„Irgendwann erwischt es jeden“, so lautet ein geflügeltes Wort. In Zeiten der überbordenden politischen Korrektheit ist das, was da jeden irgendwann erwischt, nicht selten der Vorwurf des Rassismus. Nun hat es jemanden erwischt, der damit wohl nicht gerechnet hat, nicht rechnen konnte, weil er eigentlich nur ein fiktiver Charakter in einer Zeichentrickserie ist.
Wohl aber ein legendärer. Apu Nahasapeemapetilon, der lustige indische Supermarktverkäufer aus der Kultserie „Die Simpsons“ soll, so der Vorwurf, eine rassistische Stereotype sein. Die Macher wollen ihn deshalb jetzt angeblich aus der Serie verschwinden lassen.
Es geht nicht nur um Apu
Fast 30 Jahre laufen die Simpsons nun schon weltweit im Fernsehen. In diesen 30 Jahren spielten die Autoren und Zeichner der Cartoon-Reihe auch immer wieder mit allerlei Klischees bei der Charakterisierung ihrer Protagonisten. Dies war für die klassisch liberalen Serienmacher bisher nie ein Problem. Schließlich bekamen alle satirisch thematisierten Gruppen gleichermaßen ihr Fett weg: Krusty, der neurotische jüdische Clown, dessen orthodoxer Vater nie so richtig zufrieden mit ihm war. William MacMoran, der rauflustige schottische Hausmeister, der in einer heruntergekommenen Hütte auf dem Schulgelände wohnt.
Fat Tony, der Italo-Amerikaner, der natürlich bei der Mafia ist. Wenn man sich die Serie einmal ganz genau betrachtet, besteht sie eigentlich nur aus Klischees und Stereotypen. Besonders deutlich wird dies an der Figur des Uter Zörker. Der dicke junge in den Lederhosen ist im US-Original eigentlich Deutscher, mußte aber für die deutsche Synchronisation zum Schweizer gemacht werden, weil sich viele der Witze und Sprüche von und um ihn so sehr auf seinen kitschigen Dialekt beziehen, daß sie sonst vom deutschen Publikum nicht verstanden worden wären.
Der „typische Inder“ Apu ist also keine Ausnahme, sondern humoristisches Prinzip der Serie. Warum soll also gerade er im Namen der politischen Korrektheit in die ewigen Jagdgründe der Fernsehlandschaft abgeschoben werden?
Indischstämmiger Komiker hielt Figur für rassistisch
Losgetreten hatte die humorlose Debatte ausgerechnet ein Comedian. Der indischstämmige Komiker Hari Kondabolu kritisierte die Darstellung des Inders Apu als rassistisch. Mit „The Problem With Apu“ widmete er der Thematik gleich einen ganzen Dokumentarfilm und generierte damit viel Aufmerksamkeit für sich und das „Problem“.
Apus Darstellung fühle sich seit nunmehr Jahrzehnten verletzend und beleidigend für die indische Gemeinde in den USA an, sagt er. Seine Forderung: Die Serienmacher sollen Apus Charakter entweder komplexer machen oder ihn sterben lassen.
Der letzten Aufforderung wollen die Macher der Simpsons jetzt offenbar tatsächlich nachkommen. Dies behauptet zumindest der ebenfalls indischstämmige TV- und Kinoproduzent Adi Shanka. Er bezieht sich dabei auf mehrere Quellen aus dem Simpsons-Umfeld. Das Ende der Figur soll laut seinen Informanten ohne großes Aufheben vonstattengehen. Der Charakter soll einfach still und heimlich verschwinden und künftig nicht mehr auftauchen.
Die Simpsons sind langweilig geworden
Weder die Produzenten selbst noch der auftraggebende US-Sender Fox wollten das bisher konkret bestätigen. Auffallend ist aber, daß von dort auch kein Dementi zu vernehmen ist.
Sollte man sich bei den Simpsons wirklich der Kritik beugen, würde das nur noch einmal überdeutlich machen, was die einst sehr unterhaltsame Serie in den letzten Jahren so langweilig hat werden lassen. Viele Fans der ersten Stunde sehen sie sich längst nicht mehr regelmäßig an.
Als man Ende der 80er Jahre startete, hatte das Programm tatsächlich etwas rebellisches. Man machte sich lustig über das piefige Spießertum in den amerikanischen Kleinstädten. Man witzelte über konservative Politiker und wagte mit Seitenhieben gegen das Fox-Sendernetzwerk sogar Kritik am eigenen Arbeitgeber.
„South Park“ geht einen anderen Weg
In den letzten 30 Jahren ist viel passiert. Heute sind es längst nicht mehr in erster Linie die politisch Konservativen, die Sprechverbote erteilen und via Zensur die künstlerische Freiheit der Kreativen einschränken wollen. Die Macher anderer Animationsserien wie „Family Guy“ oder „South Park“ haben das erkannt und daraus inhaltliche Konsequenzen für ihre Drehbücher gezogen.
Vor allem die „South Park“-Macher haben sich dem neuen Kampf für die Meinungsfreiheit verschrieben und ihren neuen Feinden, den „Social Justice Warriors“, ganze Staffeln ihrer Serie gewidmet. Bei den Simpsons wagte man solche Schritte allenfalls halbherzig.
Zu groß wohl die Verbundenheit mit dem linksliberalen Spektrum. Überhaupt waren die Simpsons in ihrem Rebellentum immer ziemlich zeitgeistig. Man wollte frech sein, ohne zu sehr zu provozieren. In Zeiten, in denen solche Freiheiten selbstverständlich waren, kam man damit durch. Jetzt könnte diese Unentschlossenheit der Anfang vom Ende sein.