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Interview: Ökonom Fritz Söllner: „Deutschland springt in einen Abgrund“

Interview: Ökonom Fritz Söllner: „Deutschland springt in einen Abgrund“

Interview: Ökonom Fritz Söllner: „Deutschland springt in einen Abgrund“

Scheinheiliger Moralist der Grünen vor Deutschlandfahne: Wie Moralapostel die Zerstörung eines Exportweltmeisters (Deutschland) bewerkstelligen, beschreibt in seinem neuen Buch „Die Moralapostel. Zerstörung eines Exportweltmeisters“ Professor Fritz Söllner, Ökonom und Wirtschaftswissenschaftler, der an der TU Ilmenau Finanzwissenschaft lehrt, Foto: Privat & Adobe Stock/JF-Montage
Scheinheiliger Moralist der Grünen vor Deutschlandfahne: Wie Moralapostel die Zerstörung eines Exportweltmeisters (Deutschland) bewerkstelligen, beschreibt in seinem neuen Buch „Die Moralapostel. Zerstörung eines Exportweltmeisters“ Professor Fritz Söllner, Ökonom und Wirtschaftswissenschaftler, der an der TU Ilmenau Finanzwissenschaft lehrt, Foto: Privat & Adobe Stock/JF-Montage
Der Ökonom Fritz Söllner (l.) warnt vor Deutschlands Absturz: „Gefährlicher Wahn“, Foto: Privat & Adobe Stock/JF-Montage
Interview
 

Ökonom Fritz Söllner: „Deutschland springt in einen Abgrund“

Der grüne Moralismus ist zu einem „Kreuzzug“ gegen unsere nationalen Interessen geworden, warnt Fritz Söllner im JF-Interview. Dieser „gefährliche Wahn“ geht „vielleicht noch drei, vier Jahre gut, vielleicht auch nur noch zwei“, prophezeit der Finanzwissenschaftler in seinem neuen Buch „Die Moralapostel. Zerstörung eines Exportweltmeisters“.
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Herr Professor Söllner, Sie haben sich auf die Suche nach unseren nationalen Interessen gemacht. Wo haben Sie sie gefunden?

Fritz Söllner: Leider nicht bei unseren Politikern. Aber zum Glück ist da noch das Grundgesetz.

Das formuliert nationale Interessen? 

Söllner: Es verpflichtet die Regierung, ihre „Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren, Schaden von ihm zu wenden“. Eigentlich sind nationale Interessen also eine Selbstverständlichkeit.

Aber?

Söllner: Tatsächlich sind sie zum Tabu geworden, allenfalls ein Relikt aus düsterer Vergangenheit, das man im „besten Deutschland, das es je gegeben hat“, glücklicherweise kaum noch findet.

Was haben Sie stattdessen gefunden?

Söllner: „Werte“, auf die nicht nur Kanzler Scholz immer wieder Bezug nimmt. Sogar in der „Nationalen Sicherheitsstrategie“ der Bundesregierung geht es nicht um Deutschland, sondern um Werte, die „zu schützen und zu stärken oberste Aufgabe und Bestimmung des Staates ist“.

Sie meinen „der Regierung“?

Söllner: Nein, da steht „des Staates“.

Aber eine Regierung kann doch nicht die Bestimmung des Staates definieren, das ist Sache der Verfassung.

Söllner: Da kennen Sie unsere Bundesregierung aber schlecht.

Söllner: „Der Preis dieses Moralismus ist das Wohl des eigenen Landes“

Meint diese mit „unseren Werten“ nicht vielleicht das gleiche wie „unsere Interessen“?

Söllner: Genau der Eindruck wird von Politikern gern erzeugt. Um so wichtiger ist es, den Wesensunterschied von Werten und Interessen klarzumachen. Wertegeleitete Politik beruht auf Überzeugungen, interessengeleitete dagegen auf Bedürfnissen und der Abwägung von Kosten und Nutzen.

Während zum Beispiel erstere das Grundrecht auf Asyl um jeden Preis gewährleisten will, koste es was es wolle, fragt letztere danach, wie eine Asylpolitik gestaltet sein muß, mit der wir uns nicht selbst schaden, sondern die im Interesse unseres Landes ist.

Was aber hat das nun mit Wirtschaft zu tun?

Söllner: Ein Beispiel aus der Außenwirtschaftspolitik: In den neunziger Jahren war in den Berichten der Bundesregierung zur Exportförderung noch die Rede davon, daß sich diese – also Hermesbürgschaften etc. – an den Bedürfnissen der Exportindustrie zu orientieren habe. Dagegen finden Sie heute dort, daß der Klimaschutz und die Beachtung von Umwelt- und Sozialstandards in den Empfängerländern im Vordergrund stehen.

