Frankreich hat 13 tote Soldaten in einer eindrucksvollen Zeremonie zu Grabe getragen. Obwohl die Männer nicht im Kampf, sondern bei einem Helikopterabsturz über der Wüste von Mali ums Leben kamen, sprach Präsident Macron von „unseren Helden“.
Das ist eine Formulierung, die in Frankreich, aber auch in vielen anderen Ländern, durchaus üblich ist, wenn es um Soldaten geht, die im Dienst ihr Leben verloren haben. Entsprechend würdevoll war die Gedenkfeier im Hof des Invalidendoms, als Soldaten aller Waffengattungen vor den mit der Trikolore bedeckten Särgen antraten.
Noch eindrucksvoller wirkte aber die große Zahl der Menschen, die vom Pont Alexandre III her die Zufahrtsstraße säumten und den Toten die letzte Ehre erwiesen; Männer und Frauen in Uniform salutierend, die Zivilisten oft mit der französischen Flagge und Beifall klatschend, um ihren Respekt zu bekunden.
Militärfeindliche Gesellschaft
Man fühlt sich an ähnliche Szenen in der britischen Kleinstadt Wootton Bassett, nahe Bristol, erinnert, wenn die Wagen mit den Särgen der in Afghanistan Gefallenen im Schrittempo durch die Hauptstraße fuhren, die Kirchenglocken läuteten, die Läden schlossen, die Bewohner sich am Straßenrand versammelten und die Veteranen ihre Fahnen senkten. Es kam darin wie jetzt in Paris Geschlossenheit, Patriotismus und ein Bewußtsein der Schicksalsgemeinschaft zum Ausdruck.
Das bleibt selbstverständlich nicht unbestritten. Im aktuellen Fall meinte die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo die Gelegenheit nutzen zu müssen, um die Toten zu verhöhnen. Aber sicher findet das nur in urbanen, abgebrühten, bunten, liberalen Großstadtkreisen Anklang. Die Mehrheit wird dafür kaum Verständnis aufbringen. Das sind die, die in dem Gedicht, das der getötete Hauptmann Clément Frison-Roche als Kadett geschrieben hat, als „Frankreich“ angesprochen werden, dem er selbst dann dienen wolle, wenn er und seine Kameraden keine Anerkennung erwarten dürften.
Es ist schwer zu sagen, auf wieviel Zustimmung ein solcher Gedanke unter deutschen Soldaten treffen würde. In einem Land, dessen höchstes Gericht den Satz „Soldaten sind Mörder!“ für straffrei erklärt hat, und dessen Eliteeinheiten verdächtig sind, einen Hort des Extremismus zu bilden; in einem Land, das Politiker hervorbringt, die sich zum Großen Zapfenstreich Udo-Jürgens-Titel wünschen und man seine militärische Überlieferung dem Vergessen anheimgibt, auch und gerade die siegreiche.
Anomalie der deutschen Lage
Eine Bekannte schreibt: Wie kann man beim Anblick dieses Fotos nicht weinen?
Es zeigt den frz. Hauptmann Clement Frison-Roche mit seiner 7 Monate alten Tochter vor seinem Aufbruch nach Mali. Es war sein 1. Auslandseinsatz, er wäre im Dezember 28 Jahre alt geworden #Mali #Trauer https://t.co/UzBeo1R2zG— Michaela Wiegel (@MichaelaWiegel) November 26, 2019
In einem Land, in dem sich die Kinder von Berufssoldaten durchaus kritischen Nachfragen in der Schule ausgesetzt sehen und der Jugendoffizier zur persona non grata erklärt wird; in einem Land, das die Existenz von Veteranen, wenn überhaupt, dann nur verschämt zur Kenntnis nimmt und Geistliche die Trauung in Uniform verweigern; in einem Land, das die Gedenkstätte für seine Gefallenen aus der Hauptstadt verbannt und das Beschmieren eines Ehrenmals antifaschistischer Volkssport ist.
Es wird einem die Anomalie der deutschen Lage auch angesichts der Bilder aus Paris schmerzlich bewußt. Wer aber gelegentlich mit Soldaten der Bundeswehr spricht, wird die Erfahrung machen, daß unter denen, die das „Ehrenkleid“ tragen, immer noch genügend sind, die, gefragt, warum sie das tun, nicht auf die „Weltgemeinschaft“ oder „Europa“ oder irgendwelche wolkigen „Werte“ kommen, sondern auf den Schlüsselsatz ihres Fahneneides: „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“.