Die AfD trägt auch als Oppositionspartei große politische Verantwortung. Im Bundestag, in 14 Landtagen, in den Kommunen. Gemessen wird die Verantwortung der Partei am Verhalten ihrer Mandatsträger. Mit Doppelmandaten im Europäischen Parlament und im baden-württembergischen Landtag wird man dieser Verantwortung nicht gerecht.
AfD-Parteichef Jörg Meuthen sollte seine Entscheidung revidieren, als Nachrücker im Europäischen Parlament zugleich sein Landtagsmandat in Stuttgart „für den unabdingbaren Zeitraum eines geordneten Übergangs“ behalten zu wollen. Im Frühjahr 2016 haben die Wähler im Südwesten die AfD mit einem beeindruckenden Ergebnis ausgestattet.
Gut 15 Prozent waren es; die damals gerade drei Jahre alte Partei mit ihrem Spitzenkandidaten Meuthen überflügelte gar die Traditionspartei SPD. Diese Wähler wollten eine AfD, die klare Kante zeigt gegen die seinerzeit grün-rote Landesregierung. Nach 58jähriger Regierungszeit taumelte die CDU 2011 in der Opposition und rettete sich nach der jüngsten Wahl als Juniorpartner in die grün-schwarze Regierung – Meuthens Chance.
Nicht akzeptable Begründung
Er verspielt diese Chance, wenn er jetzt das Weite in Brüssel und Straßburg sucht, aber gleichzeitig in Stuttgart noch ein bißchen mitreden will. So wie sie Meuthens Ex-Parteifreund Marcus Pretzell längst vertan hat, der Doppelmandatsträger in Europa mit Zweitwohnsitz im Düsseldorfer Landtag. Ganz zu schweigen von Pretzells Ehefrau Frauke Petry, Meuthens einstige Co-Parteichefin, mit Doppelmandat im Bundestag und im sächsischen Landtag.
Will Meuthen wirklich seine Wähler enttäuschen, seine persönliche Reputation aufs Spiel setzen und schließlich als Parteichef die AfD in ein schiefes Licht rücken? Jene AfD, die im Frühjahr 2013 als hoffnungsvolle Neugründung angetreten war, die Verkrustungen des Parteiensystems aufzubrechen.
Sicher, Doppelmandate hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Stets aber nur für eine kurze Übergangszeit. Es waren wenige Einzelfälle. Doch Meuthen will sich zeitlich nicht festlegen, wann er sein Landtagsmandat niederlegt. Er spricht von einer „notwendigen Übergangszeit“. Eine schwammige, nicht akzeptable Begründung. Keine Frage, Doppelmandate sind rechtlich zulässig.
Meuthen darf zugleich in beiden Parlamenten arbeiten. Was rechtlich zulässig ist, ist politisch aber oft daneben. Dafür sollten Politiker ein Gespür entwickeln. Aus Verantwortung gegenüber dem Wähler. Und aus Verantwortung gegenüber dem Parlamentarismus. Damit wird Meuthens Entscheidung zur Stilfrage.