Deshalb schreibt ein Ökonom ein Buch über Moral?

Söllner: Das ist in der Tat ungewöhnlich, wobei ich es ja aus Sicht der Ökonomie geschrieben habe.

Dennoch geht es darin nicht um diese, sondern darum wie und warum mit Moral geherrscht wird und welche ideologischen oder politischen Motive dahinterstecken.

Söllner: Und welche Konsequenzen das für Deutschland hat. Allein der Umstand ist bezeichnend, daß ich mich als Ökonom aufgerufen sehe, über Moral zu schreiben. Denn es zeigt zum einen, wie weit diese schon in mein Gebiet eingedrungen ist; zum anderen, was für ein tiefgreifender Wandel der Gesellschaft sich dadurch vollzieht, daß ideologische Vorstellungen alle Bereiche der Gesellschaft durchdringen und sie unter ihre Maßgabe zwingen. Das sollte alle Alarmglocken schrillen lassen.

„Die Deutschen müssen erkennen, was für ein gefährlicher Wahn das ist“

Wie ist Ihnen das klargeworden?

Söllner: Den letzten Anstoß gab die Lektüre einer Broschüre des Auswärtigen Amtes zur feministischen Außenpolitik. Bei dieser kann man nicht anders, als die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen, angesichts dessen, wie wichtig Außenwirtschaftspolitik für einen ehemaligen Exportweltmeister wie Deutschland ist!

Aber es ist ja nicht nur diese, sondern die ganze Wirtschaftspolitik, die Zug um Zug unter den Primat eines rigorosen politischen Moralismus gestellt wird. Doch kostet das einen hohen Preis: das Wohl des eigenen Landes und seiner Menschen.

Wem das klar vor Augen geführt wird, wer den Rigorismus dieses politischen Moralismus durchschaut, der erkennt auch, was für ein gefährlicher Wahn das ist. Doch ich fürchte, die meisten Deutschen machen sich immer noch kein Bild davon. Vor allem um ein Bewußtsein für das Vernichtungswerk zu schaffen, welches da im Gange ist, habe ich mein Buch geschrieben.

Und wie vollziehen „Die Moralapostel“ die „Zerstörung eines Exportweltmeisters“, wie Ihr Buch heißt?

Söllner: Die Ökonomie beruht auf dem Prinzip der Nutzenmaximierung. Diese setzt eine rationale Abwägung von Kosten und Nutzen voraus. Wenn dies in der Politik unterbleibt, kann die Volkswirtschaft – aber nicht nur diese! – schweren Schaden nehmen, etwa indem man das Sozialprodukt nicht ökonomisch sinnvoll, sondern nach angeblich moralischen Gesichtspunkten verwendet.

Es stellt sich nun die Frage, wie man die Menschen dazu bringt, sich das gefallen zu lassen. Der Trick der Moralapostel ist, zu verhindern, daß diese es wagen, das eigentlich selbstverständliche rationale Kosten-Nutzen-Kalkül anzustellen, welches die Grundlage jeder interessengeleiteten Politik bildet, indem die Moralisten genau das als verwerflich stigmatisieren und damit tabuisieren.

„Der Beginn des Kreuzzugs der Werte gegen nationale Interessen“

Moralisierung ist aber doch nur ein Grund für unsere ökonomische Krise. Wie hoch taxieren Sie ihren Anteil an deren Gesamtheit?

Söllner: Das kann man natürlich nicht exakt quantifizieren, aber auf jeden Fall deutlich mehr als die Hälfte.

Wie bitte? Was ist mit dem industriellen Strukturwandel, der Globalisierung, Digitalisierung, Demographie, 16 Jahren Reformverweigerung der Regierung Merkel, Deutschlands verrottender Infrastruktur, Inflation, der Zombifizierung der Wirtschaft etc.

Söllner: Zombifizierung und Inflation zum Beispiel sind auch Folgen des Euros, der für mich den Beginn des Kreuzzugs der Werte gegen nationale Interessen markiert. Natürlich hat es auch davor schon eine Werteorientierung in der Politik gegeben.

Dagegen ist auch so lange nichts zu sagen, wie die Moral sich darauf beschränkt, die Frage nach den wichtigsten Zielen und Grundregeln der Politik zu beantworten und nicht dazu mißbraucht wird, die konkrete Tagespolitik im Sinne einer bestimmten Ideologie zu gestalten. Doch genau das ist passiert.

Warum der Euro?

Söllner: Weil mit seiner Einführung wider alle Vernunft und entgegen aller Warnungen von Ökonomen zum ersten Mal im ganz großen Stil eine wertegeleitete Politik auf Kosten der Interessen unseres Landes und seiner Bürger durchgesetzt worden ist.

