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Exklusiv-Gespräch: JF-Interview: Warum sind Sie nicht Bundeskanzler, Herr Kickl?

Exklusiv-Gespräch: JF-Interview: Warum sind Sie nicht Bundeskanzler, Herr Kickl?

Exklusiv-Gespräch: JF-Interview: Warum sind Sie nicht Bundeskanzler, Herr Kickl?

Er wurde von Österreichs Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen mit der Regierungsbildung beauftragt. Warum daraus nichts wurde, erzählt FPÖ-Chef Herbert Kickl im JF-Interview. Foto: picture alliance Lisa Leutner
Er wurde von Österreichs Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen mit der Regierungsbildung beauftragt. Warum daraus nichts wurde, erzählt FPÖ-Chef Herbert Kickl im JF-Interview. Foto: picture alliance Lisa Leutner
Er wurde von Österreichs Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen mit der Regierungsbildung beauftragt. Warum daraus nichts wurde, erzählt FPÖ-Chef Herbert Kickl im JF-Interview. Foto: picture alliance Lisa Leutner
Exklusiv-Gespräch
 

JF-Interview: Warum sind Sie nicht Bundeskanzler, Herr Kickl?

Er war kurz davor, Österreichs erster freiheitlicher Bundeskanzler zu werden. Warum die Verhandlungen mit der ÖVP gescheitert sind, was Brüssel damit zu hat und warum auch Marine Le Pen am Ende gewinnen wird, erzählt FPÖ-Chef Herbert Kickl im Interview mit der JF.
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Warum sind Sie nicht Bundeskanzler, Herr Kickl?

Herbert Kickl: Weil es die ÖVP durch ihre Art und Weise der Verhandlungen verhindert hat. Sie wollte den 29-Prozent-Wahlsieger abspeisen wie die Grünen, die damals 14 Prozent hatten. Gleichzeitig haben sie alle Themen, die wir im Wahlkampf angekündigt haben, blockiert. Die ÖVP wollte uns die wichtigen Ressorts Finanz und Inneres vorenthalten und dem FPÖ-Kanzler die EU-Agenden auch noch wegnehmen. Ich wäre zwar Kanzler gewesen, hätte aber nichts von dem umsetzen können, was unseren Wählern wichtig ist. Wir Freiheitliche wollten Österreich ehrlich regieren – die ÖVP wollte davon aber nichts wissen, sie wollte um jeden Preis an der Macht bleiben und hat auf Sprengen der Gespräche verhandelt, um dann wieder die „Verlierer-Ampel“ zu beleben. Unter dem Strich muß man sagen: Die ÖVP hat die Verhandlungen mit uns nie ernst genommen.

Österreichs Schulden sind viel höher als angenommen. SPÖ-Finanzminister Marterbauer hält ein EU-Defizitverfahren nicht mehr für vermeidbar. Was kommt da auf die Bürger zu?

Kickl: Vermutlich sehr viel und nichts Gutes. Man muß generell folgenden Unterschied herausarbeiten: Es gibt Parteien, für die ist ein stetig anwachsender Schuldenhaufen ein Problem. Die sagen, das können wir nicht machen, weil die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Da zähle ich uns als FPÖ dazu. Dann gibt es aber Parteien, denen das ganz offenkundig wurscht ist. Dazu gehören die Sozialisten. Daß die das jetzt in die Richtung des Defizitverfahrens treiben, das wundert mich nicht.

Und die ÖVP ist auch einmal so – und einmal so. Für uns war es vollkommen klar, wir wollen dieses Defizitverfahren nicht haben. Zum einen, weil es negative Auswirkungen hat, logischerweise auf das Rating, auf die Kreditwürdigkeit, und die Kosten damit einen negativen Impact auf die Wirtschaft haben. Zum zweiten aber ist das logischerweise ein Griff in das rot-weiß-rote Lenkrad durch die Europäische Kommission. Das ist eine Form von Fremdbestimmung, die sich mit unserem Selbstverständnis nicht verträgt. Man muß das machen, was jeder Haushalt auch macht: Man muß die monatlichen Ausgaben auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen.

Dazu zählen etwa Unterstützungen für die Europäische Union und die vielen Gelder, die wir unter den verschiedensten Titeln ins Ausland zahlen. Und dann gibt es noch den gesamten Asylbereich, wo wir uns Milliarden sparen können. Ich bin auch dagegen, zu den Schulden weitere Schulden dazuzugeben, indem wir uns bei Sky-Shield beteiligen. Wenn die Europäische Union jetzt sagt, das könnt ihr herausrechnen, dann hilft das nichts, weil die Schulden ja trotzdem bleiben. Gespart werden muß im System und bei den angeführten Bereichen, aber nicht bei Pensionisten und all jenen, die jahrzehntelang in dieses System einbezahlt haben.

