Mit der Verhaftung des von Spanien für abgesetzt erklärten katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont hat sich die Bundesregierung in eine schwierige Position gebracht. Und ja, verantwortlich für die Festnahme ist natürlich die Bundesregierung. Die Entscheidung über den Zugriff vergangenen Sonntag an der A7 unweit der dänischen Grenze war eine politische Entscheidung.
Das bestätigte auch der Kölner Strafrechtsexperte Nikolaos Gazeas Zeit Online. Der Europäische Haftbefehl wirke nicht automatisch. „Puigdemont mußte in Deutschland von deutschen Behörden zur Fahndung ausgeschrieben werden. Das muß von höchster politischer Ebene zumindest gebilligt worden sein“, sagte Gazeas.
Die Deutschen hätten einfach wegschauen sollen
Daß es auch anders gegangen wäre, beweisen Finnland, Schweden und Dänemark. Die Finnen haben die Spanier hingehalten. Einen Europäischen Haftbefehl, den Helsinki aus Madrid erhielt, akzeptierten die Finnen zunächst nicht und forderten das Dokument erst einmal auf Englisch an. Schließlich wurde es übersetzt. Das gab Puigdemont Zeit. In Finnland existiert ein starker katalanischer Freundeskreis um den Parlamentsabgeordneten Mikko Kärnä.
Vor den mit einer Verhaftung verbundenen Problemen schreckte Finnland ganz offenbar zurück. Laut einem Bericht der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter habe die Zentrumspartei von Ministerpräsident Juha Sipilä mit Erfolg versucht, Puigdemonts Reiseplan so lange „in Nebel zu hüllen“, bis er das Land wieder verlassen hatte.
Auch durch Schweden konnte er ungehindert reisen. Dasselbe Spiel im Nachbarland Dänemark. Man habe die Information des spanischen Geheimdienstes, daß Puigdemont im Land sei, zu spät erhalten und konnte nicht mehr rechtzeitig eingreifen, hieß es von den dänischen Behörden. Wer’s glaubt! Die Skandinavier haben das geschafft, was den Deutschen scheinbar unmöglich war: Einfach mal wegschauen anstatt im Verfolgungseifer, noch dazu angetrieben vom Geheimdienst eines anderen Staates, Befehle ausführen.
Deutschland darf nicht zum Erfüllungsgehilfen Madrids werden
Deutschland hat sich damit, ob es will oder nicht, zur Konfliktpartei des Katalonien-Konflikts gemacht. Liefert das Land Puigdemont nicht aus, wird das Verhältnis zu Spanien langfristig getrübt bleiben. Überstellt ihn die Bundesrepublik an Spanien, werden bei vielen Katalanen Erinnerungen an 1940 wach werden, als die Gestapo den damaligen katalanischen Präsidenten Lluís Companys an Franco-Spanien überstellte, das ihn wenig später hinrichtete.
Deutschland kann und muß jetzt beweisen, daß es aus seiner Geschichte gelernt hat. Den demokratisch gewählten Präsidenten einer Region auszuliefern, der in Spanien unter dem Vorwand der „Rebellion“ angeklagt wurde und keinen fairen Prozeß zu erwarten hat, wäre eines demokratischen Rechtsstaates wie Deutschland unwürdig.
30 Jahre Haft drohen Puigdemont im Königreich – weil er auf friedlichem Weg und nach unzähligen abgelehnten Gesprächsangeboten an die Madrider Zentralregierung sein Volk über dessen Zukunft abstimmen ließ. Mit dem Europäischen Haftbefehl versucht Spanien, ein politisches Problem auf juristischem Weg zu lösen. Deutschland sollte sich nicht zum Erfüllungsgehilfen spanischer Revanchegelüste machen!