Aber gerade für „Exportweltmeister“ ist eine gemeinsame Währung doch ein Segen.

Söllner: Für die einzelnen exportierenden Unternehmen gilt dies. Sie sind dank des Euros sicher vor Wechselkursverlusten und der Last einer starken D-Mark. Aber dies gilt nicht für unsere Volkswirtschaft als Ganzes, da der Euro beispielsweise dazu geführt hat, daß sich Exportüberschüsse anhäufen, von denen man nicht weiß, ob die entsprechenden Forderungen jemals bedient werden, wir also einen realen Gegenwert dafür erhalten – Stichwort: Target-Salden.

Vor allem aber ist es ja nicht beim Euro geblieben, sondern seit diesem Auftakt hat sich die Wertepolitik, die unsere Interessen mit Füßen tritt, immer mehr durchgesetzt: die Grenzöffnung 2015 und die seitdem anhaltende Massenmigration; die Lockdown-Politik ab 2020 – die wie die RKI-Akten zeigen, nicht faktenbasiert war; die Rußlandsanktionen ab 2022, mit denen wir uns selbst unsere Energieversorgung gekappt haben; die Zerstörung der Autoindustrie; der Atomausstieg; die Energiewende und eine Klima-Politik, die extrem teuer ist und dabei angesichts eines deutschen Anteils an den weltweiten Treibhausgasemissionen von weniger als zwei Prozent praktisch keine Auswirkungen auf das Weltklima haben wird.

Und die nächsten massiven Belastungen stehen schon an, etwa mit den Lieferkettengesetzen, die sich als enormer Hemmschuh für die deutsche und europäische Wirtschaft erweisen und zu großen Problemen führen werden. Oder der EU-Klima-„Zoll“, der 2026 eingeführt werden soll und der uns ebenfalls noch einiges kosten wird und zudem das Risiko internationaler Handelskonflikte in sich trägt.

„In drei, vier Jahren – vielleicht auch schon in zwei – schlägt die Krise richtig durch“

Wie weit ist die Zerstörung des ehemaligen Exportweltmeisters nach Ihrer Ansicht schon fortgeschritten?

Söllner: Es gibt diverse Indikatoren, die man dafür heranziehen kann. Etwa sollte es zu denken geben, daß die deutsche Wirtschaft 2023 um 0,3 Prozent geschrumpft, die anderer EU-Länder aber gewachsen ist – übrigens auch die russische und zwar um 2,2 Prozent.

Oder nehmen Sie die zu geringe Investitionsquote, also daß sowohl Unternehmen als auch der Staat im eigenen Land zu wenig investieren. Oder Umfragen, wie die des Instituts der deutschen Wirtschaft, wonach drei Viertel der energieintensiven Betriebe eine Einschränkung der Produktion oder Verlagerung ins Ausland planen.

In der vergangenen Woche hat die Wutrede des Chefs der Deutschen Börse, Theodor Weimer, für Aufsehen gesorgt, in der er fast verzweifelt warnte, „wir sind zum Ramschladen geworden“ und „ökonomisch gesehen auf dem Weg zum Entwicklungsland“. Stimmt das?

Söllner: 2022 und 2023 belegte Deutschland unter 46 Ländern den Spitzenplatz beziehungsweise den zweiten Platz – nur leider geht es um den Nettoabfluß von Direktinvestitionen. In beiden Jahren wurde also wesentlich mehr Kapital aus unserem Land abgezogen, als vom Ausland hier investiert wurde. Das zeigt den großen Vertrauensverlust des Auslands gegenüber unserer Wirtschaft, von dem Weimer auch sprach.

Man muß sich klarmachen, daß, auch wenn es die meisten Bürger noch nicht direkt spüren, die Deindustrialisierung unseres Landes kein Schreckgespenst mehr ist, also etwas, „das uns droht, wenn …“ Nein, sie ist längst Realität! Das heißt, sie vollzieht sich Tag für Tag, ohne daß derzeit ein Ende abzusehen ist. Und damit ist die Frage auch nicht mehr ob, sondern nur noch wann das auch beim einzelnen ankommt.

Wann wird das sein?

Söllner: Da kann man nur schätzen … Wenn alles weitergeht wie bisher, dann wohl in drei oder vier, vielleicht auch nur zwei Jahren.

„Ich fürchte, das ‘grüne Wirtschaftswunder’ endet eher wie Maos ‘großer Sprung’“

Läßt sich der Prozeß noch rückgängig machen?