Außenministerin Beate Meinl-Reisinger ist bereits sehr aktiv. Wie kommentieren Sie ihre Reise in die Ukraine? Ist Österreichs Neutralität in Gefahr?

Kickl: Seit dem Beginn des Ukraine-Konflikts arbeiten die Regierenden an der schrittweisen Demontage unserer Neutralität. Eine Politikerin wie Beate Meinl-Reisinger, die noch nie viel von der Neutralität gehalten hat und Österreich am liebsten in eine Filiale der Europäischen Union verwandeln möchte, offen für eine EU-Armee und den Nato-Beitritt ist, stellt daher eine große Gefahr für unser Land dar. Die Reise in die Ukraine fällt da nicht weiter ins Gewicht, aber sie schadet natürlich.

Die Außenministerin eines immerwährend neutralen Landes hätte eine Aufgabe: vermitteln. Bruno Kreisky hat es damals vorgemacht. Nicht zuletzt seiner aktiven Neutralitätspolitik haben wir es zu verdanken, daß Wien als Standort vieler internationaler Organisationen wie der Uno oder der OSZE ausgewählt wurde. Davon ist aktuell leider keine Rede – im Gegenteil: Die österreichische Regierung – sowohl die aktuelle Ampel als auch Schwarz-Grün davor – hängt fest im Windschatten der kriegstreiberischen EU. Damit macht sie Österreich zu einem potentiellen Angriffsziel, weil uns das Ausland nicht mehr als neutral ansieht.

Die ÖVP hat angekündigt, den Familiennachzug zu stoppen. Trauen Sie der Volkspartei zu, die Asylwende auch ohne die FPÖ zu schaffen? Und drücken Sie vielleicht die Daumen, daß es nicht gelingt?

Kickl: Also eines kann ich Ihnen garantieren: Im Sinne der Sicherheit der Österreicher wünsche ich mir nicht, daß dieses Projekt mißlingt. Aus der Erfahrung der letzten Jahrzehnte, in der die ÖVP die Verantwortung für das Innenministerium getragen hat, muß ich aber leider sagen: Ich befürchte, daß das Projekt „Stopp dem Familiennachzug“ scheitert – aus zwei Gründen. Erstens: Es gibt den vielfach verkündeten Stopp nicht. Es werden Anträge angenommen, diese aber einfach auf die lange Bank geschoben und nicht bearbeitet.

Aber irgendwann kommt der Tag, an dem sie dann bearbeitet werden – und dann haben wir all jene, die jetzt nicht kommen dürfen, eben später im Land. Auch gibt es Ausnahmeregeln, auf die sich dann jeder berufen wird. Und zweitens: Um keinen Familiennachzug zu haben, muß ich bei Asyl auf die Bremse steigen – dieser Stopp paßt aber natürlich nicht mit dem klaren Bekenntnis der Bundesregierung zum Asyl- und Migrationspakt der Europäischen Union zusammen, weil der von einem Stopp nichts wissen will. Und das war ja auch unser Zugang in den Verhandlungen, hier einen vollkommenen Wechsel im Zugang zu dieser Problematik durchzuführen.

Das ist diese berühmte „Festung Österreich“ – errichtet mit Verordnungen, mit Erlässen und mit dem Kappen von Zugängen zum Sozialsystem und mit dem Kappen zum Zugang zur Staatsbürgerschaft. Wenn diese Deattraktivierungs-Maßnahmen im Inland mit der Ankündigung kombiniert werden, keinen Asyl-Antrag mehr in Österreich anzunehmen, dann werden wir dieses Asylproblem und das Problem des Familiennachzugs sehr schnell los sein.

„Am Ende gewinnt immer das Gute, davon bin ich fest überzeugt. Das System und seine Helfer werden am Ende auch mit derartigen Methoden die patriotische Welle der Erneuerung, die durch ganz Europa rollt, nicht aufhalten können.“

Marine Le Pen wurde in Frankreich zu vier Jahren Haft verurteilt. Die AfD und ihre Wähler werden in Deutschland hinter eine Brandmauer gesperrt, in Rumänien wird eine Wahl einfach ungültig erklärt. Haben rechte Politiker den „Kampf gegen das System“ bereits verloren?

Kickl: All diese Vorgänge zeigen eines: die Hilflosigkeit der selbsternannten politischen Eliten. Anstatt mit besseren Argumenten und einem für die Bevölkerung zufriedenstellenden Handeln zu punkten, gehen sie einfach her und versuchen jene, die bei den Menschen hoch im Kurs stehen, zu kriminalisieren, zu verteufeln und sogar zu verbieten.

