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Wahlwerbung: Bertelsmann-Stiftung eilt Kanzlerin Merkel zu Hilfe

Wahlwerbung: Bertelsmann-Stiftung eilt Kanzlerin Merkel zu Hilfe

Wahlwerbung: Bertelsmann-Stiftung eilt Kanzlerin Merkel zu Hilfe

Einheimische und Einwanderer
Einheimische und Einwanderer
Gut integriert? Einheimische und Einwanderer musizieren gemeinsam Foto: dpa
Wahlwerbung
 

Bertelsmann-Stiftung eilt Kanzlerin Merkel zu Hilfe

Pünktlich vor der Bundestagswahl hilft die Bertelsmann-Stiftung Kanzlerin Angela Merkel mit einer als wissenschaftlicher Studie getarnten Werbeschrift. Moslems seien besser integriert als angenommen, jubeln die Autoren. Bezeichnenderweise hat kaum ein journalistischer „Multiplikator“ die frohe Botschaft hinterfragt. Ein Kommentar von Fabian Schmidt-Ahmad.
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Weihnachts-Abo, Weihnachtsbaum, Zeitungen

Stolz hatte vor zwei Monaten CDU-Generalsekretär Peter Tauber die Werbeagentur Jung von Matt als neuen Partner für die Bundestagswahl präsentiert. Seitdem strahlt Parteichefin Angela Merkel nicht nur die Erotik eines Joghurtbechers aus, sie wird auch wie ein solcher beworben – für gute Politik, die uns gerne hat. Leider erwähnte Tauber nicht, daß bereits seit vielen Jahren eine weitere Agentur die Politik der Bundeskanzlerin eifrig bewirbt.

Freilich fällt dies zunächst nicht auf. Denn als besonderen Gag gibt diese Agentur Werbebroschüren in einer Form aus, die zunächst an wissenschaftliche Studien erinnert. Doch tatsächlich sind hier knallharte Werbeprofis unter der Leitung von Merkels enger Freundin Elisabeth Mohn am Wirken: Hast du ein mieses Produkt, behaupte einfach das Gegenteil und das möglichst oft, denn insgeheim will der Kunde doch betrogen werden.

Immer dann also, wenn die Bundeskanzlerin mal wieder einen ihrer katastrophalen Fehler zum Nachteil der Deutschen durch einen weiteren katastrophalen Fehler zu übertünchen sucht, steht die Bertelsmann-Stiftung mit einer neuen Studie bereit, die schambefreit diese Politik verherrlicht. Viel Geld für die Euro-Rettung versenken? Bertelsmann klärt auf: Alternativlos, denn ein Scheitern des Euro „hätte für Deutschland verheerende Folgen“.

Auch die Werbekollegen von der Presse jubeln

Nicht verwunderlich also, wenn die Stiftung pünktlich zum Wahlkampf mit einer Studie aufwartet, die den für Europa bisher wohl tödlichsten Fehler in Merkels Kanzlerschaft zum beherrschbaren Problem umdeutet: ihr völliges Versagen in der sogenannten Flüchtlingskrise im Sommer 2015. Wer sich nun das Flugticket für den Urlaub sparen kann, weil der Orient jetzt vor seiner Haustür beginnt, für den haben die Werbeleute von Bertelsmann noch weitere tolle Infos.

„Integration von Muslimen in Deutschland macht deutliche Fortschritte“, bejubelt die Stiftung ihre Studie „Muslime in Europa“, die freilich mit dem vorwurfsvollen Untertitel „Integriert, aber nicht akzeptiert?“ daherkommt. Damit liegt sie voll auf Regierungslinie, hat doch Kanzleramtschef und CDU-Großdenker Peter Altmaier erst kürzlich eine deutsche „Leitkultur“ zur flexiblen Verhandlungssache am runden Tisch zwischen Moslems und den verbliebenen Eingeborenen erklärt.

