Der am weitesten reichende Beschluß dieses Sommers – im wahrsten Sinn des Wortes – war die Entscheidung Washingtons, eine neue Waffengattung, die Weltraumtruppe „Space Force“, aufzubauen. In den meisten Medien wurde das Thema als Eintagsfliege oder als Sternschnuppe behandelt.
Über die geopolitische und strategische Tragweite der künftigen Space Force Amerikas machte man sich keine höher fliegenden Gedanken. Muß man vielleicht in der kurzsichtigen, nur bis zur Nasenspitze diskutierenden Mediengesellschaft von heute auch nicht, jedenfalls solange man nur über Rentengarantien und Hilfen für Diktatoren vom Schlag Erdogan denkt.
Aber der Wandel der Zeiten läßt sich nicht begrenzen und er macht selbst vor dem Weltraum nicht halt. Gut ein halbes Jahrhundert nach Abschluß des Weltraumvertrags schicken die Supermächte des Globus sich an, das All dennoch und endgültig zu militarisieren. Washington verkündet es mit Aplomb – eine große Rede des Vizepräsidenten Mike Pence zur Schaffung der Weltraumtruppe – China und Rußland betreiben es schon seit Jahren heimlich.
Satelliten sind die Augen der modernen Weltmacht
Vordergründig geht es um den Schutz der Satelliten. Satelliten sind die Augen der modernen Weltmacht. China hat bereits Raketen getestet, die zielgenau Satelliten blenden. Mit ihnen können Vorgänge, Aufmärsche, Waffenfabriken genau analysiert, auf ihnen können Laserkanonen installiert werden. Von ihnen können Cyber-Angriffe ausgehen und das Internet gestört werden. Von ihnen können Drohnen gelenkt und in die Irre geführt werden.
Wer die Welt der Satelliten beherrscht, der beherrscht den Planeten. Es geht darum, wer zuerst erblindet, wer zuerst den Raum überwindet, wessen Schirm zuerst plötzlich schwarz wird. Der neue Wettlauf erinnert an die zwei Weltkriege des vorigen Jahrhunderts, als die Vereinigten Staaten sich spät aber noch rechtzeitig aufmachten, den hochgerüsteten Gegnern in Europa und Asien mit eigenen Rüstungsanstrengungen zu begegnen. Der Ausgang ist bekannt.
Auch diesmal wird Amerika an Rußland und China vorbeiziehen. Denn Amerika, die größte Wirtschaftsmacht der Welt, hat Ressourcen, über die keine andere Macht der Erde verfügt. Zunächst die Spitzentechnologie und Innovationsfähigkeit, gerade in militärischen Bereichen.
Impuls der Freiheit
Allein der Verteidigungshaushalt für das kommende Jahr ist doppelt so groß wie der gesamte Bundeshaushalt und größer als die Verteidigungshaushalte von China, Rußland, Indien, Frankreich, Großbritannien, Japan, Deutschland und Saudi-Arabien zusammen. Schon das läßt die enormen wirtschaftlichen Mittel erahnen, die es erlauben, eine gigantische Maschinerie in Gang zu setzen.
Am wichtigsten aber ist der Impuls der Freiheit. Er verbindet über parteipolitische Grenzen hinweg, eint die Kräfte und mobilisiert Massen in Fabriken, Universitäten und Ämtern. Rußland fehlen die Mittel und die Menschen, es hat mit sich selbst genug zu tun. Es hat außer in der Literatur kaum innovative Spitzenleistungen vorzuweisen.
Seit Peter dem Großen orientiert es sich am Westen. China hat zwar dreimal so viel Menschen wie Amerika, aber es altert schneller als Europa und wird unter seinen sozialen Problemen leiden. Und vor allem: Unter der bleiernen Platte der Diktatur gibt es weder Luft noch Raum zur Entfaltung eines industriellen Aufbruchs, wie es seinerzeit unter Reagan mit der Vision namens „Star war“ geschah. Es ist der metaphysische Atem der Freiheit, der dem Forscherdrang Raum verschafft, zur Ausdauer motiviert und der Arbeit Sinn verleiht.
Europa fast schon blind
Dieser Atem fehlt auch den Europäern. Ihre Wirtschaftssysteme sind bürokratisch verknöchert, ihre Sozialsysteme zu fett, ihre politischen Klassen ideologisch zu verfangen, die Geschichte ihrer Nationen zu sehr aufgeladen von Ressentiments, um planetare Herausforderungen anzunehmen. Sie sind in gewissem Sinn schon heute kurzsichtig bis blind.
Das Ergebnis ist absehbar: Europa wird in die totale Abhängigkeit von Amerika geraten. Denn die Sicherheit in der Zukunft wird im Weltraum entschieden. Das mag manchen immer noch besser erscheinen als eine Abhängigkeit von Russland oder China, zumal das System der Gewaltenteilung in den USA auch unter Trump funktioniert. Aber abhängig heißt: Weder wirklich frei noch souverän. Vielleicht gelingt es ja mal, nicht nur Schrauben und Maschinen zu exportieren, sondern auch über die Lufthoheit des eigenen Tellerrands hinaus zu denken.