Aber das wird ihnen auf Dauer nicht gelingen. Am Ende gewinnt immer das Gute, davon bin ich fest überzeugt. Es ist ja auch wirklich ein wenig verrückt. Aber das System und seine Helfer werden am Ende auch mit derartigen Methoden die patriotische Welle der Erneuerung, die durch ganz Europa rollt, nicht aufhalten können. Denn die Liebe zur Heimat, zur Freiheit und zur eigenen Bevölkerung ist immer stärker als der Trieb zum Machterhalt jener, die es nicht gut mit den eigenen Bürgern meinen.

Und noch ein Wort zum Fall von Marine Le Pen. Da gibt es Christine Lagarde, die wurde 2016 in einem Prozeß schuldig gesprochen. Es ging um eine Zahlung in Höhe von 400 Millionen Euro, die Lagarde als damalige Finanzministerin zu verantworten hatte. Das Gericht hat sie zwar schuldig gesprochen, jedoch darauf verzichtet, eine Strafe zu verhängen – und begründet wurde das mit der „Persönlichkeit“ Lagardes und ihrem „internationalen Ansehen“. Frau Lagarde ist heute Präsidentin der Europäischen Zentralbank. Und Marine Le Pen wird wegen angeblicher Malversationen von EU-Geldern in Höhe von vergleichsweise mickrigen 2,9 Millionen Euro zu einer Haftstrafe mit Fußfessel und einem Kandidaturverbot belegt. Hier wird klar mit zweierlei Maß gemessen.

Denken Sie, der „Befehl” an die Volkspartei, die Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ zu torpedieren, kam vielleicht aus Berlin oder Brüssel, so wie das einige Freiheitliche angedeutet haben?

Kickl: Es gab innerhalb der Europäischen Volkspartei große Unruhe wegen der Verhandlungen zwischen der FPÖ und der ÖVP. Die Volkspartei hat sich offenbar den kritischen Stimmen innerhalb der EVP gefügt. Zeugin der Einflußnahme der EVP auf die ÖVP wurde unsere Europaabgeordnete Petra Steger. Ihr EU-Abgeordneten-Kollege Reinhold Lopatka telefonierte neben ihr und teilte seinem Gesprächspartner dabei unverblümt mit, daß er Manfred Weber über jeden Schritt der Regierungsverhandlungen informiert hat und auch dessen Forderungen in die Verhandlungen einfließen ließ.

Das heißt: Nicht die ÖVP entscheidet über die Linie der ÖVP, sondern die EVP und ihr Chef Weber geben die Befehle. Und auch Brüssel hatte Angst vor einem freiheitlichen Kanzler, weil dann mit Viktor Orbán und mir schon zwei Regierungschefs im Amt gewesen wären, die nicht unwidersprochen alles abnicken, was aus Brüssel kommt.

Der historische Händedruck zwischen Österreichs Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen (links) und FPÖ-Chef Herbert Kickl löst in Deutschland Panik aus.
Der historische Händedruck zwischen Österreichs Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen (links) und FPÖ-Chef Herbert Kickl. Am Ende scheiterte der FPÖ-Chef an den Verhandlungen mit der Volkspartei. Foto: picture alliance / HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren? Denken Sie, die aktuelle Regierung hält so lange durch?

Kickl: Jeder Tag, den diese Regierung der Wahlverlierer im Amt ist, ist leider ein verlorener Tag für die Österreicher. Faktum ist: Die ÖVP, die von sich selbst behauptet, in der Mitte zu stehen, hat es mit zwei dezidierten Linksparteien zu tun. Der Kompromiß, den Stocker, Babler und Meinl-Reisinger wie eine Monstranz vor sich hertragen, ist in den allermeisten Bereichen ein fauler Kompromiß mit negativen Auswirkungen für die Menschen in unserem Land.

Wir werden dagegenhalten und sind die einzige Oppositionskraft, denn die Grünen haben ja schon bekannt gegeben, daß sie die Regierung in weiten Teilen unterstützen wollen. Das Match lautet also Einheitspartei gegen die einzige Partei an der Seite der heimischen Bevölkerung – die FPÖ. Wir werden den Druck auf die Verlierer-Ampel jedenfalls hochhalten – zum Wohle unseres Landes und seiner Bürger.


Er wurde von Österreichs Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen mit der Regierungsbildung beauftragt. Warum daraus nichts wurde, erzählt FPÖ-Chef Herbert Kickl im JF-Interview. Foto: picture alliance Lisa Leutner
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