Söllner: Man muß sich jedenfalls klarmachen: Unternehmen, die einmal abgewandert sind, kommen in der Regel nicht mehr zurück. Zumindest aber könnte man den Prozeß wohl stoppen. Dafür müßte sich aber Grundlegendes ändern.

Haben Sie Grund zu der Annahme, daß das passiert, sollte ab Herbst 2025 Bundeskanzler Merz regieren?

Söllner: Wenn er mit den Grünen koaliert, wie sich das ja etliche in der Union wünschen, nein. Sollte er mit der FDP regieren – was rechnerisch jedoch wohl gar nicht möglich sein wird –, dann könnte man hoffen. Allerdings, so wie sich diese Partei in den vergangenen Jahren immer wieder nach Wahlen verhalten hat, fürchte ich, auch dieser zarte Hoffnungsschimmer trügt.

Warum? Union und FDP sind doch nicht doof und wissen, was auf sie zukommt, steuern sie nicht hart um.

Söllner: Ja, doch der Moralismus der Grünen hat sich längst in allen Parteien festgesetzt, auch in der Union. Die Partei steht nun mal voll hinter der Energiewende, der Klima-Politik oder dem individuellen Grundrecht auf Asyl. All das und noch viel mehr müßte radikal geändert werden. Glauben Sie, daß das passiert? Zumal wenn die Union mit eben diesem Programm die Wahl 2025 gewinnen sollte.

Was geschieht, wenn die „Moralapostel“ also weitermachen?

Söllner: Dann blüht uns das „grüne Wirtschaftswunder“, das immer versprochen wird. Ich fürchte nur, es wird eher wie Maos „Großer Sprung nach vorn“ aussehen, der bekanntlich ein Sprung in den Abgrund war.

„Grünen Klimawirtschaft ähnelt der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft“

Im Buch sagen Sie eine Planwirtschaft voraus: Provokation oder meinen Sie das wirklich ernst?

Söllner: Todernst. Und zwar weil es die Moralapostel ernst meinen. Den meisten von ihnen geht es weniger um ihre Ziele – also „Klimaschutz“ etc. –, sondern um die Durchsetzung ihrer Werte. Das erkennt man etwa daran, daß sie mit dem Geld, welches wir bei uns für Klimaschutz ausgeben, in anderen Ländern viel mehr erreichen könnten.

Doch das interessiert gar nicht, denn ihre wahre Absicht ist, daß wir nach ihrer rigiden Moral leben. Ihre Methoden dienen also nicht ihren Zielen, ihre Ziele dienen dazu, ihre Methoden durchzusetzen. Deshalb führt diese Politik zu immer weiter wuchernder Regulierung und Umverteilung. Es ist doch Irrsinn, erst eine Energiepolitik zu betreiben, die zu extrem hohen Strompreisen führt und dann diese für die Industrie subventionieren zu wollen.

Aber man will ja Unternehmen und Bürger von sich abhängig machen und die ordnungspolitische Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft zerstören. Das endet schließlich zwangsläufig in einer Pseudomarktwirtschaft – und erinnert diese Sie an etwas?

An den Nationalsozialismus?

Söllner: Richtig, dessen Kriegswirtschaft war der heutigen Klimawirtschaft sehr ähnlich: de jure eine Markt-, de facto aber eine Zentralverwaltungswirtschaft. Und so wird das auch künftig aussehen, also ohne Revolution und Enteignungen wie im Kommunismus, sondern maskiert und schleichend, Stück für Stück – und wer davor warnt, der verbreitet „Desinformation“.

Was tun?

Söllner: Moralische Realpolitik statt moralistischer Idealpolitik, Moral statt Moralismus, Selbstbewußtsein statt Sendungsbewußtsein – also ein Ausgleich zwischen Werten und Interessen, denn ohne das eine geht es ebensowenig wie ohne das andere. Mein Buch widmet der überfälligen Abkehr vom politischen Moralismus ein eigenes Kapitel. Dafür braucht es aber Bürger, die auch den Mut haben, diese Abkehr einzufordern.
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Prof. Dr. Fritz Söllner leitet den Bereich Finanzwissenschaft an der TU Ilmenau. Zuvor lehrte der 1963 geborene Kronacher in Bayreuth und war John F. Kennedy-Fellow in Harvard. Nach „System statt Chaos. Plädoyer für eine rationale Migrationspolitik“ (2019) und „Krise als Mittel zur Macht“ (2022) erscheint nun „Die Moralapostel. Zerstörung eines Exportweltmeisters“.

JF 26/24 

Der Ökonom Fritz Söllner (l.) warnt vor Deutschlands Absturz: „Gefährlicher Wahn“, Foto: Privat & Adobe Stock/JF-Montage
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