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Fünf Jahre AfD: Eine lebendige Demokratie braucht eine lebendige Opposition

Fünf Jahre AfD: Eine lebendige Demokratie braucht eine lebendige Opposition

Fünf Jahre AfD: Eine lebendige Demokratie braucht eine lebendige Opposition

AfD-Wahlplakat
AfD-Wahlplakat
AfD-Wahlplakat: Aus der Alternativlosigkeit zum OppositionsführerFoto: picture alliance/dpa
Fünf Jahre AfD
 

Eine lebendige Demokratie braucht eine lebendige Opposition

Nach dem Abgang von Bernd Lucke und Frauke Petry werde ich oft gefragt, ob ich denn immer noch dabei sei – bei diesem wilden, unberechenbaren, gärigen Haufen AfD. Und wenn ja, warum denn. Die Antwort ist auch nach fünf Jahren noch dieselbe: Weil es in Deutschland eine Opposition braucht, die diesen Namen verdient. Ein Gastbeitrag von AfD-Gründungsmitglied Konrad Adam.
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Am 6. Februar 2013 wurde im hessischen Oberursel die Alternative für Deutschland (AfD) aus der Taufe gehoben. Es waren die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als alternativlos etikettierte Euro-Rettungspolitik sowie der zunehmende Linkskurs der Union, die bei den Gründungsmitgliedern die Entscheidung reifen ließen, es sei Zeit für eine bürgerliche Alternative. Bei der Bundestagswahl 2013 verpaßte sie mit 4,7 Prozent noch denkbar knapp den Sprung ins Parlament.

Mit der sich zuspitzenden Flüchtlingskrise und dem aus Merkels Politik der offenen Grenzen resultierenden Asylchaos begann dann aber der eigentliche Aufstieg der AfD. Vorläufig jüngster Höhepunkt: Die AfD zog im September mit 12,6 Prozent in den Bundestag ein und wird dort aller Voraussicht nach unter einer neuen Großen Koalition die Opposition anführen. Wir haben mit Konrad Adam einen der Gründungsväter gebeten, anläßlich des fünften Jahrestags der Gründung seiner Partei eine persönliche Bilanz zu ziehen.

Bernd Lucke ist unter widrigen Umständen aus der AfD vertrieben worden und hat eine eigene Partei aufgemacht. Frauke Petry hat die AfD mit einigem Getöse verlassen und eine weitere Partei gegründet. Erfolg werden weder der eine noch die andere haben, denn ein Experiment wie die Neugründung einer Partei kann man nicht alle paar Tage wiederholen. Zumindest nicht in einem Staat wie Deutschland, wo die Parteibefehlshaber das politische Terrain wie Festungskommandanten überwachen und beherrschen.

Nachdem die beiden, die mit mir zusammen der AfD in den ersten beiden reichlich turbulenten Jahren als Sprecher gedient hatten, abgewählt oder abgetreten sind, werde ich oft gefragt, ob ich denn immer noch dabei sei und wenn ja, warum denn – in diesem wilden, unberechenbaren, gärigen Haufen.

Opposition muß Regierung verfolgen und stellen

Die Antwort ist heute noch dieselbe wie vor fünf Jahren, als die Partei am 6. Februar von einer handvoll Unerschrockener, die sich inzwischen in aller Welt verloren hat, gegründet worden war. Sie heißt: weil eine lebendige Demokratie eine lebendige Opposition braucht. Und weil es das – eine Opposition, die ihren Auftrag ernst nimmt – bis zum Erscheinen der AfD im Deutschen Bundestag nicht gab.

Daß sie tatsächlich fehlte, haben die Kartellparteien auf ihre Weise selbst zugegeben, als sie sich über Alexander Gaulands Ankündigung, sie jagen zu wollen, den Mund zerrissen. Denn genau das, das Treiben und Verfolgen und Stellen der Regierung, ist Aufgabe einer guten Opposition. Nur Führerstaaten und Volksdemokratien glauben, auf eine Opposition verzichten zu können und haben das auch getan. Mit welchem Ergebnis, das haben der Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ und das Ausbluten des „roten Ostens“ anschaulich bewiesen.

So ein Schicksal wollte ich Deutschland zum dritten Mal ersparen. Die AfD war nicht der erste, aber, allen Rückschlägen und Enttäuschungen zum Trotz, der erfolgreichste Versuch in dieser Absicht.

Parteien haben die Verfassung ausgehebelt

Schon in den neunziger Jahren hatte ich gemeinsam mit ein paar anderen eine Gruppe zusammengebracht, die das einzige der fünf hohen Staatsämter, die sich hierzu anboten, das Amt des Bundespräsidenten, mit einem Ostdeutschen, dem Biochemiker Jens Reich, besetzen wollte. Die Unterstützung reichte von Arnulf Baring und Joachim Fest auf der einen, zu Antje Vollmer und Daniel Cohn-Bendit auf der anderen Seite.

