Angela Merkel hätte schweigen können. Sie hätte auch sagen können, sie vertraue auf die Kompetenz der Menschen vor Ort, angemessene Entscheidungen in schwierigen Situationen zu treffen. Sie hätte – wie es sonst ihre Art ist – ausweichend antworten können, die Bundesregierung tue alles dafür, daß alle Menschen gern und gut in Deutschland leben.
Doch Angela Merkel wollte Stellung beziehen. Gegen die Tafel in Essen und deren freiwillige Helfer. Wie schon im Fall von Thilo Sarrazin, dessen Buch sie ungelesen als „nicht hilfreich“ abkanzelte, kritisiert sie nun die Essener Tafel ohne Kenntnis der dortigen Umstände. Nur weil die Einrichtung die Reißleine gezogen hat und vorerst keine weiteren Neukunden ohne deutschen Paß aufnimmt. „Da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen“, ratschlagte sie, um im typisch simplen Merkelstil zu ergänzen. „Das ist nicht gut.“
Tafeln müssen Folgen der Willkommenspolitik ausbaden
Es war also „nicht gut“, daß die Tafel in Essen nicht länger hinnehmen wollte, daß Rentnerinnen und alleinerziehende Mütter sich nicht mehr zur Lebensmittelausgabe trauten, weil sie sich dort zunehmend unwohl fühlten und verdrängt wurden. Verdrängt aufgrund einer Politik, die die hiesigen Sozialsysteme für unzählige Kostgänger aus aller Welt mit einem freundlichen Gesicht geöffnet hatten.
Dabei hatte Merkel selbst noch vor einigen Jahren gesagt, auch Hilfsbereitschaft habe Grenzen. Dem Flüchtlingsmädchen Reem antwortete sie im Juli 2015: „Und wenn wir jetzt sagen: ‘Ihr könnt alle kommen, und ihr könnt alle aus Afrika kommen, und ihr könnt alle kommen.’ Das, das können wir auch nicht schaffen.“
Doch dann folgte wenige Wochen später Merkels Kehrtwende in der Asylkrise und seitdem müssen sich die freiwilligen Helfer der Tafeln mit den Folgen herumschlagen – und das nicht nur in Essen. Deutschlandweit stöhnen die Essensverteiler über die Anspruchshaltung vieler Asylbewerber und Flüchtlinge, die fordernd und undankbar zur Lebensmittelausgabe erscheinen, drängeln und schubsen, weibliche Freiwillige respektlos behandeln und Vorzugsbehandlung verlangen.
Kein Asylbewerber muß Hunger leiden
Und daß, obwohl sie eigentlich längst ausreichend versorgt sind. Denn kein Asylbewerber muß in Deutschland Hunger leiden. Wer in einer Sammelunterkunft untergebracht ist, wird dort auch verpflegt. Alle anderen Asylsuchenden und Flüchtlinge erhalten monatlich Beträge, um sich selbst zu versorgen.
Wer das Geld allerdings für andere Dinge als Lebensmittel ausgibt oder in seine Heimat schickt, für den sind die Tafeln eine willkommene Zusatzversorgungseinrichtung. Nur genau das ist nicht Sinn und Zweck der Tafeln. Der gemeinnützige Verein richtet sich an „Menschen in Not“ – und zwar ausschließlich.
Über all das hätte Merkel einmal nachdenken können, bevor sie ihr Urteil über die Essener Tafel fällte. Aber vermutlich hätte sie auch diesen Ratschlag als „nicht hilfreich“ abgetan.