bezeichnet er es als Fehler, daß die Europäer 2008 der Ukraine den Nato-Beitritt verweigert haben. „Dann hätte es die russischen Angriffe auf die Ukraine wohl gar nicht gegeben.“ An die Adresse von Europaabgeordneten gewandt stellt er klar, daß er „ein großer Anhänger des europäischen Gedankens“ sei. Aber die „Regulierungswut“ der EU sei ein Problem geworden. „Das muß aufhören“, fordert er.

CDU-Chef bestätigt AfD-Brandmauer

„Viele Unternehmer wollen gar keine Hilfe vom Staat“, sagt Merz im wirtschaftspolitischen Teil seiner Rede. „Sie wären nur froh, wenn der Staat sie endlich mal in Ruhe ließe.“ Applaus bekommt er auch, als er das Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ des österreichischen Ökonomen und Sozialphilosophen Friedrich August von Hayek anspricht. „Was der Herr Habeck in Berlin macht, ist genau das, was Hayek als den Weg zur Knechtschaft beschrieben hat“, sagt Merz unter dem Jubel seiner Anhänger.

Dennoch ist es für Merz kein Widerspruch, in einem Augenblick die Grünen frontal anzugreifen, sie aber im nächsten Atemzug zusammen mit der FDP und der SPD als mögliche Koalitionspartner zu sehen. Lediglich die AfD schließt er als Koalitionspartner aus. Diese sei „keine Alternative, sondern der Abstieg für Deutschland“, sagt Merz. Warum, erläutert er nicht. Auch erwähnt er neue Parteien wie die CDU-Abspaltung Werte-Union oder das Bündnis Sahra Wagenknecht mit keinem Wort.

Damit zeigt sich aber auch die Schwäche seiner rund 30minütigen Rede: Die ist inhaltlich klar, solange es um Außen- oder Wirtschaftspolitik geht. Innenpolitisch aber bleibt Merz vage und schwammig. So spricht er an diesem Abend als einziger davon, daß die Meinungsfreiheit in Deutschland bedroht sei, da viele Menschen Angst hätten, „nicht mehr das Richtige zu sagen“. Aber er beläßt es bei dieser Feststellung und verzichtet auf eine Positionierung. Dann spricht er davon, daß die Freiheit in Deutschland „von ganz rechts und von ganz links“ so bedroht sei wie lange nicht mehr. Islamismus aber läßt er an dieser Stelle unerwähnt. Und auch hier verzichtet Merz auf jede Positionierung.

„Wie wollen Sie sich im Kulturkampf positionieren?“

Für einen Augenblick spannend wird es, als ein CDU-Mitglied Merz direkt danach fragt, wie sich die CDU „im Kulturkampf positionieren“ wolle. „Da ist man ja schon mehrfach über das eine oder andere Stöckchen gesprungen“, erläutert der junge Mann seine Frage. Aber hier duckt sich Merz weg: „Willst du darauf antworten?“, fragt er Carsten Linnemann. Und der sagt nur kurz: „Ich habe mich mit dem Kulturkampf beschäftigt. Das ist für Konservative wichtig. Aber das ist nichts, das wir nach vorne schieben sollten. Die Menschen wollen Freiheit und Sicherheit, aber nicht das.“

Der CDU-Basis aber gefallen Merz‘ markige Sprüche. Nach seiner Rede wie auch am Ende der Veranstaltung bekommt er minutenlangen stehenden Beifall, wenngleich im Gegensatz zu Angela Merkel nur vier statt zwölf Minuten lang.

Als die CDU-Mitglieder das Gebäude verlassen, bauen die letzten Demonstranten gerade in der Dunkelheit ab. Die Polizei ist immer noch in großer Anzahl vor Ort und sorgt dafür, daß alle sicher wegkommen. Herbert Reul läßt sich schnell in einer gepanzerten Limousine wegfahren. Damit wird der eben noch als „Mister Innere Sicherheit“ umjubelte Minister jedoch für einen kurzen Moment zum unfreiwilligen Symbol einer Partei, die weiter vor einem Kulturkampf wegläuft, der längst zu ihr gekommen ist.

CDU-Chef Friedrich Merz bei der Grundsatzprogrammkonferenz seiner Partei: Außenpolitisch klar, innenpolitisch vage Foto: picture alliance / Flashpic | Jens Krick
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