Auch die Werbekollegen von der Presse jubeln mit. „96 Prozent der Muslime fühlen sich Deutschland verbunden“, titelt die Welt. „Gute Noten für Deutschland bei Integration von Muslimen“, lobt die Süddeutsche Zeitung. Sogar die notorisch schlechtgelaunte taz sieht „Deutschland auf gutem Weg“. Natürlich muß man Werbung als das nehmen, was sie ist: plakative Behauptungen ohne Substanz.

So einfach kann Wissenschaft sein

Bezeichnenderweise hat kaum ein journalistischer „Multiplikator“ die frohe Botschaft hinterfragt. Zu den wenigen, die nicht auf den pfiffigen Werbedreh hereingefallen sind, gehört Ferdinand Knauß von der Wirtschaftswoche. Er hat sich die Studie genauer angeschaut und humorlos als „Unsinn“ eingestuft.

Das ist unfair, sind Werbefachleute doch keine Wissenschaftler, wie schon gleich der allererste Satz der Studie deutlich macht: „Muslime sind die größte religiöse Minderheit in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern.“ Die größte Minderheit klingt fetzig, läßt aber ohne Erläuterung reichlich Fragen offen. Minderheit in bezug auf was? Zu getauften oder zu praktizierenden Christen? Eines Landes, eines Stadtviertels? Schließlich gibt es Gebiete in Westeuropa, in denen Moslems deutliche Mehrheiten erlangt haben, insbesondere im Kreißsaal. Alles das bleibt undeutlich.

Doch dafür sind die Botschaften der Studie schön griffig. Die befragten Moslems – allesamt vor 2010 eingewandert – sehen die Aufnahmeländer „als ihre Heimat an, was sich in einer engen Verbundenheit und Identifikation äußert“. Woher die Autoren das wissen? Sie haben ganz einfach gefragt. Auf einer Skala von eins bis vier: „Wie verbunden fühlen Sie sich mit Deutschland?“ Wer hier sich – wem oder was eigentlich? – verbunden oder eher verbunden fühlte, mutierte so zum Integrationswunder. So einfach kann Wissenschaft sein, wenn sie nur Werbung ist.

Werbung basiert auf gekonntem Lügen

Leider bleiben die Autoren hier hinter ihren Möglichkeiten. Stellen wir uns nur die Antworten auf Fragen vor wie: „Besuchen Sie Feiern von Nichtmuslimen?“, „Sind Sie gewalttätig?“, „Wenn ja, ist Gewalt gegen Nichtmuslime eine Option für Sie?“ Wir würden feststellen, daß die sogenannte Terrorgefahr nur virtuell ist. Überhaupt sind viele Probleme nur virtuell. So kommt die Studie zu dem sensationellen Ergebnis, daß in Deutschland Moslems seltener arbeitslos sind als die deutsche Restbevölkerung, nämlich fünf Prozent zu sieben Prozent.

Das kommt selbst den Autoren etwas komisch vor, weshalb sie in einer Fußnote von „Konfidenzintervall der Stichprobe“ nuscheln. Kurzum, die Befragten haben sie wohl angelogen. Was in Ordnung ist, schließlich basiert Werbung auf gekonntem Lügen – und auf guter Unterhaltung. Und da ist die Bertelsmann-Stiftung mit ihren amüsanten Phantasiestudien und witzigen Forderungen eindeutig der Agentur Jung von Matt überlegen, die uns mit langweiligen Plakaten und einfältigen Sprüchen anödet.

Spätestens wenn die Stiftung entdeckt, daß sie mit ihrem pseudowissenschaftlichen Unterhaltungsprogramm nicht nur die Politik der Kanzlerin, sondern auch Joghurtbecher anpreisen kann, könnte es also für den einen oder anderen Riesen der Werbebranche eng werden.

JF 36/17

Gut integriert? Einheimische und Einwanderer musizieren gemeinsam Foto: dpa
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