Und gewiß wäre der schwierige Prozeß des Zusammenwachsens nicht nur schneller und weniger schmerzhaft, sondern auch billiger verlaufen, wenn die Neubürger aus dem Osten das Gefühl gehabt hätten, daß einer, der Ähnliches wie sie erlebt und durchlitten hatte, nicht nur eine, sondern zwei Parteidiktaturen nämlich, wenn also einer von ihnen in Bonn und später in Berlin für sie hätte das Wort ergreifen können. Alles, was dazu nötig gewesen wäre, besaß Jens Reich. Er war mutig, unabhängig, sprachgewandt und international erfahren. Was ihm fehlte, war der Parteigeruch. Deshalb kam er nicht zum Zuge.

Hier zeigt sich die größte Schwäche des sonst so vorbildlichen Grundgesetzes. Es leidet unter der Übermacht der Parteien, die mit ihren Vorschlägen, Kandidaten und Programmen immer dann zur Stelle sind, wenn die Gewaltenteilung, der sicherste Schutz unserer bürgerlichen Rechte, greifen soll. Auf diesem Weg haben die Parteien die Verfassung stillschweigend, aber überaus wirksam ausgehebelt.

Karrieristen, die von der Politik leben wollen

Am gründlichsten versagen sie dort, wo ihre erste Aufgabe läge: bei der Identifizierung, dem Heranziehen und der Ausbildung junger Talente für die Aufgabe der Politik. Was soll man von einer SPD halten, die es wagt, einen Mann wie Martin Schulz als Spätnachfolger Willy Brandts zu präsentieren? Was von einer CDU, die Friedrich Merz in die Wüste schickt, um Angela Merkel zuzujubeln?

Jede Staatsform ist auf ein Führungspersonal angewiesen, das mehr kann und will als die meisten anderen. Die Demokratie an erster Stelle. Aber das gelingt ihr kaum noch. Und daß es ihr nicht gelingt, liegt am Versagen der Parteien. Sie haben die Köder so präpariert, daß diejenigen am gierigsten nach ihnen schnappen, für die sie am wenigsten gedacht sind.

Berufen fühlen sich Leute, die, um es mit Max Weber zu sagen, von der Politik, aber nicht für die Politik leben wollen. Oder, wie es mir ein frischgebackenes Parteimitglied wenige Wochen nach dem 6. Februar 2013 offenherzig anvertraute: „Ich habe Schwierigkeiten im Beruf bekommen. Jetzt muß ich in den Bundestag.“

Dieser Typ dürfte in allen Parteien mindestens ein Drittel der Fraktionsmitglieder stellen, in der AfD eher mehr als weniger. Ein Mann wie Armin-Paul Hampel, Noch-Landesvorsitzender in Niedersachsen, gibt offen zu, daß es ihm in der Politik ums Geld und um sonst nicht viel mehr geht. Dieser Mann hat einen Ruf wie Donnerhall. Als ich zum ersten Mal seinen Namen hörte, da gleich im Zusammenhang mit einer Forderung von knapp 10.000 Euro monatlich – für einen Job, den es noch gar nicht gab in einer Partei, die Schulden hatte, aber kein Geld.

Es fehlen die Politiker aus der guten Ordnung

Es ist diese Art von Volksvertreter, die aus der AfD einen gärigen Haufen und der Fraktionsführung das Leben schwergemacht hat. Das Überleben der Partei wird davon abhängen, ob es ihr gelingt, sich von den Hampels, die es in allen Landesverbänden gibt, rechtzeitig und glaubwürdig zu distanzieren. Auf längere Sicht wird sie nur dann Erfolg haben, wenn sie Antworten auf die drei Schlüsselfragen findet, von denen es abhängt, ob Deutschland ein Land bleibt, in dem es sich auch in Zukunft gut und gerne leben läßt.

Diese drei Fragen sind: Was wird, wenn aus einer Welt ohne Grenzen eine Welt grenzenloser Gewalttätigkeit wird? Was wird, wenn sich die Natur gegen ihre Ausbeutung zur Wehr setzt und immer brutaler zurückschlägt? Was wird, wenn die Kommerzialisierung immer weitere Lebensbereiche unter sich begräbt und außer der baren Zahlung am Ende nichts mehr übrigbleibt?

Der Sozialdemokrat und Widerstandskämpfer Julius Leber, der seinen Einsatz für Deutschland mit dem Leben bezahlte, soll einmal gesagt haben: Große politische Führer kommen aus dem Chaos. Aus der guten Ordnung kommen sie selten. Aus der Ochsentour nie. Deutschland leidet unter den Vielzuvielen, die die Ochsentour hinter sich haben – und sonst nichts.

Was uns fehlt, auch der AfD, sind Politiker aus der guten Ordnung. Sie sind selten, aber kommen doch vor. Auf sie sollten wir setzen. Denn das Chaos will ich um keinen Preis. Auch nicht um den eines großen Führers oder einer großen Führerin. Von beidem habe ich genug, für immer!

AfD-Wahlplakat: Aus der Alternativlosigkeit zum OppositionsführerFoto: picture alliance/dpa
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