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ESN-Fraktion, Europa der souveränen Nationen

Zukunft der EU: Eine radikale Wende

Zukunft der EU: Eine radikale Wende

Zukunft der EU: Eine radikale Wende

Jean-Claude Juncker
Jean-Claude Juncker
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: Zwischen 2014 und 2019 sind tragische Ereignisse geschehen Foto: picture alliance/Oliver Dietze/dpa
Zukunft der EU
 

Eine radikale Wende

Bei dieser Wahl zum EU-Parlament geht es um einen fundamentalen Streit. Auf der einen Seite stehen wir, die die Welt der traditionalen Werte verteidigen, auf der anderen Seite sind die Menschen, die die heutige Zivilisation vernichten möchten. Weitere Unifikationsversuche sind absolut inakzeptabel. Ein Kommentar von Václav Klaus.
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Anläßlich der EU-Parlamentswahl habe ich sehr gemischte, bestimmt nicht optimistische Gefühle. Es gibt mehrere Gründe dafür. Sehr gefährlich ist, daß die Zahl der hoffentlich wohlgemeinten Reformvorschläge, die die potentiellen EU-Abgeordneten täglich ankündigen, dramatisch zunimmt. Die Mehrheit von ihnen geht leider in die Richtung einer noch zentralistischeren EU. Ich bin überzeugt: Solche Veränderungen brauchen wir nicht. Wir brauchen etwas ganz anderes.

Falls die Europäische Union ihre heutige tiefe strukturelle Krise überwinden soll, muß sie eine radikale Wende durchmachen. Die Menschen in den postkommunistischen Ländern wissen das. Bloße kosmetische Veränderungen werden nicht helfen. Die Vorschläge zur tieferen Integration sind keine Verbesserung, im Gegenteil, sie sind ein Weg zum Zerfall und Chaos.

Die heutige EU befindet sich in einer ähnlichen Situation wie der Kommunismus in der letzten Phase seiner Existenz. Wir wußten damals, daß die Perestroika des damaligen sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow ein hoffnungsloser Versuch war, das kommunistische System zu modernisieren und damit zu retten. Wir waren uns sicher, daß die Grundlagen des kommunistischen Systems völlig verfault und unreformierbar waren. Wir sagten damals ganz eindeutig, daß wir nicht nur „Reformen“ einleiten müssen, sondern eine radikale Wende des ganzen Systems.

Falsche Konzepte verwerfen

Dasselbe kann man über die heutige Situation der Europäischen Union sagen. Die EU braucht eine Wende. Es ist nötig, einige der in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten entstandenen falschen Konzepte zu verwerfen, nicht zu verbessern. Deren Ergebnis war etwa der Vertrag über die Europäische Union von Maastricht 1992, der die schicksalhafte Wendung von der Zusammenarbeit und angemessenen Integration der souveränen Staaten zu einer permanenten Unifizierung bedeutete. Die Umbenennung von Europäischer Gemeinschaft zu Europäischer Union war keine harmlose oder formale Umgestaltung.

Es folgten zwei fundamentale Maßnahmen: das überwiegend politische Projekt des Euros als gemeinsamer Währung und das Schengener Abkommen. Sehr schnell zeigte sich, daß beide grundsätzlich falsch und schädlich sind. Die durch die Euro-Eliten durchgesetzte Unifizierung führte zum Lissabonvertrag von 2009, der eine weitere Schwächung der Mitgliedsstaaten verursachte. Ich war der letzte Staatspräsident, der diesen Vertrag unterzeichnete. Leider bin ich ganz allein geblieben. 

Die radikale Wende muß gerade hier beginnen, weil die souveränen Staaten der Kern Europas und auch der europäischen Integration sind und bleiben müssen. Nur damit könnte die demokratische Legitimation erneuert werden, die die heutige Union vermissen läßt. Es ist beispielsweise dringend erforderlich, die Notwendigkeit der qualifizierten Mehrheit bei Abstimmungen abzuschaffen, die durch den Lissabonvertrag eingeführt worden war.

In dieser Wahl geht es um einen fundamentalen Streit

Absolut inakzeptabel sind weitere Unifikationsversuche wie zum Beispiel die Transfer- und die Fiskalunion, die Steuervereinigung, die gemeinsame europäische Staatsanwaltschaft oder sogar die EUArmee. In dieser Wahl geht es um einen fundamentalen Streit. Auf der einen Seite sind wir, die die Welt der traditionalen Werte verteidigen, auf der anderen Seite sind die Menschen, die die heutige Zivilisation vernichten möchten. Dieser Streit berührt das Fundament der EU und wurde in die mittel- und osteuropäischen Länder importiert. In den Mainstream-Medien wird das aber nicht so klar beschrieben. Das müssen wir machen.

Zwischen der EU-Parlamentswahl von 2014 und jener in diesem Jahr sind wesentliche tragische Ereignisse geschehen. 2015 wurde Europa durch die Masseneinwanderung aus dem Mittleren Osten, Asien und Afrika getroffen. Oder besser: Die Europäische Union hat sie ermöglicht; manche sagen sogar mitorganisiert.

Die riesige Welle der Migranten wurde einerseits durch die pseudohumanitäre Geste von Bundeskanzlerin Angela Merkel, andererseits durch die falsche Konstruktion von Schengen bewirkt. Es war ein katastrophaler Fehler, die inneren Grenzen in der EU abzuschaffen und gleichzeitig die äußere Grenze nicht genügend zu sichern. Auch die falsche Ideologie des Multikulturalismus hat eine wichtige Rolle gespielt. 

Triumph des verderblichen Multikulturalismus

Die europäische „Nomenklatura“ beschloß in dieser Zeit zu allem Überfluß auch noch Gesetze und Verordnungen aller Art zum sogenannten Minderheitenschutz sowie zu einer weiteren Verschärfung der Politischen Korrektheit. Dies sind weitere Triumphe des verderblichen Multikulturalismus und eine Niederlage des gesunden Menschenverstandes und der Normalität. Und natürlich auch ein weiterer Zerfall der Freiheit in Europa.

Die Europawahl 2019 wird keine wesentliche Wende bringen, auch wenn es wahrscheinlich ist, daß im künftigen Europäischen Parlament – besser gesagt: Quasi-Parlament – die eurokritischen und euroskeptischen Kräfte stärker vertreten sein werden als bisher. Was die tschechischen EU-Repräsentanten angeht, bin ich noch pessimistischer. Die alten oder ihnen ähnliche Vertreter werden dort leider dominieren. Sie geben mir keine Hoffnung, in der EU etwas zu verändern.

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Prof. Dr. Václav Klaus war von 2003 bis 2013 Staatspräsident der Tschechischen Republik.

JF 22/19

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: Zwischen 2014 und 2019 sind tragische Ereignisse geschehen Foto: picture alliance/Oliver Dietze/dpa
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